Während der Vorbereitung auf das Interview mit Slaviša Mašić ist mir aufgefallen, dass nicht viele Informationen zu seiner Person zu finden sind. Es waren lediglich wenige Interviews, zumeist mit sehr ähnlichen oder sogar gleichen Inhalten, zu finden. Diese wenigen Interviews bezogen sich nahezu ausschließlich auf die Zeit der Olympischen Winterspiele in Sarajevo im Jahr 1984, da Slaviša Mašić der Regisseur der Übertragung dieser Spiele war.
Slaviša Mašić lud uns für das Interview in sein Atelier in Sarajevo ein, welches sich in der ehemaligen Wohnung seiner Familie befindet. In seinem Atelier gibt Slaviša Mašić anderen Menschen die Möglichkeit, ihre Poesie zu präsentieren und stellt sein Atelier außerdem für verschiedene kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung. Während wir uns ein wenig umgeschaut hatten, fiel mir sofort auf, dass man von seinem Atelier aus, durch die große Fensterfront, einen wunderbaren Blick auf den Trebević hat. Der Trebević ist der Berg am südlichen Rand der Stadt, auf dem sich unter anderem die Bobbahn befindet, die hier eigens für die Winterspiele ´89 erbaut wurde. Diese Bobbahn, die während der Belagerung Sarajevos teilweise zerstört wurde, kann auch heute noch besichtigt werden. Auch wir waren während unseres Aufenthalts auf dem Trebević und sind die Bobbahn heruntergewandert.
Die erste Frage, die Slaviša Mašić bezüglich der Olympischen Winterspiele ´84 gestellt wurde, bezog sich darauf, wie er diese wahrnahm und vor allem, wie er die Zusammenarbeit mit Menschen aus ganz Jugoslawien empfunden hat. Mašić beschrieb die Spiele als ein wunderbares Ereignis für die Menschen, ging jedoch hauptsächlich auf technische Begebenheiten ein und betonte, dass Einiges, wie beispielsweise die Slow Motion oder der weltweite Teletext, zu diesem Event erstmalig verwendet wurden
Im Voraus hatte ich mir erhofft, dass ich im Interview etwas über die Stimmung und die Zusammenarbeit der Menschen während der Winterspiele erfahren werde. Da sich das Interview dann jedoch in eine andere Richtung entwickelte, ging Mašić hierauf eher weniger ein, erzählte hierzu jedoch einige witzige Anekdoten, wie beispielsweise, dass ein Filmdirektor aus Priština, dem das Filmen einer bestimmten Sportart zugeteilt wurde, nachfragte, warum ihm nicht die Sportart Handball zugeteilt werden könne. Belustigt erklärte uns Mašić, dass dies natürlich nicht möglich war, da es sich beim Handball um keine Wintersportart handelt.
In einem der Interviews, die ich im Vorfeld gelesen hatte, ist mir besonders aufgefallen, dass Slaviša Mašić die Winterspiele in Sarajevo als die „letzten Olympiade mit menschlichem Gesicht“ bezeichnete. In unserem Gespräch, erklärte er uns dies folgendermaßen. Seiner Meinung nach, haben die Menschen aus ganz Jugoslawien, die an der Olympiade mitgearbeitet haben, aus voller Überzeugung und mit vollem Herzen mitgearbeitet, während das Geld eine zweitrangige Rolle gespielt hat. Sie haben, so Mašić, nicht primär für sich gearbeitet, sondern für das gesamte Jugoslawien. Laut Mašić sollen die Olympischen Spiele für den Sportler nützlich sein als ein Ort an dem er sich präsentieren und messen kann – der Sportler stellt für ihn den Hauptakt dar. Olympische Spiele, sowie auch andere sportliche Großereignisse, geben heute ebenfalls Sängern sowie anderen prominenten Personen eine Bühne und lassen die Sportler damit in den Hintergrund rücken. Dies sind für Slaviša Mašić Gründe dafür, dass die Olympischen Spiele nach 1984 grundsätzlich „kein menschliches Gesicht“ mehr besäßen.