Susan: Interview mit Slaviša Mašić

Während der Vorbereitung auf das Interview mit Slaviša Mašić ist mir aufgefallen, dass nicht viele Informationen zu seiner Person zu finden sind. Es waren lediglich wenige Interviews, zumeist mit sehr ähnlichen oder sogar gleichen Inhalten, zu finden. Diese wenigen Interviews bezogen sich nahezu ausschließlich auf die Zeit der Olympischen Winterspiele in Sarajevo im Jahr 1984, da Slaviša Mašić der Regisseur der Übertragung dieser Spiele war.

Die Olympischen Winterspiele im Februar 1984 in Sarajevo waren die ersten und einzigen Olympischen Spiele, die jemals in Jugoslawien ausgetragen wurden. Diese Winterspiele, an denen 49 verschiedene Nationen teilnahmen, blieben, möglicherweise unter anderem auch aufgrund des Maskottchens Vučko (einem kleinen Wolf), weltweit in sehr guter Erinnerung. Auch von offizieller Seite wurden die Winterspiele besonders hervorgehoben: Sarajevo wurde von dem damaligen Präsidenten des Internationalen Organisationskomitees der Olympischen Spiele als bisher bester Gastgeber gelobt. Diese Meinung wurde auch von vielen Teilnehmern der Olympischen Spiele geteilt, die im Nachhinein ebenfalls die besondere Gastfreundlichkeit betonten.
In der Vorbereitung des Interviews mit Slaviša Mašić erfuhr ich im Gespräch mit Denis und Milica, Studierenden aus Sarajevo und Novi Sad, die sich ebenfalls auf das Interview mit Slaviša Mašić vorbereitet hatten, dass Mašić ebenfalls als Kunstkritiker tätig war und während der Belagerung Sarajevos in den 90er Jahren Texte für das Fernsehen geschrieben und korrigiert hatte. Außerdem erzählten sie mir, dass Slaviša Mašić ebenfalls Poesie verfasst, die er jedoch für sich persönlich verfasst und aus diesem Grund nicht veröffentlicht. Da aus den bisherigen Informationen zu seiner Person hervorging, dass die Zeit als Regisseur der Übertragung der Winterspiele eine besondere und wichtige Zeit für ihn persönlich sowie für seine Karriere war, habe ich mich dazu entschieden mich auf diesen Bereich seines Lebens zu konzentrieren, während sich die anderen beiden Studierenden eher auf andere Bereiche konzentrierten.

Slaviša Mašić lud uns für das Interview in sein Atelier in Sarajevo ein, welches sich in der ehemaligen Wohnung seiner Familie befindet. In seinem Atelier gibt Slaviša Mašić anderen Menschen die Möglichkeit, ihre Poesie zu präsentieren und stellt sein Atelier außerdem für verschiedene kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung. Während wir uns ein wenig umgeschaut hatten, fiel mir sofort auf, dass man von seinem Atelier aus, durch die große Fensterfront, einen wunderbaren Blick auf den Trebević hat. Der Trebević ist der Berg am südlichen Rand der Stadt, auf dem sich unter anderem die Bobbahn befindet, die hier eigens für die Winterspiele ´89 erbaut wurde. Diese Bobbahn, die während der Belagerung Sarajevos teilweise zerstört wurde, kann auch heute noch besichtigt werden. Auch wir waren während unseres Aufenthalts auf dem Trebević und sind die Bobbahn heruntergewandert.
Die erste Frage, die Slaviša Mašić bezüglich der Olympischen Winterspiele ´84 gestellt wurde, bezog sich darauf, wie er diese wahrnahm und vor allem, wie er die Zusammenarbeit mit Menschen aus ganz Jugoslawien empfunden hat. Mašić beschrieb die Spiele als ein wunderbares Ereignis für die Menschen, ging jedoch hauptsächlich auf technische Begebenheiten ein und betonte, dass Einiges, wie beispielsweise die Slow Motion oder der weltweite Teletext, zu diesem Event erstmalig verwendet wurden
Im Voraus hatte ich mir erhofft, dass ich im Interview etwas über die Stimmung und die Zusammenarbeit der Menschen während der Winterspiele erfahren werde. Da sich das Interview dann jedoch in eine andere Richtung entwickelte, ging Mašić hierauf eher weniger ein, erzählte hierzu jedoch einige witzige Anekdoten, wie beispielsweise, dass ein Filmdirektor aus Priština, dem das Filmen einer bestimmten Sportart zugeteilt wurde, nachfragte, warum ihm nicht die Sportart Handball zugeteilt werden könne. Belustigt erklärte uns Mašić, dass dies natürlich nicht möglich war, da es sich beim Handball um keine Wintersportart handelt.
In einem der Interviews, die ich im Vorfeld gelesen hatte, ist mir besonders aufgefallen, dass Slaviša Mašić die Winterspiele in Sarajevo als die „letzten Olympiade mit menschlichem Gesicht“ bezeichnete. In unserem Gespräch, erklärte er uns dies folgendermaßen. Seiner Meinung nach, haben die Menschen aus ganz Jugoslawien, die an der Olympiade mitgearbeitet haben, aus voller Überzeugung und mit vollem Herzen mitgearbeitet, während das Geld eine zweitrangige Rolle gespielt hat. Sie haben, so Mašić, nicht primär für sich gearbeitet, sondern für das gesamte Jugoslawien. Laut Mašić sollen die Olympischen Spiele für den Sportler nützlich sein als ein Ort an dem er sich präsentieren und messen kann – der Sportler stellt für ihn den Hauptakt dar. Olympische Spiele, sowie auch andere sportliche Großereignisse, geben heute ebenfalls Sängern sowie anderen prominenten Personen eine Bühne und lassen die Sportler damit in den Hintergrund rücken. Dies sind für Slaviša Mašić Gründe dafür, dass die Olympischen Spiele nach 1984 grundsätzlich „kein menschliches Gesicht“ mehr besäßen.

Wie bereits beschrieben, ging Slaviša Mašić häufig auf die technischen Begebenheiten und Neuerungen während der Winterspiele ´84 ein. Dies tat er zudem auch sehr ausführlich, sodass dies einen sehr großen Teil des Interviews ausmachte. Das ausführliche Berichten über die Übertragung der Olympischen Spiele zeigte noch einmal den besonderen Stellenwert, den diese Zeit sowie diese Arbeit für ihn darstellt. Außerdem drückte auch die Art und Weise, wie er über die Spiele redete, seine Begeisterung aus. Im Laufe des Interviews zeigte Mašić uns voller Begeisterung, noch einige Erinnerungsstücke, die er in seinem Atelier untergebracht hat. Hierzu gehört unter anderem eine Vučko-Figur und außerdem zeigte er uns einige Plakate der Olympischen Winterspiele, wie es auch auf dem vorangestellten Foto zu erkennen ist. Das ursprüngliche Thema des Seminars konnte in dem Interview mit Slaviša Mašić leider nur angeschnitten werden. Jedoch war es trotz dessen ein sehr angenehmes und vor allem interessantes Gespräch, während welchem wir Slaviša Mašić als sehr offene und sympathische Person kennengelernt haben und eine Menge über die Zeit der Olympischen Winterspiele in Sarajevo erfahren durften.
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