Sabine Wahl
Im Laufe der Zeit sind verschiedene Länder für bestimmte Produkte und Industriezweige berühmt geworden: die Schweiz für ihre Uhren, Deutschland für seine Automobilindustrie und weitere technische Produkte sowie Italien und Frankreich für Produkte aus den Bereichen Mode und Nahrungsmittel. Für Hersteller dieser Produkte kann es daher werbewirksam sein, über das vielzitierte „Made in“ oder die Bilderwelt mit typischen Landschaften, Sehenswürdigkeiten und den Farben der jeweiligen Nationalflagge die Herkunft des Herstellers oder eines einzelnen Produkts in der Werbekommunikation aufzuzeigen und zu betonen. An dieser Stelle seien zwei Beispiele genannt: Das Logo der TeleTrusT-Initiative „IT Security made in Germany“ weist auf der bildlichen Ebene die deutschen Nationalfarben und auf der sprachlichen Ebene die Worte „IT Security made in Germany“ auf. Die Website www.made-in-italy.com verwendet die italienischen Nationalfarben und widmet sich den Themen „FASHION, DESIGN, FOOD, WINE, TRAVEL“. In der Werbeforschung, die von vielen verschiedenen Disziplinen – u. a. auch der Sprachwissenschaft – betrieben wird, spricht man hier vom Country-of-Origin-Effekt. Die Betonung der Herkunft (des Produkts oder Herstellers) kann dabei nicht nur über die Bilderwelt, sondern auch über die Sprach- und Musikauswahl erfolgen. Dafür ist der Begriff Sound of Origin eingeführt worden (Wahl 2011 [1] und [2]). Dieser Beitrag stellt ausgewählte Ergebnisse dieser beiden Studien zur Werbung des französischen Automobilherstellers Renault und zur Hörfunk- und Fernsehwerbung für bayerisches Bier kurz vor: In diesen Beispielen leistet der Klang der gesprochenen und gesungenen Sprache sowie der Musik (insbesondere über die Instrumentierung und bestimmte Musikstile/-genres) jeweils als Sound of Origin einen wichtigen Beitrag zur Markenidentität.[3] Es wird sich aber auch zeigen, dass diese Strategie gewisse Schwierigkeiten beim Aufbau einer unverwechselbaren Markenidentität mit sich bringt.
Für Brauereien aus Bayern gibt es verschiedene gute Gründe, mit der bayerischen Herkunft zu werben: Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan bei Freising (1040) gilt als die älteste Brauerei der Welt, am 23.04.1516 wurde in Ingolstadt das Reinheitsgebot verkündet, das vor allem die Zutaten für das Brauen festlegte und damit als das älteste Lebensmittel- und Verbraucherschutzgesetz der Welt angesehen wird, es gibt sehr viele Brauereien in Bayern und seit Juni 2001 ist „Bayerisches Bier“ eine in der EU geschützte geographische Angabe (g.g.A.). Die Forschungsfragen, die an das Korpus von Radio- und TV-Werbespots verschiedener bayerischer Brauereien (1966–2011) herangetragen werden können, lauten:
- Wie viel Bairisches und Bayerisches wird als Sound of Origin eingesetzt?[4]
- Passt der Name zur Strategie?
- Wird das Country of Origin in TV-Spots auch bildlich betont?
Die Auswertung zeigt, dass zwar in keinem einzigen Werbespot durchgängig im bairischen Dialekt gesprochen wird, dass aber häufig bestimmte lautliche Merkmale des Bairischen – genauer des Mittelbairischen mit dem Zentrum München – zu hören sind:
- das hintere, „dunkle“ a des Bairischen [ɒ] wie in [d̥ɒ:g̥] ‚Tag‘
- die Synkopierung unbetonter Vokale wie in [b̥ʃd̥ɛ͜ɪd̥] ‚bestellt‘ (plus l‑Vokalisierung, s. u.)
- die Vokalisierung von [l] > [ɪ] zwischen Vokal und Konsonant bzw. nach Vokal im Silbenauslaut, z. B. in [vɛ͜ɪd̥] ‚Welt‘
- die bairischen Diphthonge [i͜ɐ], z. B. in wia ‚wie‘ [Audio wie] und [ɔ͜ɐ] hoaßt‘s ‚heißt’s‘
Auf der lexikalischen Ebene findet sich in einem Werbespot der bairische Abschiedsgruß Pfiadi
und auf der syntaktischen Ebene wird einmal die Struktur mit der doppelten Setzung des unbestimmten Artikels eingesetzt: a ganz a [b̥sond̥ɐnɐ d̥ɒ:g̥] ‚ein ganz besonderer Tag‘.
Wer spricht denn nun in den Werbespots im Dialekt? Es sind v. a. die Sprecher im Dialog, die miteinander Bairisch sprechen. Der Dialekt ist dabei nicht an sogenannte Testimonials gekoppelt, also an prominente Markenbotschafter, von denen man weiß, dass sie normalerweise Bairisch sprechen. In der Kampagne 120 Jahre Erdinger (2006) spricht Franz Beckenbauer interessanterweise in dem Radiospot, der in Bayern ausgestrahlt wurde, weniger stark Bairisch als in einer Version, die in Hamburg gesendet wurde. Außerdem wird in der Version für Hamburg durch den gesungenen Jingle mit bairischem Text mehr Dialekt verwendet als in der Version für Bayern mit der rein instrumentalen Version des Jingles. Die Sprecher aus dem Off bzw. diejenigen Sprecher, die diese Funktion in der Radiowerbung übernehmen, sprechen in fast allen Spots Standarddeutsch.
Durch den bairischen Dialekt in der gesprochenen und gesungenen Sprache wird von vielen bayerischen Brauereien auf die bayerische Herkunft verwiesen und damit ein Sound of Origin geschaffen, obwohl der Einsatz von Dialekten in (deutschlandweiter) Werbung nicht unumstritten ist. In der Werbung der bayerischen Brauereien ist der Sound of Origin aber funktional: Mit der Hervorhebung des bayerischen Ursprungs wird das Brauen nach dem Reinheitsgebot betont – und damit auch bewusst über den Sprach- und Musikklang die traditionell gute Qualität der Produkte.
Dieser Effekt wird auch über die Musik erreicht: In über 20% der Werbespots erklingt bayerische Volksmusik, gespielt von traditionellen Blaskapellen.
Außerdem wird häufig über die Namen der Brauereien auf Bayern verwiesen. So werden einerseits die Ortsnamen direkt genannt wie beispielsweise in den Namen Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan und Klosterbrauerei Weltenburg, oder vom Ortsnamen abgeleitete, substantivierte Adjektive herangezogen, wie z. B. bei Erdinger und Kulmbacher.
In den TV-Spots wird das Country of Origin zusätzlich im Bild präsentiert. Zu sehen sind hier Volksfestszenen vor Alpenpanorama unter weiß-blauem Himmel, bei denen Menschen in bayerischer Tracht gut gelaunt feiern. Auch Bilder aus München oder direkt aus dem (Paulaner-)Biergarten werden gezeigt. Bayern tritt also in Bild und Ton, d.h. multimodal, auf.
Problematisch wird diese Strategie für die Kreation einer eigenen, unverwechselbaren Markenidentität, wenn sie, wie beschrieben, von vielen bayerischen Brauereien verfolgt wird. Die Brauereien versuchen der drohenden Gefahr einer Verwechslung mit der Konkurrenz zu entgehen, indem z. B. auf der klanglichen Ebene in Werbespots durchgängig, ja ohrwurmartig, die markentypische Melodie erklingt, in Bild und Ton bestimmte Testimonials immer wieder für eine Marke auftreten und die Bilderwelten in TV-Spots trotz des Bezugs zu Bayern individuelle Schlüsselbilder beinhalten.
Der Sound of Origin begegnet uns aber nicht nur in Werbespots für bayerisches Bier, sondern auch in der Werbung für den französischen Automobilhersteller Renault. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der TV-Spot Crashtest aus dem Jahr 2005. In diesem Spot, in dem kein einziges Auto zu sehen ist, stehen auf der bildlichen Ebene zunächst die Konkurrenten mit Hilfe von zum Herkunftsland passenden Lebensmitteln und Gerichten im Vordergrund, bevor dann ein Baguette Renault symbolisiert. Auf der klanglichen Ebene wird jedoch von Beginn an der Bezug zu Frankreich deutlich betont: In diesem Spot ist die erste Strophe des französischen Chansons J’attendrai (‚Ich werde warten‘) zu hören. Damit nicht nur über das Musikgenre, sondern auch über den gesungenen Text gleich Frankreich assoziiert wird, wurde sogar auf die instrumentale Einleitung verzichtet. Darüber hinaus sind bei Renault der Slogan „Créateur d’automobiles“, der in anderen Werbespots auch gesprochen wird, und die Modellnamen französisch.
Seit 2009 wirbt Renault jedoch mit einem englischen Slogan: zunächst mit „Drive the Change“ und aktuell mit „Passion for life“. Für diese Änderung der Strategie/Positionierung sind verschiedene Gründe denkbar: U. a. wird mit Englisch Internationalität und Modernität assoziiert und ein englischer Markenslogan ist für international agierende Unternehmen auch nicht ungewöhnlich. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entscheidung auf das lang gepflegte französische Image von Renault auswirken wird.
Sabine Wahl, Studium der Germanistik, Anglistik und Hispanistik an den Universitäten Eichstätt-Ingolstadt und Oxford, Alumna der Studienstiftung des deutschen Volkes, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Deutsche Sprachwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt sowie Lektorin für Deutsche Sprachwissenschaft / Deutsche Sprache der Gegenwart an der Universität Bremen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Werbespots, Markennamen und Multimodalität.
[1] Wahl, Sabine (2011): „Sicher aus Frankreich – Das Zusammenspiel von Text, Bild und Musik in Werbespots“. In: Kazzazi, Kerstin / Wahl, Sabine / Luttermann, Karin / Fritz, Thomas A. / Potsch-Ringeisen, Stefanie (Hg.): EichstätteR Sprachgeschichten. Ein Kolloquium zu Ehren von Elke Ronneberger-Sibold. Würzburg, 155–176.
[2] Wahl, Sabine (2012): „Heimat multimodal: zur Gestaltung der Hörfunk- und Fernsehwerbung für bayerisches Bier“. In: Blei, Josephine / Bülow, Lars / Hausold, Antje (Hg.): Heimat und Identität im Donauraum. Forschungen zur Semiotik und Geschichte. Passau, 111–131.
[3] Wenn sich Sprachwissenschaftler mit Werbung beschäftigen, können sie sich einerseits allein auf die Sprache konzentrieren oder andererseits Werbespots als komplexe, multimodale Texte (bzw. Kommunikate) betrachten und das Zusammenspiel der (gesprochenen, geschriebenen und gesungenen) Sprache mit den anderen sogenannten Zeichenmodalitäten (Musik, Geräusche, Bilder) analysieren.
[4] Mit der Schreibung <bairisch> wird auf den Dialekt referiert, mit der Schreibung <bayerisch> auf das politisch-kulturelle Bayern. Darunter fällt u. a. die bayerische Volksmusik.
Dies war ein Beitrag von Sabine Wahl im Vortragsblock “Marke und Identität” der Tagung “Klang und Identität”.