The Gospel of Luke and The Acts of the Apostels – Burrus

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The Gospel of Luke and the acts of the Apostles – Virginia Burrus

Virginia Burrus ist es wichtig, das Römische Reich einer postkolonialen Kritik zu unterziehen, um das Werk des Lukas in Form des Evangeliums und der Geschichte der Apostelinnen und Apostel dahingehend zu untersuchen. Der Artikel ist ein Versuch, verschiedene Lesarten zu präsentieren, da Lukas’ Werk von sehr viel Ambivalenz und Mehrdeutigkeit geprägt ist. Burrus geht auf die politische Lage, die Ökonomie, die Stellung des Autors sowie die literarische Schreibweise ein.

Zu Beginn schildert Burrus, was Lukas über die verschiedenen politischen Gegebenheiten zu Lebzeiten Jesu festhält. Der damalige mediterrane Lebensraum stand unter der Herrschaft Roms. Auch in Judäa, Kleinasien, Syrien waren die Römer in Form von Statthaltern, Hauptmännern und Soldaten zugegen. Dem gegenüber standen die lokalen Herrscher wie Herodes Agrippa, König von Judäa, aber auch die jüdische Elite, welche ebenfalls eine soziale, politische und ökonomische Macht ausübte. Der Einfluss der verschiedenen Machtgruppen ist im Evangelium und der Apostelgeschichte verschieden dargestellt. So wird bei der Auslieferung Jesus sehr deutlich, dass Lukas die treibende Kraft in der jüdischen Elite sieht, mit der Intention, Jesus zu verurteilen. Allerdings ist es Pilatus als Vertreter des röm. Reiches, der seine Autorität nicht einsetzt, um Jesus freizulassen. Dies wird betont durch die Schilderung der strategischen Freundschaftsschließung mit Herodes. So bleibt die Situation am Ende ambivalent. Die Priesterschaft wird für ihrer Brutalität und Beharrlichkeit verurteilt. Auch Pilatus wird bei Lukas für seine Passivität verurteilt, mehr als bei den anderen Evangelisten. 

Burrus sieht bei Lukas sowohl eine politische als auch ökonomische Auseinandersetzung mit der damaligen Zeit. In seinem Evangelium gibt es die meisten Geschichten und Gleichnisse, in denen die Reichen verurteilt werden und den Armen das Himmelreich Gottes versprochen wird. Bei der Apostelgeschichte könnte man sogar von „ frühchristlichem Kommunismus“ sprechen. Burrus nennt die Geschichte von Ananias und Saphira. Lukas erscheint als „Anwalt der Gerechtigkeit“. 

Jedoch findet Burrus Lukas Einstellung zu den Armen auch paternalistisch,  da bevormundend. Lukas gutes Verhältnis zu vielen wohlhabenden Frauen und Männern, welche ihn finanziellen unterstützen, steht dem gegenüber. Sein Doppelwerk ist für eine reiche Leserschaft gedacht. So könnte Theophilus, an welchen beide Werke adressiert sind, ein Wohltäter von Lukas sein. Dennoch ist Jesus in Lukas’ Schilderungen der ökonomisch Radikalste.

Den Vorworten zu beiden Schriften des Lukas kann man entnehmen, dass er sich seiner besonderen Rolle bewußt war. Die Erweiterung des Evangeliums durch die Apostelgeschichte ist sehr untypisch für dieses Genre und könnte als Buch (novel) verstanden werden. Das Ende hat er offen gelassen, sodass es übertragbar bleibt und ein postkoloniales Lesen ermöglicht.

Abschließend geht Burrus nochmal auf die Mehrsprachigkeit ein, welche besonders in der Pfingstgeschichte zum Ausdruck kommt. Beim Pfingstwunder wird den Aposteln durch den Heiligen Geist die Fähigkeit verliehen, in den verschiedensten Sprache zu reden, sodass alle sie verstehen.

Burrus hält rückblickend fest, dass das lukanische Werk oft nicht kritisch genug untersucht wurde und die darin enthaltenen Ambivalenzen nicht hinreichend betrachtet werden. Dennoch folgt aus Lukas Schilderungen nicht zwangsläufig eine antiimperiale Haltung. Die Mehrdeutigkeit seines Werkes kann in heutiger Zeit als Chance genutzt werden, nach Wegen, Möglichkeiten und verschiedenen Perspektiven in Betrachtung unserer heutigen Welt zu suchen.


Virginia Burrus: The Gospel of Luke and The Acts of the Apostles

von Esther Holtschulte

In diesem Artikel beschäftigt Virginia Burrus sich mit der Frage, ob und inwiefern eine postkoloniale Lesart des Lukas-Doppelwerkes möglich ist. Dabei stellt sie eine oftmals ambivalente Position des Verfassers hinsichtlich verschiedener Themenbereiche heraus.

Zunächst zeigt sie, dass Lukas die Erzählungen (Vorgeschichte, Jesu Geburt, Wirken des Johannes) oftmals mit politischen Datierungen verknüpft und die Erzählung somit in den politischen Kontext einbettet. In Machtpositionen seien Stellvertreter des römischen Reiches, jüdische Tetrarchen und die Priester-Elite. Die Einbeziehung Herodes durch Pilatus in den Jesus-Prozess sowie Pilatus’ weiteres Verhalten wertet sie als politisches Vorgehen. In Kombination mit der Szene am Kreuz, in der sowohl einer der Mitgekreuzigten als auch ein Centurio Jesu Unschuld erkennen, zeige Lukas anhand des Jesus-Prozesses die Ungerechtigkeit des römischen Justizsystems mit Jesus als unschuldigem Opfer. Einen ähnlichen ‘politischen Showdown’ sieht sie in den Prozessen in der Apostelgeschichte, wobei das Wirken Paulus’ in Rom als im Vergleich zu seiner Zeit  Jerusalem besonders frei sowie die Auslassung seines Todes hervorgehoben wird. So kommt Burrus zu dem Schluss, dass Rom (nicht zwingend als örtlich gebundener Begriff) für Lukas für die Auflösung von Unterschieden wie Herrscher und Untergebene stehen könnte. Allerdings stelle er die Herrschenden eben nicht positiv dar und gerade Pilatus sei im Vergleich zu anderen Evangelien im besonderen Maße für die Verurteilung verantwortlich.

Ähnlich ambivalent sieht Burrus Lukas im Bezug auf Ökonomie. So sieht sie Lukas 20,22-26 nichts als eindeutige Aussage Jesu, man solle den Tribut zahlen, sondern als womögliche Kritik am römischen Währungssystem. In Bezug auf das Thema Ökonomie führt sie einerseits die Umstände Jesu Geburt sowie den Fokus auf ökonomischer Ungerechtigkeit in verschiedenen Gleichnissen sowie die Gütergemeinschaft der Apostelgeschichte an, in deren Zusammenhang von Ananias und Saphira erzählt wird. Andererseits beschreibt sie Lukas’ Umgang mit Armut als paternalistisch und seine Werke seien für eine reiche Leserschaft gedacht. So kann sie sich Theophilus als einen Patron Lukas’ vorstellen. Zudem sieht sie Frauen wie Maria Magdalena oder Susanna als mögliche Patroninnen Jesu. Dessen Fähigkeiten und Taten zwar die üblichen Dienste eines Klienten im Abhängigkeitsverhältnis übersteigen, für Burrus aber als solche gewertet werden können. Auch für die Apostelgeschichte führt sie verschiedene Beispiele an, in denen die Apostel mit der jeweiligen Elite interagieren und sie konvertieren, womit Lukas zeigen wolle, dass die christlichen Lehrer ebenfalls unterstützende Patrone und Patroninnen haben.

Anschließend beschäftigt Burrus sich damit, dass Lukas mit der Apostelgeschichte als Zusatz zum Evangelium wie deren offenem Ende die Unvollständigkeit und dementsprechend auch die Unabgeschlossenheit der Ereignisse zeige. Zudem analysiert sie anhand des Pfingstereignisses Lukas’ Wahrnehmung anderer Sprachen und anhand anderer Beispiele seine Einarbeitung anderer Stimmen (als seine eigene Erzählstimme) durch Kontextualisierung heteroglossaler (also “other-tongued”) Aussagen, um sie gewissermaßen zu kontrollieren. Auch Lukas’ Konzept von Mission bespricht Burrus durch Begegnung zwischen dem äthiopischen Eunuchen und Philippus, bei der sie die uneindeutige Hierarchie (sowie die Uneindeutigkeit, wer wen tauft) und den Ort als für beide fremd hervorhebt. Auch für die Begegnung von Paulus und Lydia sowie der Austreibung eines prophetischen Geistes aus einem Mädchen zeigt Burrus Uneindeutigkeiten auf.

Letztendlich kommt Virginia Burrus zu dem Schluss, man könne eine ‘anti-imperiale’ Lesart bei Lukas finden, was jedoch nicht zwingend auch ‘postcolonial’ heißen muss, und stellt die Texte als oftmals ambivalent dar.


Virginia Burrus: Das Lukasevangelium als Vorbild für postkoloniale Diskurse?

von Vincent Brilling

In ihrem Artikel erläutert Virginia Burrus, inwiefern sich das Lukasevangelium zusammen mit der Apostelgeschichte innerhalb des interkulturellen Diskurses postkolonialer Situationen als Umgang mit dem Zustand anbiete. Dabei geht sie hautpsächlich auf drei Kernpunkte ein.

Zunächst betrachtet Burrus innerhalb des lukanischen Doppelwerkes, wie maßgebend die politische Situation für den Verlauf der Handlung sei. So erhalte der Leser der beiden Werke ein ungefähres Bild davon, wie das römische Regierungssystem sich in den Umwelten von Jesus und Paulus im Leben der Menschen zeige. Die bedeutenden Machtinstanzen in den Provinzen Judäa und Syrien seien dabei aber nicht nur die Römer selbst gewesen, sondern auch jüdische Klientelkönige und die ortsansässige Priesterkaste, die nicht völlig machtlos agiert haben soll. Hierbei zeigt Burrus anhand der Passion Jesu etwa, wie Pilatus vermutlich mit Jesu Anklage taktiert habe, um sich zum einen Herodes als Verbündeten zu sichern und zum anderen das Volk zu besänftigen und so Unruhen zu vermeiden.

Die Unschuldsbetonung Jesu durch den Mitgekreuzigten und den Zenturio scheine zunächst das römische Justizsystem in den Schutz zu nehmen und lenke in der Apostelgeschichte die Schuldfrage auf die Priesterkaste hin, welche in den Gerichtsprozessen am Ende gipfelt, aus denen Paulus letztlich scheinbar entkommt, indem er nach Rom gebracht wird.

Und doch kreidet Burrus gerade die strategische Passivität der römischen Besatzungsmacht an und weist Pilatus die Größte Schuld an Jesu Tod zu. Lukas mische in sein Werk daher sowohl Kritik an das Römische Reich und zeigt dabei auch die Möglichkeiten und Werte, die das System mit sich bringe.

Nach der Erörterung der politsichen Dimensionen widmet Burrus sich den wirtschaftlichen Schichten. Zunächst lasse sich Lukas als ein radikaler Visionär verstehen. So sind es die Armen, die laut Burrus in Jesu Reden und Gleichnissen die bedeutende Rolle spielen. Reiche werden weggeschickt oder für ihren Besitz bestraft. Doch seien es letztlich genau diese Reichen, die zum einen Jesus aber dann vor allem die Apostel stützen. Lukas mache damit die Reichen zu Schirmherren der Armen. Dabei sei auffällig, das relativ häufig Frauen Erwähnung als materielle und einflussstellende Unterstützer finden. Es zeige sich hieraus, dass sozialer Stand und die finanziellen Mittel damalige Geschlechterrollen durchaus übertrumpfte.

Weiterhin widmet sich Burrus der interkulturellen Dimension innerhalb des lukanischen Doppelwerkes. Burrus schreibt von einer schwer greifbaren Heteroglossalität. Längere Reden meist in zusammenhang mit z.b. Engeln oder Prophezeiungen scheinen von „wo anders“ herzukommen. Manchmal sei unklar, welche Figur welche Position inne hat oder welche Folgen und Bedeutung eine Handlung hat, wobei Phillipus und der äthiopische Eunuch unter anderem als ein Beispiel herangezogen werden.

Burrus fasst zusammen, dass sich in den lukanischen Werken anti-imperialistische Tendenzen wiederfinden würden, wenn auch teilweise versteckt hinter apologetischen Strategien. Die Ambivalenz von Lukas könnte als Vorbild genutzt werden für unsere eigenen Projekte betreffs Widerstand gegenüber kolonialistischen Reichen der Moderne und den Neo-Reichen des 21. Jahrhunderts. Dabei ginge es jedoch schlussendlich nicht einfach nur um politische Kritik auf eine andere Art und Weise, sondern auch um politische Möglichkeiten.

Virginia Burrus: The Gospel of Luke and the Acts of the Apostels

Virgina Burrus geht in ihrem Kommentar zum lukanischen Doppelwerk der Frage nach, welchen postkolonialen Ertrag dieses beinhaltet. Denn obwohl sich Lukas‘ Werk intensive mit dem Thema Macht (power) auseinandersetzt, ist seine Position doch an vielen Stellen vieldeutig und nicht klar wahrzunehmen. Um nun also das lukanische Doppelwerk auf seinen postkolonialen Gehalt hin abzuklopfen, untersucht Burrus zuerst, wie die politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten im Römischen Reich im Werk dargestellt werden, anschließend, wie der Autor seine eigene Rolle reflektiert, und als letztes, wie bestimmte Themen literarisch dargestellt werden. Am Schluss folgt noch ein kurzes Fazit.

Zu der politischen Gegebenheit stellt sie fest, dass Lukas die Geschichte Jesu und die Apostelgeschichte gut in den weiteren politischen Kontext stellt und zwischen Römischem Reich, seinen herodianischen Vasallen und der lokalen Priesteraristokratie/Eliten in Jerusalem differenziert. Auffallend ist hier jedoch, dass Lukas als treibende Verfolgerkraft gegen Jesus und die frühchristliche Gemeinde mehrheitlich die lokalen Eliten auftreten lässt, während die Rolle der römischen Amtsträger und der Herodianer ambivalent bleibt. Dies könnte als eine umschreiben der Geschichte gedeutet werden mit dem Ziel das Römische Reich als eine gute, vermittelnde Macht darzustellen. Es könnte aber auch antiimperial verstanden werden, da Lukas durch diese Darstellung das Römische Reich auf seine eigenen Werte festnagelt, an die es sich selbst nicht hält, und durch das Verhalten der lokalen Eliten (Korruption) und Einwohner (gewaltsames Handeln) aufzeigt, wie das Empire sich spaltend und schädigend auf die lokalen Gesellschaften auswirkt. Ein gewisser postkolonialer Überschuss lässt sich hier also nicht leugnen.

Lukas Umgang mit der ökonomischen Realität des Römischen Reiches ist weitaus ambivalenter als sein Umgang mit den politischen Gegebenheiten, obwohl er sich intensive mit dem Thema Arm und Reich und der problematischen Beziehung zwischen Reichen und Armen auseinandersetzt. Während auf der einen Seite Jesu Antwort auf die Frage, ob dem Kaiser Steuern gezahlt werden sollten, und die Beschreibung des ‚christlichen Kommunismus‘ in der Apostelgeschichte als Ablehnung der beiden Säulen des römischen Wirtschaftswesen (Geld und Landbesitz) verstanden werden kann. Zielt er jedoch auf der anderen Seite massiv auf die Unterstützung von (weiblichen) Förderern (patrons), welche er in seinem Doppelwerk an mehreren Stellen besonders hervorhebt (von seinem Förderer Theophilus abgesehen). Somit kann also nicht klar gesagt werden, ob Lukas‘ ökonomische Ideen wirklich so radikal waren oder ob er nicht vielmehr einen pragmatischen und paternalistischen Umgang mit den ökonomischen Zuständen im Römischen Reich fand.

Zu Lukas als Autor arbeitet Burrus heraus, dass dieser sich seiner Autorenschaft bewusst ist. Auch unabhängig von den Stellen, wo er direkt als Autor in Erscheinung tritt. Dies und die Möglichkeit des Verstehens seines Doppelwerkes als ein Roman (novel), welche sie als eine Parodie von Genres versteht, macht ein postkoloniales Lesen des lukanischen Doppelwerks möglich.

Als letztes untersucht Burrus die Themen „Hybridität und Heteroglossie“ (Hybridity and Heteroglossia) und Borderland Translations. Dafür betrachtet sie die Pfingsterzählung und die Erzählung von der Taufe des Äthiopischen Kämmerers, sowie Lydia und das besessene Sklavenmädchen. Das Pfingstereignis versteht sie dabei als ein Ereignis der Heteroglossie und der kulturellen Hybridität, nicht nur wegen der dargestellten Vielfalt der Menschen in Jerusalem und der Tatsache, dass die Apostel in den jeweiligen Muttersprachen zu den Menschen sprechen können, sondern vor allem dadurch, dass die Zungen von außerhalb kommen, somit other-tongued sind. Zu dem Äthiopischen Eunuchen, Lydia und dem besessenen Mädchen stellt Burrus unter anderem fest, dass diese hybride Gestalten sind, die teilweise in Übergangszonen auftreten.

Abschließend lässt sich also sagen, dass das lukanische Doppelwerk durchaus antiimperiale Tendenzen aufweist, auch wenn es voller Feinheiten und Ambiguitäten ist. Diese Feinheiten und Ambiguitäten können jedoch laut Burrus in der modernen Auseinandersetzung mit neuen Empires nutzbar gemacht werden. Ob eine antiimperiale Lesart auch postkolonial ist, hängt ihrer Ansicht nach von der Definition von postkolonial ab, ist aber nicht pauschal Auszuschließen.

von Fabian Gürtler

Virginia Burrus: The Gospel of Luke and The Acts of the Apostels

Virginia Burrus untersucht in ihrem Kommentar, inwiefern das Doppelwerk Lukasevangelium-Apostelgeschichte sich in Postkoloniale Diskurse einbinden lässt. Dazu analysiert sie einerseits anhand einzelner Texte das Verhältnis Lukas zu den Machtstrukturen seiner Zeit, die trotz Differenzen Parallelen zur heutigen Situation aufweisen, und betrachtet andererseits das Werk in seiner Gesamtheit als Zeugnis einer hybriden Identität, das unter den Einfluss verschiedener Kulturen einen Weg zwischen Anpassung und Widerstand sucht.

Die zentralen Ereignisse zu Beginn seines Evangeliums (Die Geburt Jesu und das Auftreten Johannes des Täufers) datiert Lukas mithilfe der Herrschenden und verortet so das anbrechende Gottesreich in die komplexen politischen Gegebenheiten Palästinas innerhalb des Römischen Reiches. Das Zusammenspiel von römischen Statthaltern, Klientelkönigen und jüdisch-„einheimischer“ Tempelelite wird in den Prozessen gegen Jesus und Paulus differenziert dargestellt. Die Priester und Schriftgelehrten nehmen dabei die initiierende Rolle ein, was durchaus als Versuch verstanden werden könne, die römische Herrschaft zu verteidigen. Andererseits werden auch deren Vertreter nicht durchweg positiv beschrieben. Gerade die vergleichsweise positive Darstellung des Römischen Reichs berge subversives Potential. Die vereinenden Werte des Römischen Reichs werden den tatsächlichen Realitäten entgegengesetzt und gezeigt, dass die eigentlichen Träger dieser Werte die Anhänger Christi seien.

Zum wirtschaftlichen Status quo vertrete Lukas eine noch ambivalentere Haltung. Auf der einen Seite könne man aus Jesu Beantwortung auf die Frage nach der Steuer eine radikale Ablehnung von Besitz herauslesen, auf der anderen Seite war Jesus bereit, die finanzielle Hilfe einiger reicher Frauen anzunehmen. Auf diese Art von Patronage zog wohl auch Lukas seinen Nutzen, zumindest deutet die Anrede „hochverehrter Theophus“ in der Widmung des Evangeliums darauf hin. Die augenscheinlich egalitäre Aufforderung der Güterteilung („Kommunismus“) der Jerusalemer Gemeinde richte sich ausschließlich an die Reichen und offenbart eine paternalistische Gesellschaftsvorstellung.

Lukas zeichne sich von den Autoren der anderen Evangelien dadurch aus, dass er sich seiner Rolle als Autor bewusst ist. Die Erweiterung um einen „zweiten Band“ breche mit den Regeln des Genres. Durch das offene Ende wird dem Lesenden die Möglichkeit genommen, die berichteten Ereignisse als etwas zu lesen, dass keinen Bezug zur Gegenwart besitzt.

Das Phänomen der Mehrsprachigkeit wird explizit in der Pfingstgeschichte thematisiert, wo interkulturelle Vielfalt mit Verständnis durch einen universellen Geist verbunden werden. Burrus weist auch auf längere Passagen wörtlicher Rede im Lukasevangelium hin, die in Form von Prophetien oder durch Engel „von außen“ zu kommen scheinen und so in den Lauf der Erzählung eingreifen. Auch zu Postkolonialen Diskursen, die sich problematisierend mit dem Konzept von „Mission“ beschäftigen, kann Lukas etwas beitragen. Burrus zeigt das anhand der Geschichten der Taufe eines Äthiopiers durch Philippus sowie der Konversion Lydias. Diese Texte entsprächen nicht durchgängig den Konstellationen, die man in einer missionarischen Heilsgeschichte erwarten würde.

Die widersprüchlichen Haltungen, die Lukas zu den Herrschenden seiner Zeit einnimmt, verhindern, seine Schriften in Gänze als „antiimperial“ zu verstehen. Es sei aber ein Versäumnis der meisten Interpretationen, das subversive Potential zu erkennen, dass gerade die Subtilität der Auseinandersetzung Lukas mit Macht und Herrschaft an den Tag legt. Insofern könnten das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte Inspiration für den eigenen Widerstand gegen Imperien sein.

David Splittgerber

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Comments

Eine Antwort zu The Gospel of Luke and The Acts of the Apostels – Burrus

  1. David Splittgerber sagt:

    Für mich ist nach Lektüre des Kommentars unklar geblieben, mit welcher Begründung Burrus das Lukanische Doppelwerk als einen Roman (novel) verstehen möchte und warum ein Verständnis als novel in Abgrenzung zu epic es dem Lesenden nicht ermöglicht, die berichteten Ereignisse in historischer Distanz zu zu rezipieren. Außerdem verstehe ich nicht, warum sie Roman als „Parodie eines Genres“ beschreibt, da fehlen mir wahrscheinlich entsprechende Grundlagen in postkolonialen Literaturwissenschaften, die Burrus hier voraussetzt.

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