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Gospel of Luke von Jane D. Schaberg und Sharon H. Ringe (Daniel Siegmund)
Jane D. Schaberg und Sharon H. Ringe haben die Kommentar zum Evangelium nach Lukas im Womens Bible Commentary verfasst. Bereits die Einleitung ist so ungewöhnlich, dass ich ihn hier im Wortlaut wiedergeben werden: „Warning! The Gospel of Luke is an extremely dangerous text, perhaps the most dangerous in the Bible.“ (S. 493) Zu dieser Einschätzung kommen die Autorinnen auf Grund ihrer Beobachtung, dass viele Leser meinen, dass Lukas ein Freund der Frauen wäre, der in fast schon moderner Weise ihnen eine progressive neue soziale Identität und Rolle geben würde. Doch ist dies, ihrer Auffassung nach, eine Fehleinschätzung, die ihre Ursache im ungenauen Lesen hat (S. 493).
Für in ihren Ausführungen zeigen sie, wie sie zu der Einschätzung kommen, dass Lukas sein Evangelium nutzt um eine männlich geführte/dominierte Christenheit seiner Zeit zu legitimieren. Ohne dabei jedoch, Jesus ein einziges Mal dabei sagen müsste, dass Frauen sich unterzuordnen haben, sondern er transportiere diese Botschaft unterschwellig, so dass eine Leserin für sich selbst die untergeordnete Rolle, als die richtige und gottgewollte Rolle zu erkennen (S.493; 510f). Dieses Ziel gründet sich aber weniger in einer Art „Frauenhass“, sondern viel mehr in dem Umstand, dass sich Lukas und seine Zeitgenossen mit der Parusieverzögerung abgefunden haben und sich nun auf ein Leben im römischen Reich einstellen müssen. Dies zeige sich vor allem in der Darstellung der Passion, in der historisch unpräzise die Verantwortung für die Kreuzigung der jüdischen Elite zugeschrieben wird, wodurch deutlich werden soll, dass Jesus kein Revolutionär gewesen sei und auch seine Anhänger keine Gefahr für den Staat darstellen würden (S. 496).
Für die Autorinnen zeigen sich Hinweise auf die Absicht, die männliche Führung der frühen Kirche zu legitimieren, des Evangelisten schon in der statistischen Betrachtung. Denn obwohl das lukanische Sondergut viele Erzählungen mit Frauen beinhaltet (S. 495), dominieren trotzdem vor allem Männer das Evangelium. So kommen zehn Frauen mit Namen vor, doch stehen ihnen 133 Männer gegenüber (39 handelnde und 94 erwähnte). Dies ist ein Verhältnis von 13:1, ähnlich verhält es sich auch mit namenlosen Personen. Auch in den Reden Jesu geht es zwar 18 mal um Frauen, aber auch 158 mal um Männer. Schließlich fällt auf, dass nur 15 mal Frauen sprechen im gesamten Evangelium (S. 499). Somit zeigt sich doch recht deutlich, dass das Lukas-Evangelium (und noch stärker die Apostelgeschichte) androzentrisch sind. In der weiteren Betrachtung fällt auf, dass Frauen bei Lukas durch gezielte Änderungen des Textes gegenüber Markus aus dem Kreis der Jünger ausgeschlossen werden (Mk 10,28-30/Lk 18,28-30; S. 500).
Anhand von fünf Ausgewählten Textstellen zeigen die Autorinnen, wie sehr Lukas versucht den Frauen eine untergeordnete Rolle im Christentum zu zu schreiben, damit dieses in die römische Gesellschaft passt. Besonders problematisch sehen sie vor allem die Wirkungsgeschichte des Lukas-Evangeliums, inder Frauen oft zu einer Selbstentmachtung verführt wurden sind durch diese Texte, was bis zur stillschweigenden Hinnahme von Gewalt ging (S. 501).
In Lk 1 gehen sie u.a. auf Hanna ein, die im Gegensatz zu Simeon kein eigenes Canticum hat, sondern auf ihre Witwenschaft und ihr Fasten und Beten im Tempel reduziert werde. Auch wird über sie nicht gesagt, dass sie voll des Heiligen Geistes wäre, was gleich dreimal über Simeon ausgesagt wird. Außerdem führen sie aus, wie prägend Lukas zwar für das übliche Bild von der Jungfrau Maria ist, während Maria (ausnahmsweise) im ersten Kapitel noch alles andere als eine den Männern untergeordnete Frau ist, sondern Gott für ihre Befreiung und sein Merken auf die Unterdrückten lobt. Dies ändert sich im zweiten Kapitel, in dem sie dann zur beispielhaften schweigsamen Zuhörerin wird. (S. 503-504)
In Lk 7,36-50 – Jesu Salbung durch die Sünderin – machen die Autorinnen durch den synoptische Vergleich deutlich, wie sehr Lukas die Bedeutung der Perikope durch ihren neuen Kontext geändert hat, indem er der Frau die prophetische Rolle nimmt, die sie in den anderen Evangelien hat und für die sie da von Jesus gerühmt wird. (S. 504-505)
Mit ihren Ausführungen zu Lk 8,1-3 – die nachfolgenden Frauen –, Lk 10,38-42 – Maria und Martha – und Lk 23,49;24,1-12 – den Frauen am Kreuz und am leeren Grab – zeigen sie, wie Lukas Frauen unterschwellig aus dem Kreis der Jünger und Apostel herausschiebt und ihre besondere Rolle untergräbt.
Sie fassen mit folgenden Worten ihre Ausführungen zusammen: „Luke‘s Jesus […] does not call a community of equals. Women ar included in Jesus‘ entourage and table community, but not as the equals of men.“ (S. 511)
Zum Thema Lk 7,36-50 fällt mir noch der Aufsatz „From Storytelling to Written Text: The Loss of Early Christian Women’s Voices“ von Joanna Dewey ein: Sie benutzt die Perikope als Beispiel dafür, dass Frauen oftmals zwar handeln, selbst aber gar nicht sprechen. Stattdessen reden die anwesenden Männer um sie herum darüber, was sie da gerade tut.
Gehen Schaberg und Ringe darauf ein, warum Lukas mehr als die anderen Evangelien weibliche Figuren erwähnt? Es leuchtet mir ein, dass es gefährlich und unzutreffend ist daraus eine progressive, feministische Haltung abzuleiten. Aber es muss ja einen Grund dafür geben. Um sich an die Gegebenheiten des römischen Reichs anzupassen hätte es doch gereicht, Frauen einfach nicht zu erwähnen.
Und hat der Kommentar eine Meinung zum Motiv der Jungfrauengeburt?