In unserer Unterrichtseinheit geht es um die kritische Auseinandersetzung mit einem Zitat aus dem Alten Testament, welches von den verantwortlichen Personen des Synagogenbaus hinsichtlich eines Religionspluralismus (um-)interpretiert wurde und welches die Synagoge von außen zieren soll.
Das Zitat “Denn mein Haus soll für alle Völker ein Ort des Gebets sein” (Jesaja 56, 7) soll von den Lernenden problematisiert werden.
Curricular begründen ließe sich folgende Unterrichtseinheit durch Verweis auf den Fachlehrplan Ethik Gymnasium; hierbei die Schuljahrgänge 11/12, genauer der Kompetenzschwerpunkt „Religion und Weltanschauung: Religion aus philosophischer Sicht untersuchen“ – Spekulative Kompetenz: Vorschläge zur Verwirklichung von Religionsfreiheit in einer pluralen Gesellschaft reflektieren.[1]
Innerhalb unserer vorgestellten Unterrichtsstunde kommen zwei verschiedene Methoden zum Einsatz, die hier kurz didaktisch begründet werden sollen. Diese wären einerseits die Methodik des Betroffenen-Interviews und dessen Auswertung sowie andererseits das Erstellen eigener Podcasts zu einem spezifischen Thema. Während in der Hinführungsphase alle Lernenden des Kurses mit dem Zitat konfrontiert werden sollen, um somit eine etwaige Problemfrage konstituieren zu können, soll sich ein Teil des Kurses eingehender mit der Auswertung des Interviews sowie mit Texten zum (Religions-)Pluralismus befassen, während ein anderer Teil sich kritisch mit jenem Zitat auseinandersetzen soll, indem sich die SuS mit dem eigentlichen Kontext des Zitats und religionskritischer Texte beschäftigen sollen. Ein dritter Teil der Klasse erhält Texte zur Mediation. Ziel ist eine Diskussion unter Expertengruppen, die sich unterschiedlich zum gewählten Zitat positionieren, und die von einem Moderator geleitet wird.
Zunächst werden die Schüler*innen am Anfang der Unterrichtsstunde in der sog. Hinführungsphase mit einem Ausschnitt aus dem Interview, welches wir mit den verantwortlichen Personen des Bauvorhabens geführt haben, konfrontiert. Im Fokus dieses Ausschnitts steht das o.g. Zitat sowie die Kontextualisierung und Begründung der Wahl des Zitats, welche von den interviewten Personen erörtert werden. Die Methode des Betroffenen-Interviews, welche hierbei zum Einsatz kommt, besitzt mehrere Vorteile für die SuS. Zunächst handelt es sich beim Betroffenen-Interview um ein Verfahren, welches auf eine sinnstiftende und kritische Reflexion der Äußerungen anderer Personen gerichtet ist. Die Methode kann zum Perspektivwechsel anregen, die Urteilsfähigkeit der SuS fördern, zum Aufbau eines Kontingenzbewusstseins beitragen, die Empathie-Fähigkeit der Lernenden entwickeln und bei eigens durchgeführten Interviews zudem zur Verantwortungsübernahme anregen, Selbstwirksamkeitserfahrungen induzieren und zum Erwerb methodischer Kompetenzen beitragen.[2] Da die Lernenden das Betroffenen-Interview in diesem Fall nicht selber durchführen, sondern sich nur aufs Zuhören und Analysieren des bereits gehaltenen Interviews beschränken, entfallen einige methodische Vorbereitungsschritte, die Volker Haase vorstellt. Haase nennt jedoch einige Arbeitsschritte, die der Auswertung des Interviews dienen. Zunächst sollten sich die Lernenden darauf einstellen, in eine kritische Distanz zu den Äußerungen des Befragten einzutreten und sich auf weiterführende Recherchen einzustellen. In unserer geplanten Unterrichtseinheit erhält die Expertengruppe, die sich eingehender mit dem Interview befasst, weiterführende Literatur bzgl. (Religions-)Pluralismus. Nach dem unmittelbaren Hören des Interviews sollen die Lernenden ihre persönlichen Eindrücke von der interviewten Person (in unserem Fall bedingt umsetzbar) und dem Gespräch sortieren. Sie sollen ihren Blick auf die Sachebene des Interviews und den protokollierten Gesprächsverlauf richten, was zur Förderung der Selbst- und Sozialkompetenz beiträgt. Zudem sollen die SuS auf die persönlichen Urteile des Betroffenen eingehen und diese mit den eigenen Einschätzungen (Vorbereitungsphase) abgleichen, Argumente für oder gegen die vorgetragenen Positionen artikulieren & den eigenen (evtl. modifizierten) Standpunkt bestimmen.[3] Dieser Schritt vollzieht sich dann im Anschluss der Einheit, wenn es um die Vorbereitung der Diskussion zwischen den Expertengruppen geht.
Nachdem sich die Expertengruppen mit ihren jeweils zur Verfügung gestellten Texten auseinandergesetzt und für die Diskussion vorbereitet haben, geht es zur Durchführung der Diskussion und der simultanen Podcast-Erstellung. Während bei der Diskussion dialektische Kompetenzen der Lernenden gefördert werden können, bietet die Podcasting-Methode weitere Vorteile für die SuS. Vinzent Ahlbach konstatiert, dass das Forschungsgebiet zum didaktischen Potenzial der eigenen Erstellung von Podcasts verhältnismäßig unterrepräsentiert ist und dass die Erkenntnisse hierzu größtenteils auf Beobachtungen, Einschätzungen u. Selbstauskünften basieren.[4] Dennoch bieten bisherige Untersuchungen Hinweise auf besondere Benefits der Podcasting-Methode. Zunächst kann das Erstellen von Podcasts Medienkompetenzen und Kompetenzen der wissenschaftlichen Kommunikation fördern. Des Weiteren läge das wahre Potenzial der Methode laut Lee, McLoughlin und Chan (2008) darin, Wissen generieren und weiterverbreiten, respektive teilen zu können, da sich Podcasts hierbei als Plattform besonders eignen. Zudem stellen sie fest, dass hierdurch kollaboratives Wissen gefördert werden könne. Ebenso soll durch das Podcasting das individuelle u. kollektive Lernen bereichert u. Kompetenzen der Perspektivübernahme ausgeprägt werden. [5] Insgesamt bietet sich das Podcasting besonders für Lernszenarien an, in denen Lernende eigene Fragestellungen entwickeln sollen u. ihr hierzu gelerntes Wissen anwenden können.[6] Weitere Vorteile der Podcasting-Methode sind u.a. die Förderung der Metakognition und die Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen der SuS, dass sie sich ohne großen technischen Aufwand produzieren lassen und dass sie viel kreativen Spielraum in ihrer inhaltlichen Gestaltung bieten können.[7] Für unser Konzept würde sich die Erstellung eines Podcasts des Typus „chat-show“ nach Drew (2017) anbieten, weil es bei diesem Typ des Podcasts um eine diskursive Auseinandersetzung zweier oder mehrerer Personen zu einem Thema bzw. zu einer Problemstellung geht.[8]
Ungeachtet der vielen Vorteile beider Methoden gibt es auch einige Nachteile bzw. Risiken, die es im Vornherein zu berücksichtigen gilt. Zunächst müssen die SuS mit den Methoden und ihrer Durchführung vertraut gemacht werden. Die Einführung in beide Methodiken ist mitunter recht zeitaufwendig und sollte ggfs. im Vorfeld schon einmal erprobt werden. Überdies muss überlegt werden, ob sich die Methoden für die Lerngruppe anbieten. Gerade beim Betroffen-Interview geht es darum, dass die Lernenden eine kritisch-distanzierte Einstellung gegenüber dem Gesagten der sich äußernden Person einnehmen, die jedoch respektvoll und zu einem gewissen Maß empathisch aufgeladen ist. Beim Podcasting hingegen müssen die SuS Bereitschaft für eine solche innovative Unterrichtsmethode aufbringen können und in der Diskussion auch bereit sein, eine Position zu beziehen, die ihrer eigenen Meinung ggfs. konträr gegenübersteht. Überdies ist die Rolle des Mediators in der Diskussion von entscheidender Bedeutung, weswegen hierfür ggfs. Schüler*innen ausgewählt werden sollten, die diese Rolle freiwillig einnehmen wollen und bereits über gewisse mediative Fähigkeiten verfügen.
Wenn man diese Risiken berücksichtigt, könnte die geplante Unterrichtsstunde durchaus fruchtbar sein, um sich mit den religiösen Überzeugungen und dem religiösen Leben der bauverantwortlichen Personen und der jüdischen Gemeinde Magdeburgs auseinanderzusetzen.
Literaturverzeichnis:
Ahlbach, Vinzent Das didaktische Potenzial von Podcasts im Sachunterricht Haider, Michael [Hrsg.]; Schmeinck, Daniela [Hrsg.]: Digitalisierung in der Grundschule. Grundlagen, Gelingensbedingungen und didaktische Konzeptionen am Beispiel des Fachs Sachunterricht. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2022, S. 184-196.
Haase, Volker: Betroffenen-Interviews im Ethikunterricht. In: ZDPE, 2/2012. S. 115-126, Dresden: Thelem 2012.
Fachlehrplan:
• Ministerium für Bildung. Sachsen-Anhalt: Fachlehrplan Gymnasium Ethikunterricht (Stand 20.06.2016), 2016.
[1] Ministerium für Bildung. Sachsen-Anhalt: Fachlehrplan Gymnasium Ethikunterricht (Stand 20.06.2016), 2016, S. 25.
[2] Vgl. Haase, Volker: Betroffenen-Interviews im Ethikunterricht. In: ZDPE, 2/2012. S. 115-126, Dresden: Thelem 2012, S. 115ff.
[3] Vgl. Haase, V.: Betroffenen-Interviews (wie Anm. 2), S. 124f.
[4] Vgl. Ahlbach, Vinzent: Das didaktische Potenzial von Podcasts im Sachunterricht Haider, Michael [Hrsg.]; Schmeinck, Daniela [Hrsg.]: Digitalisierung in der Grundschule. Grundlagen, Gelingensbedingungen und didaktische Konzeptionen am Beispiel des Fachs Sachunterricht. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2022, S. 191.
[5] Vgl. ebd., S. 192.
[6] Vgl. ebd.
[7] Vgl. ebd., S. 185.
[8] Vgl. ebd., S. 187.