Projektbericht: „Frauen gestalten Zukunft. Gendersensibles Lernen und Lehren, Beraten und Forschen zu digitalem Forschungsdatenmanagement“
Förderung im Programm: Unterstützung für Professorinnen, Nachwuchswissenschaftlerinnen und Studentinnen durch die Förderung von fakultätsspezifischen Gleichstellungsprojekten
Katrin Moeller und Kerstin Völkl
<1> Das Projekt „Frauen gestalten Zukunft. Gendersensibles Lernen und Lehren, Beraten und Forschen zu digitalem Forschungsdatenmanagement“ wurde unter dem Kurztitel „Frauenschlauer Datenpower“ zum Wintersemester 2015/16 aufgenommen. Es richtet sich statusgruppenübergreifend an Wissenschaftlerinnen der Philosophischen Fakultät I, um Frauen für den Erwerb digitaler Zusatzqualifikationen zu motivieren und zu unterstützen.
Politisch-strategisch wird Datenmanagement und Digital Humanities in den letzten Jahren international und europaweit intensiv gefördert. An der Universität Halle-Wittenberg gibt es bisher jedoch keine übergreifende Strategie zum Forschungsdatenmanagement oder zu Digital Humanities. So existieren zwar eine Reihe von Forschungsprojekten, die digitale Methoden auch in Kooperation mit naturwissenschaftlichen Fächern anbieten, eine Konzentration von Kompetenzen in Form institutionalisierter Serviceeinrichtungen wie eines Medienkompetenzzentrum für Geistes- und Sozialwissenschaften oder eines Forschungsdatenrepositoriums fehlen aber bisher. Das Projekt ist daher auch geeignet, solche Strategien weiter voranzutreiben und einen Diskussionsprozess innerhalb der Universität anzustoßen.
Solche Serviceleistungen wurden bei Befragungen anderer Einrichtungen immer wieder als markante infrastrukturelle Anreize zum Aufbau von Schwerpunktforschungen bewertet. Universitäten mit hohem Anreizpotenzial zum Forschungsdatenmanagement und zu digitalen Arbeitstechniken wirken als Katalysator digitaler Kompetenzen. Gerade die Universität Halle besitzt fachübergreifend in der Philosophischen Fakultät I schwerpunktmäßig Kompetenzen der digitalen Forschungsdatenerfassung und -analyse (z. B. – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – im Studienprogramm festgeschriebene Methodenlehre in Soziologie, Politikwissenschaft, Japanologie, Psychologie und Geschichtswissenschaft), die im Rahmen von Digital Humanities und Forschungsdatenmanagement noch sichtbarer werden können, wenn sie auch mit der infrastrukturellen Anreizstruktur (Forschungsdatenmanagementsystem, webbasierte Datenbanken und Angebote, eigene Softwaretools etc.) verknüpft werden könnten. Dies ist jedoch häufig von informatischen Kompetenzen abhängig, die den Charakter von Serviceleistungen tragen und daher nicht unbedingt drittmittelfinanziert zu realisieren sind.
Ziel des Projektes war es, sehr bewusst Kompetenzen in einem Forschungsbereich aufzubauen, der für Nachwuchswissenschaftlerinnen gleichermaßen riskant wie erfolgsversprechend sein könnte. Insgesamt darf für den Bereich der Digital Humanities konstatiert werden, dass es ein relativ großes Auseinanderklaffen zwischen den Anforderungen von Drittmittelgebern mit intensiven Visionen und Anforderungen, den vorhandenen, aber eben fachfremden (informatischen) Möglichkeiten und den tatsächlichen methodischen Bedürfnissen und Kompetenzen von Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen gibt. Gleichzeitig ist Forschungsdatenmanagement kein gleichrangig zentrales Kernthema in allen von uns angesprochenen Fachdisziplinen. Und dies obwohl bis zu 80 % der Arbeitszeit von Wissenschaftlerinnen der Erzeugung und Analyse von Daten dienen.
<2> Sowohl für die Studierenden wie auch für Angestellte der Universität Halle-Wittenberg gibt es besonders im Bereich der fachspezifischen digitalen Kompetenzen zurzeit noch limitierte Möglichkeiten zur Qualifizierung, die über die eigene Fachwissenschaft hinausführt. Immerhin deckt das Weiterbildungsangebot der Universität Halle-Wittenberg einige wichtige Basisqualifikationen ab. Spezifisch über das LLZ werden Kompetenzen der digitalen Lehre in die Fakultäten getragen und mittlerweile auch durch fachübergreifende ASQ-Module flankiert. Die Aufgabe der fachspezifischen Kompetenzbildung im Datenmanagement und besonders für die wissenschaftliche Analyse und Ergebnisrepräsentation übernehmen diese Weiterbildungsangebote jedoch nicht. Das Spektrum von digitalen Tools und Applikationen wächst momentan rasant. Genau in diesem Segment fehlen flexible Weiterbildungsangebote, um Digital Humanities und Forschungsdatenmanagement stärker in der Wissenschaft – auch in der Lehre – zu etablieren. Aus diesen Gründen haben wir uns dazu entschlossen, passfähige Workshops anzubieten. Um diesen Bedarf genau zu ermitteln, wurde zunächst eine Befragung von Fakultätsangehörigen durchgeführt.
In der wissenschaftlichen Forschung werden die Geschlechterdifferenzen im Umgang mit Forschungsdaten und digitalen Arbeitstechniken durchaus kontrovers diskutiert. Entgegen von gängigen Klischees unterscheidet sich der alltägliche Gebrauch von digitalen Werkzeugen zwischen den Geschlechtern nach einigen Studienergebnissen kaum. Sehr viel eher differieren unterschiedliche Kompetenzniveaus zwischen den Alterskohorten. Jüngere Forschende besitzen bis heute mehr technisches Knowhow als ältere bzw. die Bereitschaft solche Techniken zu erlernen und Angebote zu nutzen, fällt bei den Jüngeren höher aus. Geschlechtsspezifische Differenzen machten Studien dagegen für nicht alltägliche digitale Kompetenzen sichtbar. Frauen neigen nach diesen Ergebnissen dazu Spezialkompetenzen im digitalen Bereich eher als Hürden zu betrachten und vor dem Erwerb solcher fachspezifischen Kompetenzen zurückzuschrecken. [1]
Diese Erkenntnisse reflektierend, wollten wir durch eine eigene Befragung der Studentinnen und Mitarbeiterinnen genau ermitteln, auf welcher Ebene sich der Bruch zwischen alltäglichen Kompetenzen und eher barrierewirkenden Spezialfähigkeiten im digitalen Bereich verorten lässt.
Im Hinblick auf die im Sommersemester stattfindenden genderspezifischen Workshops wollten wir den allgemeinen Wissensstand der Frauen und ihren soziodemografischen Hintergrund ermitteln. Der von uns entwickelte Fragebogen gliederte sich daher in drei Hauptteile. Zunächst wurden der allgemeine Wissensstand und der allgemeine Umgang mit digitalen Materialien und digitalen Arbeitstechniken eruiert. Der zweite Teil konzentrierte sich auf die fachspezifischen Kompetenzen und im dritten Teil des Fragebogens stellten wir dezidierte Fragen zum Forschungsdatenmanagement. Neben gezielter Frage über die Kenntnis und Probleme der Nachnutzung von Daten gab es zudem offene Fragen zu Anregungen für die geplanten Workshops. Mittels des elektronischen Systems von Evasys konnte die Befragung der Studierenden und Mittarbeiter relativ einfach erfolgen. Eine Auswertung der Studie liegt mittlerweile vor.
<3> An der Umfrage im Dezember/Januar 2015/16 nahmen insgesamt 274 Personen teil. Einbezogen wurden alle Angehörigen der Philosophischen Fakultät I. Davon waren 144 Frauen und 119 Männer. Elf Personen gaben ihr Geschlecht nicht an. Das Alter aller Befragten schwankte zwischen 18 und 67 Jahren. Die Befragung bildet die bis heute typische Geschlechterproportion universitärer Forschung ab. Während unter den Studentinnen – vor allem in den Geisteswissenschaften – generell ein sehr hoher Anteil an Frauen zu beobachten ist, nimmt dieser Anteil mit fortschreitender Karriere erheblich ab. Von den Befragten waren fast 60 % der unter dreißigjährigen Frauen, bei den über Vierzigjährigen lag der Anteil nur noch bei 24 %.
Gemäß der Konzeption der Studie nahmen überwiegend Studierende 73,7 %), Doktorandinnen (5,5 %) und Mitarbeiterinnen (17,9 %) der Philosophischen Fakultät I aus allen Instituten teil, während der Anteil der Professoren und Professorinnen (2,6 %) sehr gering ausfiel.
Forschungsergebnisse früherer Studien konnten mit unserer Befragung zum Teil bekräftigt werden. Ganz selbstverständlich werden heute von allen befragten Teilnehmern und Teilnehmerinnen Programme zur digitalen Text- und Bildbearbeitung genutzt. Auch der Gebrauch von Präsentationssoftware ist Alltag ohne geschlechtsspezifische Differenzen. Daneben gibt es eine Gruppe von Programmen, die eher für das wissenschaftliche Personal und nicht so sehr für die Studierenden interessant erscheinen. Dazu zählen bspw. Tabellenkalkulation, die von 23,4 % der Studierenden, aber etwa der Hälfte der wissenschaftlich Beschäftigten häufig genutzt werden. Einige Programme – etwa zur Bildbearbeitung oder zum Mindmapping – werden von Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen eher als wenig nützlich empfunden. Besonders Studentinnen und Doktorandinnen gaben fast durchgängig häufiger als Männer an, die jeweils benannte digitale Arbeitstechnik nicht zu kennen oder erst erlernen zu wollen. Dieser Trend lässt sich für die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Professorinnen nicht mehr in diesem Ausmaß zeigen. Hier ist gelegentlich der Wissensvorsprung der Frauen sogar ein wenig höher. Dies zeigt auch der Vergleich zu Arbeitstechniken, die häufig genutzt werden. Prozentual gaben mehr Frauen an, Datenbanken, digitale Karten oder Publizieren zu nutzen, während Männer eher zu Mindmap, Videoanalyse oder virtuelle Forschungsumgebungen griffen.
Auffällig ist, dass bei beiden Geschlechtern durchaus Bedürfnis besteht, die selten genutzten digitalen Materialien und Programme kennenzulernen. Dieses Interesse fällt allerdings sehr differenziert aus, vergleicht man die Erfahrungsstufen oder das Geschlecht der Befragten. Besonders hohe Bedarfe wurden etwa für die Themen „Datenbanken“ und die Handhabung des Digitalen Whiteboards geäußert. Gerade die Professoren äußerten Bedürfnisse im Bereich der Datenanalyse. Besonders Letzteres dürfte ein schöner Beleg für die Sogwirkung von Infrastrukturmaßnahmen darstellen. Im neuen GSZ wurden in mehreren Räumen ausschließlich digitale Whiteboards aufgestellt, die nun entsprechenden Handlungsbedarf nach sich ziehen. Den höchsten Wert nahmen hier digitale Kompetenzen der qualitativen und visuellen Datenanalyse ein.
<4> Insgesamt zeigt sich auch in Halle der größte Unterschied zwischen den Geschlechtern bei den spezifischen Formen digitaler Techniken. So waren etwa Annotationsformen und die Textauszeichnungssprache XML/TEI häufig völlig unbekannt. Spezifische Arbeitsformen, die heute von der DFG als selbstverständliche Grundtechniken der Datenverarbeitung betrachtet werden, kennen 52,1 % der befragten Teilnehmer und 61,5 % der Teilnehmerinnen gar nicht. Ganze 8 % aller Befragten überhaupt nutzen die Technik wenigstens gelegentlich. Insgesamt zeigten sich die Männer bei den spezifischen Arbeitstechniken jeweils aufgeschlossener im Umgang wie in dem Wunsch, solche Arbeitstechniken kennenzulernen.
Ein ähnliches Bild ergeben auch die anschließend abgefragten Verhaltensweisen und Strategien im Umgang mit Forschungsdaten. Die bekannten Probleme des Forschungsdatenmanagements (Dateiformate, langfristige Archivierung, Dokumentation, Softwarekonversion etc.) wurden auch in Halle als einschlägig benannt. Welche Möglichkeiten jedoch zur professionellen Datenspeicherung und Langzeitarchivierung bestehen, darüber herrschte überwiegend Unklarheit. Hier offenbarten vor allem Frauen fehlende Kenntnisse.
Insgesamt ist der professionelle Umgang und die Bindung an einen Forschungsdatenmanagementplan in der Philosophischen Fakultät I noch nicht weit verbreitet. Insgesamt nutzten nur acht Personen eine Managementrichtlinie innerhalb ihres Forschungsvorhabens. Bei weiteren neun Personen reicht dieser Plan zur Langzeitarchivierung auch über die Laufzeit des Projektes hinaus. Bei der Frage nach einer verständlichen und für andere Personen nachvollziehbaren Dokumentation der Daten zeigen sich solche Probleme. Gerade einmal 16 Personen gaben an, die Datenaufnahme separat zu dokumentieren, und weniger als 1 % nutzte bei den Dokumentationen einen Standard wie TEI Guidelines.
<5> Die Arbeitsversionen ihrer Forschungsarbeit speichern die Fakultätsangehörigen indes am häufigsten auf der Festplatte des eignen Computers oder auf einer externen Festplatte ab. Vorwiegend Männer nutzen zwar überörtliche Möglichkeiten der Datenarchivierung, allerdings wählten die meisten davon kommerzielle Cloud-Dienste. Die Möglichkeiten der Langzeitarchivierung innerhalb der Universität Halle-Wittenberg nannten nur wenige, offenbar weil diese Möglichkeiten immer noch zu unbekannt sind. Diese Ergebnisse werden durch die Angaben zur Langzeitarchivierung komplementiert. So gaben zwar fast zwei Drittel an, Forschungsdaten über die Projektlaufzeit hinaus zu archivieren. Allerdings folgt diese Datenarchivierung keiner übergreifenden Forschungsstrategie, sondern eher einem individuellen Interesse an der Erhaltung der Daten. Ursachen für die unterbleibende Datenarchivierung liegen vor allem in mangelnden Kenntnissen und im größeren Aufwand der Lizenz- und Rechteklärung. Immerhin äußern viele durchaus eine Bereitschaft zu Datenpublikation und Langzeitarchivierung, wenn sie denn die notwendige Unterstützung dafür bekämen.
Fassen wir die Ergebnisse unserer Befragung zusammen, zeigt sich geschlechtsübergreifend ein hoher Bedarf an digitalen Grund- und Spezialkompetenzen in der Philosophischen Fakultät I. Obwohl Frauen ein höheres fachspezifisches Wissensbedürfnis äußern, lässt sich genderübergreifend ein wesentlicher Nachholbedarf an Kompetenzen im Bereich digitaler Arbeitsmethoden und des Forschungsdatenmanagements diagnostizieren. Wir hoffen, hiermit die Notwendigkeit gezielter Workshop aufzeigen zu können, die auch zur Initiierung von Diskussionsprozessen und Netzwerken dienlich sein können.
Zumindest innerhalb der Philosophischen Fakultäten gelingt uns dies auch. Über das Projekt konnten wir nicht nur verschiedene Partnerinnen aus Geistes- und Naturwissenschaften zusammenbringen und Kontakte vermitteln, sondern auch Diskussionsprozesse zu Digital Humanities unterstützen (z. B. Workshop Digitalisierung Transkulturell des Zentrum für Interdisziplinäre Regionalstudien (ZIRS)).
[1] Bernd Remmele, Degendering von E-Learning. Das Forschungsprojekt „Das aufwendige Geschlecht“ an der WHL, in: AKAD. Das Hochschulmagazin 23 (2012), S. 10-12, hier S. 12. Ähnliche Schlussfolgerungen zogen auch frühere Projekte: Uwe Rutenfranz, Wissenschaft im Informationszeitalter. Zur Bedeutung des Mediums Computer für das Kommunikationssystem Wissenschaft, Opladen 1997, S. 214f.