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Ist mein Lispeln wirklich ein Problem?

Gute Frage, die wir auch oft in unseren Seminaren hören. Erst einmal ein paar kurze Infos: der Begriff Lispeln wird umgangssprachlich als Sammelbegriff für verschiedene Formen von S-Lautbildungsfehlern (Sigmatismen) benutzt. Je nach Zungenlage werden die Sigmatismen unterschiedlich benannt: während beim Sigmatismus addentalis die Zunge an die oberen Schneidezähne stößt, geht der Luftstrom beim Sigmatismus lateralis seitlich an der Zunge vorbei. Der bekannteste S-Lautbildungsfehler ist der Sigmatismus interdentalis, bei dem die vordere Zunge zwischen den Schneidezähnen zu sehen ist. Meist sind Sigmatismen Sprechgewohnheiten, die z. B. durch eine verzögerte Sprachentwicklung entstanden sind. Sie werden manchmal bei Kindern durch Bezugspersonen positiv verstärkt: „Das klingt so süß!“. Selten haben Sigmatismen organische Ursachen, wie z.B. Frequenzschwerhörigkeit, Zahnfehlstellungen oder Lähmungen.

Wie ist das jetzt für Lehrkräfte mit Sigmatismus? Soziophonetische Untersuchungen belegen, dass lispelnde Lehrpersonen als weniger kompetent wahrgenommen und ihre Persönlichkeit als „kindlich“/“niedlich“ empfunden wird. Sigmatismen können beim Zuhören vom Inhalt ablenken, die Konzentration der Schüler:innen kann sinken, im schlechtesten Fall treten sogar Verstehensprobleme auf.

Alles Argumente, die dafür sprechen, den Sigmatismus abzutrainieren. Ja, das geht! Es gibt Übungen für die Umgewöhnung deiner Zungenlage beim Sprechen des S-Lautes. Dazu findest du einige Tutorials online, kannt aber natürlich auch mit logopädischer Unterstützung daran arbeiten.

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Artikulationstraining mal anders

Ist das nicht beeindruckend, was unsere Sprechwerkzeuge leisten können? Die Echtzeit-MRT-Aufnahme vom Beatboxing gibt uns einen grandiosen Einblick in die akrobatischen, kraftvollen und gleichzeitig smoothen und präzisen Bewegungsabläufe im Mundraum. Wir finden dieses Zusammenspiel einfach nur fantastisch! Beatboxing ist auf jeden Fall ein richtig gutes Training für eine scharfe, präzise und ausdrucksstarke Artikulation. Und die können wir auch im Unterricht wunderbar gebrauchen – nicht nur, damit wir gut verstanden werden, sondern auch um mehr Präsenz vor den Schüler:innen zu erreichen!

Und wenn du jetzt sagst: „Kann ich nicht erstmal mit ein paar Zungenbrechern einsteigen?“ Klar, gute Idee! Bodo Wartke hat da schon mal was für dich vorbereitet… Viel Spaß!

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Ruhe bitte!

Stimmschonend die Klasse beruhigen

© CDC // unsplash

In unseren LSQ-Seminaren überlegen wir gemeinsam mit den Studierenden im Kontext des Themas Stimmgesundheit & Stimmhygiene, welche Strategien günstig sind um eine Klasse stimmschonend zu beruhigen. Das ist für Lehrkräfte sehr relevant, denn nicht selten gibt es im Unterricht Lautstärkewerte von 70-80 dB und irgendwie muss es gelingen, die Klasse zur Ruhe zu bringen. Stimmschonende Methoden sind hierfür notwendig, denn das lange und laute Sprechen in der Schule ist für die eigene Stimme wohl die größte Herausforderung. Würden wir immer nur mit der lauten Stimme über den Lautstärkepegel hinweg zur Ruhe bitten, wären stimmliche Abnutzungserscheinungen wie Heiserkeit, Rauigkeit oder vermehrte Schleimproduktion sicher die Folge.

Auf der Abbildung haben Studierende Beruhigungsstrategien aus dem eigenen Erleben als Schüler:innen sowie aus Beobachtungen in Schulpraktika gesammelt. Hier wurden die Strategien durch die Studierenden in eher sinnvoll oder weniger sinnvoll eingeteilt. Einige Entscheidungen lassen sich in dieser Einteilung sicher diskutieren, denn wie bei so vielen Aspekten rund um Kommunikation, ist es immer eine Frage der Situationsangemessenheit (es sei denn es handelt sich um unangemessen gewaltvolle Methoden oder Methoden mit Verletzungsgefahr, wie z.B. beim Werfen von Gegenständen).

Brainstorming zur stimmschonenden Beruhigung der Klasse, © Luise Gebauer

Grundsätzlich ist es immer wichtig, zunächst die Ursache für die Unruhe zu reflektieren und zu schauen, welche Lösungen sich dafür eignen. Sollte die Klasse z.B. aufgrund von Bewegungsdrang unruhig sein, wäre vielleicht eine Bewegungspause oder ein Spiel ein gutes Mittel, um das unerfüllte Bedürfnis zu stillen und dann wieder mit mehr Fokus und Ruhe in die Arbeit zu kommen.

Alle anderen stimmschonenden Beruhigungsstrategien, wie Klatschrituale, akustische Signale, der Einsatz einer Lärmampel oder das abrupte Stillwerden der Lehrperson sind immer an die konkrete Situation anzupassen. Das meint, dass nicht alle Strategien für jede Lehrkraft in jeder Klasse (Altersstufe) und in jedem Fach anmessen sind. Unterstützend kann es aus Sicht der Studierenden sein, wenn sich bestimmte Methoden ritualisieren (wie z.B. das Klatschritual oder die Klangschale). Weiterhin sollte sich der Einsatz der Strategie für die Lehrkraft nicht unauthentisch oder aufgesetzt, sondern natürlich anfühlen.

Der Einsatz des eigenen Körperausdrucks wurde in den Strategien bereits angedeutet mit den Punkten „Mimik/Blickkontakt“ und „Wütend/verärgert schauen“. Tatsächlich ist die Erhöhung der Präsenz nicht zu unterschätzen – eine aufrechte Haltung, ein geerdeter Stand, ein klarer Blickkontakt und ein fordernd-freundlicher Gesichtsausdruck kann den Wunsch nach Ruhe sehr gut unterstützen und braucht manchmal keine zusätzlichen Worte. Auch die Position im Raum mal zu verändern und näher zu den unruhigen Schüler:innen hinzugehen, kann die Aufmerksamkeit ins Klassengeschehen ohne Worte möglich machen.

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Komm doch mal zum Punkt!

Finde deine Lösungstiefe

© Steven Skerritt // unsplash

Wenn wir vor oder mit anderen Menschen sprechen, insbesondere in Vortragssituationen erleben wir es häufig, dass wir weniger variabel sprechen als im privaten Miteinander. Das könnte u.a. daran liegen, dass wir in Vorträgen in unserer Stimme weniger Emotionen hörbar werden lassen, sondern eher eine Art „sachlichen“ Ausdruck bedienen. Wir schauen auf unseren Stichwortzettel und formulieren die Gedanken meistens so, dass wir am Ende unserer Sätze oder Gedanken mit der Stimme nach oben gehen. Das ist für die Zuhörenden eher schwierig, weil sie anhand der Sprechmelodie kein deutliches Signal bekommen, wann der Gedanke zu Ende ist und dementsprechend als Informationseinheit verarbeitet werden kann. Dadurch bleiben sie tendentiell innerlich angespannt und warten förmlich darauf, dass stimmlich und sprecherisch ein Punkt gesetzt wird. Diese Spannung beim Zuhören strapaziert die Konzentration und noch dazu ist es sehr herausfordernd, sich die Inhalte gut zu merken, denn unsere Hör-Merk-Spanne ist einfach begrenzt.

Um diesem Problem zu begegnen gibt es ein ganz einfaches Werkzeug, welches sowohl für dich als Sprecher:in, aber vor allem auch für deine Zuhörenden unterstützend sein kann: DIE LÖSUNGSTIEFE!

© Luise Gebauer

Aber was ist das genau? Schau einmal in die Abbildung: Jede:r hat einen individuellen Tonhöhenumfang, vom allertiefsten singbaren bis zum allerhöchsten singbaren Ton. Fürs Sprechen benutzt du in der Regel nur das untere Drittel deines Gesamtstimmumfangs. Der Bereich, den du am meisten fürs Sprechen nutzt, wird MITTLERE SPRECHSTIMMLAGE genannt. Diese sollte in der sogenannten INDIFFERENZLAGE liegen, dem Stimmbereich, der deinen organischen Voraussetzungen entspricht und für deine Stimme der unangestrengteste und ökonomischste Tonhöhenbereich ist.

Die LÖSUNGSTIEFE ist wirklich ein recht tiefer stimmlicher Bereich knapp über deinem allertiefsten singbaren Ton. Beim Vorlesen senken wir unsere Stimme bis dorthin ab, wenn im Schriftbild ein Punkt notiert ist, und zeigen damit für unsere Zuhörenden an, dass der Satz oder Gedanke zu Ende ist.

Genau auf dieses Mittel kannst du auch im freien Sprechen zurückgreifen um dir selbst, aber auch deinen Zuhörenden eine Verarbeitungspause zu ermöglichen. Die Lösungstiefe ist (neben der Pausensetzung) das wichtigste Struktur- und Gliederungselement im freien Sprechen – auch und vor allem in sachlichen Vorträgen!

Generell gilt aber darüber hinaus dennoch: eine flexible, variable und spannende Sprechgestaltung ist nicht nur im privaten Kontext angemessen – auch für Lehrer:innen ist die stimmliche und sprecherische Variabilität super wichtig, weil so die Schüler:innen besser zuhören können und der Merkerfolg höher ist!

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Vocal Fry

© Adnan Mirza // unsplash

Vocal Fry ist spätestens seit Kim Kardashian in aller Munde. Auch bei den Studierenden in unseren Seminaren hören wir immer häufiger in ihrem Stimmklang den sogenannten Vocal Fry. Das melden wir meistens nach ihren Präsentationen oder nach dem Hören ihrer Audioprodukte im Feedback zurück. Nicht selten werden wir dann gefragt: „Aber ist das Knarren in meiner Stimme denn ein Problem?“

Schauen wir mal genau hin: Was ist überhaupt Vocal Fry, wie entsteht das Knarren und was bedeutet es für deine Stimme? Auf diese Fragen gibt es heute Antworten.

Wie entsteht Vocal fry?

Die Stimme entsteht ja bekanntermaßen im Kehlkopf durch die Schwingung der Stimmlippen. Schauen wir uns diese mit einer Stroboskopkamera während der Stimmgebung an, sehen wir im Optimalfall, dass sich die Stimmlippen vollständig schließen und wieder öffnen und das in einem sehr hohen Tempo (side fact: Wenn wir den Stimmgabelton a‘ (440 Hz) singen, öffnen und schließen sich unsere Stimmlippen 440-mal pro Sekunde). Bei vollständigem Stimmlippenschluss mit einer gesunden Muskelspannung klingt die Stimme klar, nicht heiser oder behaucht. Schließen die Stimmlippen nicht vollständig, sondern verengen sich nur zueinander hin und die Muskelspannung ist eher gering, hören wir eine niederfrequente, unregelmäßige, geräuschhafte Stimme. Diesen Stimmgebraucht nennen Expert:innen creaky voice, Glottalisierung, Strohbass oder Knarrstimme.

Welche Auswirkungen hat das Knarren?

Die gute Nachricht ist, dass das Knarren zunächst keine Schäden an der Stimme verursacht. Es wird als unterspannte Stimmgebung eingeordnet, die sich aber oft als stimmliche Gewohnheit manifestiert. Die Wirkung auf andere Menschen ist sehr unterschiedlich. Für die meisten signalisiert das Knarren Entspanntheit und Wohlbefinden. Manche jedoch empfinden das Knarren als Zeichen dafür, dass die sprechende Person gelangweilt, desinteressiert oder sogar arrogant ist. Profisprecher:innen in den Medien nutzen das Knarren in der Stimme als Strategie um wie jede:r andere auch zu klingen (Moderator:innen inszenieren sich damit als „normale Menschen von Nebenan“). Damit erhoffen sie sich in der Wirkung mehr Nahbarkeit und Authentizität.

Fakt ist, das Knarren nimmt der Stimme zum Teil Variabilität und Klangfülle. Beides ist für dich als angehende Lehrkraft wichtig fürs Unterrichten. Denn je flexibler deine Stimme ist, desto besser können dir deine Schüler:innen zuhören und sich deine Inhalte merken. Außerdem wird von manchen Hörer:innen beschrieben, dass das Knarren sie vom Gesagten ablenke. Diese Aspekte sind zu berücksichtigen, wenn die Frage gestellt wird, ob Knarren bei Lehrkräften in der Schule okay ist oder nicht.  Zusammengefasst können wir festhalten, dass es definitiv (wie immer) von der Situation, der aktuellen Gesprächsart, deiner Rolle sowie von deinem Ziel abhängt, ob das Knarren für dich als Lehrer:in angemessen ist oder nicht.