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Analyse: Die Metaebene in Pulp Fiction

30. März 2017 by Philipp Klement

Pulp Fiction, ein Film der wie kaum ein anderer Publikum und Zuschauer seiner Zeit gleichermaßen beeindruckt hat, und das auch über 20 Jahre später noch tut. Doch neben den offensichtlichen Qualitäten des Filmes, nämlich den Dialogen, den Schauspielern und dem Soundtrack, verbirgt sich eine meisterhafte Erzählweise, die vor allem durch ihre Metaebene grandios und einzigartig ist.
Müsste man die Handlung des Filmes in einem Satz zusammenfassen, so würde man erst einmal gründlich überlegen müssen was man sagt. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es nur eine mögliche Antwort auf diese Frage gibt: Einem Haufen Gangstern passiert ein Haufen Scheiße in Los Angeles. Und im Prinzip wären wir dabei bereits beim Punkt: „Pulp Fiction“ hat eigentlich keine Handlung, oder zumindest keine Handlung im herkömmlichen, dramaturgischen Sinne. Dramaturgie bedeutet für einen Film eine sinnvolle Steigerung des Geschehens und der Emotionen. Ist am Anfang meist noch alles ruhig, so wird es insbesondere zum Ende hin immer hitziger und aufregender, um im Optimalfall in ein grandioses Ende zu münden. Nun ja, allerdings hat Herr Tarantino keine Lust auf Dramaturgie im herkömmlichen Sinne gehabt, will heißen es findet eigentlich kein dramaturgischer Aufbau statt. Punkt eins für diese These ist die Art des Erzählens der Handlung. Primär läuft die Handlung nämlich über triviale Dialoge, die nicht zwingend etwas mit dem Geschehen zu tun habe. Von Fußmassagen, über McDonalds in Frankreich, bis hin zu göttlichen Fügungen werden alle möglichen Themen abgegrast, ohne einen direkten Bezug zum Geschehen zu nehmen. Wir halten fest: Die Handlung läuft größtenteils über irrelevante Dialoge. Punkt zwei ist die Anordnung der Szenen. Ganze fünf mal wird während der Zeitlinie des Geschehens hin- und hergesprungen. Auf diese Art entzieht sich der Film quasi automatisch jedweder Steigerung des Geschehens. Nichts baut wirklich auf das andere auf, alles steht ein bisschen für sich, was durch die Reihenfolge der Szenen erst recht bestärkt wird. Wie soll der Mittelteil des Filmes, der zeitlich gesehen das Ende bildet, eine aufbauende Komponente für den Schluss des Filmes, der zeitlich gesehen der Anfang ist, darstellen? Wir halten fest: Es dreht sich um eine Handlung die primär aus irrelevanten Dialogen besteht, die nicht einmal in einer geordneten zeitlichen Abfolge abgearbeitet werden.

Punkt drei ist der abschließende Kniff bei dieser Meisterleistung. Einen Film ohne Sinn oder Handlung auf die Beine zu stellen könnte vermutlich jeder, er müsste nur völlig unabhängiges und willkürliches Geschehen aneinanderreihen, Szene um Szene. Allerdings flüchtet sich Tarantino mit seinem Vorhaben nicht in abstrakte Filmkunst, sondern er bleibt auf einer Schiene, auf der man allem folgen kann, und alles was man sieht zum Verständnis des Gesamtgeschehens beiträgt. Die einzelnen Episoden weisen nämlich definitiv jeweils ihre eigenen kleinen Dramaturgien auf, und das ohne völlig alleine für sich zu stehen, sondern trotzdem als Teil des Großen und Ganzen zu gelten. Es findet praktisch immer ein kleiner Aufbau statt, der dann gleich wieder durch Zeitsprung oder Perspektivwechsel aufgelöst wird. Man könnte also behaupten, dass Tarantino sehr wohl eine Geschehensabfolge von Punkt A nach Punkt B umsetzt, aber in einem so verquerten Rahmen, dass es sich jedwedem dramaturgischen Aufbau entzieht. Er krempelt quasi klassische Dramaturgie in einem dramaturgischen Rahmen komplett um, sodass Anfang, Mitte und Ende jedem klar sind, das ganze aber völlig steigerungslos erzählt wird. Und trotz all dieser Umstände schafft er es dem Zuschauer am Ende des Filmes den Dialog zwischen Jules und Vincent als den Dreh- und Angelpunkt des gesamten Filmes, und somit als logischen Schlusspunkt herauszustellen: hätte Vincent nämlich wie Jules jenes bestimmte Ereignis am zeitlich gesehenen Anfang (im Film das letzte Drittel) als göttliche Fügung anerkannt und den seinen Job an den Nagel gehängt, so wäre er am zeitlichen gesehenen Ende (Mittelteil des Filmes) nicht von Butch über den Haufen geschossen wurden. In dieser absurden Konstruktion schafft es Tarantino nicht nur einen zielgerichteten Sinn des Filmes herauszustellen, sondern er schafft es sogar Tragik hinter alledem aufkeimen zu lassen, indem man Vincent und Mia nach ihrer Episode gewünscht hätte, dass sie doch noch glücklich werden. Aber Tarantino ist keine Spaßbremse, also lässt er es sich nicht nehmen den liebgewonnen Charakter Vincent trotz seines Todes im Mittelteil, in der Schlussszene in Boxershorts mit seinem Partner Jules das Lokal zu verlassen, was sicherlich für alle eine äußerst versöhnlicher Schlusspunkt ist.

Sicherlich wird diese meisterhafte Erzählung nicht jedem aufgefallen sein, zumindest nicht in all ihren verquerten und besonderen Einzelheiten. Aber das macht auch nichts, denn Tarantino verstand es mit dem was er gezeigt hat, sein Publikum auch ohne den Blick auf die Metaebene zu unterhalten, und zwar durch witzige Dialoge, charmante Darsteller und seinen zeitlosen Soundtrack. Somit sollte es kein Wunder sein, dass nahezu alle den Film brillant fanden, er bietet fantastische Unterhaltung und eine souveräne filmische Umsetzung auf der oberflächlichen Ebene, und eine meisterhafte Erzählung auf der Metaebene.

Was sagt ihr? Steckt in Pulp Fiction auf den zweiten Blick doch viel mehr als man es bei der ersten Sicht vermutet hätte?


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