[ATT]

Die Existenzweise der Zuordnung/ Bindung [ATT]

Die Bindung [ATT] besteht zwischen Quasi-Subjekten und Quasi-Objekten und ist eine der drei Existensweisen, in der Latour die Wirtschaft aufschlüsselt. Dieser Modus entsteht aus einer Lücke der ‚heißen‘ Erfahrung der Mobilisierung von Menschen und Dingen durch den Transfer von Leidenschaften im Sinne passionierten Interesses.

Die Hitze des wirtschaftlichen Phänomens steht im Kontrast zu der Beschreibung dieser Erfahrung durch ‚kühle‘, rationale Kalkulationen von Interessen. An diesem ‚Temperaturwechsel‘ vom ‚heißen‘ des Materialismus zum ‚kühlen‘ des Idealismus setzt [ATT] an. Die Bindung [ATT] gibt Auskunft über die Gründe der [ORG], in welcher das Interesse der Akteure sie durch gemeinsame Wünsche und Begehren verbindet. Es geht also um eine Art des ‚in Bewegung bringens‘ („setting into motion“).

In der Frage nach dem Haben geht Latour davon aus, dass Dinge uns binden, ob wir sie haben oder nicht. Also schon das Verlangen nach ihnen ist ausschlaggebend und liefert einen Impuls für Organisation [ORG]. Die Begierde (avidity) spielt eine maßgebliche Rolle im [ATT]. Sie ist die Motivation und mobilisierende Kraft, die [ATT] schafft. Latour führt auf der Seite der Repräsentation des Wertes dieser Bindung durch Begierde die Kalkulation an. Hier verweist er auch auf den Begriff der ‚Qualculation‘ von Franck Cochoy. Qualkulation bezeichnet dabei die Aufbereitung von Beurteilungen bezüglich der Schnittstelle von Skripts [ORG]. Diese Form der Kalkulation ist letztlich nicht in der Lage die Passionen zu entwirren, die notwendig sind um jene Skripts zu lancieren.

Die Quasi-Subjekte und Quasi-Objekte binden einander und geben sich gegenseitig Eigenschaften, die wiederum Bewegungen erzeugen. Diese Bindungen entstehen durch „beings of passionate interest“ oder „interested passions“, die uns mobilisieren. Sie tragen die Eigenschaften der Exteriorität, der Verblüffung über abrupte Veränderung, der Unsicherheit über die Zielpersonen und einer Form der Alteration, die sowohl in der Euphorie des „sich tragen lassen von energiegeladenen Kräften“, als auch in der „Depression des unterworfen Seins unter Kräfte die uns […] übersteigen“ besteht (Latour 2013: 425). Diese Wesenheiten durchdringen uns durch ihre Wertigkeit, ihre Erregung und ihren Aufwand. Dieses Genre der Wesenheit, wie Latour es nennt, zusammengesetzt aus der Mobilisierung, dem Interesse und der Wertermittlung, beschreibt eine Transzendenz, die dem Regime der Veridiktion folgt.

Die Bedingungen einer geglückten, einer positiven Veridiktion liegen in dem Unternehmen, also im weitesten Sinne einer wirtschaftlichen Mobilität. Die nicht geglückte oder negative Veridiktion liegt in dem Anhalten und Abbrechen von Transaktionen. Der Verlauf des [ATT] besteht in dem Vermehren von Gütern (goods) und Ungütern (bads). Diese Vermehrung beschreibt gleichzeitig die Veränderung innerhalb des Ausbalancierens von Wünschen und Mängeln.

Die Veridiktion ist also von dem Genuss beziehungsweise der Gleichgültigkeit gegenüber anderen Quasi-Subjekten und Quasi-Objekten gezeichnet, zu denen Bindungen hergestellt werden. Das Urteilsvermögen über Güter und Ungüter und das Abwägen von Interessen führt zu einer Bewertung von allem was unsere Subsistenz sichert. Die Bedingungen der Veridiktion liegen auch in der Richtigkeit, beziehungsweise dem Fehlschlagen von kalkulierten Evaluationen, die wirtschaftliche Erfahrungen einschätzen und wiederherstellen sollen.

Die Unterbrechung, der Hiatus, besteht in der Nicht-Vergleichbarkeit; dem nicht-gemeinsam-messbaren zwischen Gütern und Mitteln diese zu erwerben. Aus dieser Unterbrechung ergibt sich eine Lücke zwischen Werten, beispielsweise der Einschätzung/der Bewertung einer Bindung von Quasi-Subjekten und Quasi-Objekten zu Skripts und Organisationen, die vom Interesse an der Bindung motiviert werden. Der Hiatus ist die Lücke zwischen der Erfahrung von Leidenschaften und Bindungen, die bestimmten Interessen folgen, und der kühlen, ‚rationalen‘ Kalkulation von Interessen.

Verfasserin: Juliane Breitfeld (juliane.breitfeld[at]student.uni-halle.de)

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