„Stell dir vor, es ist 1942 auf Instagram.“
Mit diesem Satz startete das Projekt @ichbinsophiescholl am 05. Mai auf Instagram. Nach nur 5 Tagen hatte der Account bereits 773 000 Follower*innen. Man kann von den sozialen Medien halten was man will. Auch ich war anfangs etwas skeptisch, angesichts dieses neuen Formats. Die Widerstandskämpferin Sophie Scholl zum Leben erwecken, indem man einen Instagram Account eröffnet? Nachdem ich mich jedoch mit dem Projekt auseinandergesetzt hatte muss ich sagen, ich bin überzeugt. Aus diesem Grund hier nun in komprimierter Form einige Fragen, die mir bei der Auseinandersetzung geholfen haben.
Was hat es eigentlich mit diesem Projekt auf sich?
Ein paar Worte zur Idee und Umsetzung. Anlässlich des 100. Geburtstag von Sophie Scholl wird am 05. Mai der Account @ichbinsophiescholl auf Instagram veröffentlicht. Gespielt wird die Widerstandskämpferin der Weißen Rose von Luna Wedler, die ihre Follower*innen in nachempfundener Echtzeit an den letzten 10 Monaten des Lebens der Sophie Scholl teilhaben lässt. Die Idee dahinter stammt von der Geschichtsredaktion des SWR und BR. In Zusammenarbeit mit den Historikerinnen Dr. Barbara Ellermeier und Dr. Maren Gottschalk werden die Ereignisse und Erlebnisse der damals 21-Jährigen Sophie nachempfunden. Von ihrer Ankunft in München am 04. Mai 1942 bis zu ihrer Verhaftung durch die Nationalsozialisten am 18. Februar 1943. Anhand von Tagebucheinträgen und Dokumenten spricht die Schauspielerin über Sorgen, Ängste, über die Liebe, über Sophies Bruder Hans und ihre Schwester Inge. Sie bezieht ihre Follower*innen somit in ihren Alltag ein, wobei man schnell merkt, dass sie sich innerhalb ihrer persönlichen Entwicklung immer stärker politisiert. Die Szenen wurden innerhalb von drei Wochen in Berlin und München gedreht.
Was sagen die Vertreter*innen dieses Projekts?
„Sophie Scholl, auf Instagram, in Echtzeit. Die Kombination dieser drei Worte ließen uns seit dem ersten kleinen Pitch-Papier nicht mehr los und faszinieren uns bis heute. Instagram ist längst nicht mehr nur ein Ort voller niedlicher Hundebilder und Essensaufnahmen, sondern vielmehr Weltbühne des Aktivismus und damit ein „Ort“, an dem wir mit Sicherheit auch Sophie Scholl begegnet wären. Ihre Geschichte ist heute mehr denn je relevant, angesichts einer Generation junger Menschen, die bereit ist, die Probleme der Welt entschlossen anzugehen und die Kämpfe z.B. gegen Rassismus, gegen die Klimakatastrophe und für mehr Gleichberechtigung in den sozialen Medien zu führen. Wir können Sophie Scholl auf Instagram für eine neue Generation lebendig machen – auf eine Art und Weise wie man es noch nie zuvor gesehen hat. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir mit der Sommerhaus dieses so künstlerisch einmalige und politisch wichtige Projekt gemeinsam mit diesem so großartigen Team vor und hinter der Kamera umsetzen durften.“
Jochen Laube und Fabian Maubach, Produzenten, Sommerhaus Serien; Katja Siegel, Executive Producerin, VICE Media; Melina Voss, Creative Producerin, Unframed.
„Die Weiße Rose Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die Widerstandsgruppe um Hans und Sophie Scholl im öffentlichen Bewusstsein zu verankern, vor allem bei jungen Menschen. Die Stiftung unterstützt mit Wohlwollen und großer Neugierde die aufregende Instagram-Serie ichbinsophiescholl, da sie das gleiche Interesse verfolgt: junge Generationen über den Widerstand im Nationalsozialismus zu informieren und aufzuklären.“
Dr. Hildegrad Kronawitter, Vorsitzende der Weißen Rose Stiftung e.V.
Was ist eventuell problematisch?
Wie bereits erwähnt, zu Anfang war ich etwas skeptisch. Immerhin handelt es sich um die nachträgliche Aufarbeitung einer Geschichte, die viel Feingefühl und Expert*innenwissen erfordert. Gerade auf Social Media sind diese Begriffe leider keineswegs selbstverständlich. Allerdings ist es dem Projektteam meiner Meinung gelungen, auf Grundlage des historischen Quellenmaterials, die bewegende Geschichte Sophie Scholls aufzuarbeiten und für ein breites Publikum erschließbar zu machen. Was hat das Ganze nun mit Comics zu tun? Zugegeben nicht viel. Allerdings bietet das Pilotprojekt, ähnlich zu Comics die Möglichkeit der alternativen Geschichtsvermittlung, welche möglicherweise ganz neue Zielgruppen erreicht und anspricht. Somit bleibe ich gespannt, wie sich der Kanal in Zukunft entwickeln wird. Was meint ihr dazu? Haltet ihr diese Form der Aufarbeitung und Geschichtserzählung für legitim? Oder seht ihr das Ganze eher kritisch?
Quelle: https://www.swr.de/unternehmen/ich-bin-sophie-scholl-instagram-serie-102.html
4 Gedanken zu “@ichbinsophiescholl”
Danke für diesen schönen Beitrag! Tatsächlich habe ich mich auch sofort an das erinnert, was wir in Seminar und Workshop über Public History gelernt haben, als ich vor ein paar Tagen auf den Instagram-Account @ichbinsophiescholl gestoßen bin.
Diese Form der Aufbereitung von Geschichte finde ich definitiv legitim. Die von dir beschriebene Schwierigkeit, dass für so etwas viel Feingefühl und Expert*innenwissen erforderlich sei, dürfte immerhin überall bestehen, wo Public History stattfindet – egal ob in Ausstellungen, Museen, bei Dokumentationen oder eben auf Instagram.
Die Followerzahlen von @ichbinsophiescholl zeigen auf jeden Fall, dass Instagram bzw. Social Media eine gute Möglichkeit sein kann, auch die jüngeren Generationen für historische Themen zu begeistern.
Wobei ich vermute, dass nicht nur der 100. Geburtstag von Sophie Scholl die Leute auf ihre Geschichte neugierig gemacht haben könnte, sondern viel mehr die Instrumentalisierung ihrer Person durch bestimmte Gruppen, die wir alle in den letzten Monaten beobachten mussten. Auch deswegen treffen SWR und BR mit diesem Instagramaccount absolut den Nerv der Zeit.
Vielleicht ist auch dies die Aufgabe von Historiker*innen: Geschichtliche Inhalte anschaulich aufbereiten, die wegen aktueller Ereignisse viele Menschen interessieren.
Danke für deinen Kommentar (: Ich denke auch, dass die Follower*innenzahl eindeutig für sich spricht. Es ist großes Interesse da und ich könnte mir gut vorstellen, dass dieser Account in Zukunft als Vorbild dienen wird, um weitere Projekte dieser Art durchzuführen. Der Gedanke, dass dieses Projekt eben auch eine starke Abgrenzung zu dem schafft, was beispielsweise letztes Jahr auf der Querdenkenden-Demo in Hannover gesagt wurde, ist mir auch gekommen. Da schafft es der Account auf jeden Fall, Menschen zu sensibilisieren und ein zusätzliches Bewusstsein dafür zu schaffen, wie unpassend solche Vergleiche sind.
Die Frage, was eventuell problematisch sein könnte, stellt sich vllt auch weniger in Hinblick auf das Format , sondern eher in Hinblick auf die Anonymität, die auf social media eben immer wieder Menschen dazu verleitet unreflektierte und unsachliche Kommentare zu hinterlassen. Die Gefahr sehe ich hier auf jeden Fall mehr, als in Ausstellungen und Museen. Allerdings sollte das ja nicht dazu führen, dass man ein Projekt nicht durchführt. Zumal das Feedback soweit ich das mitbekomme, größtenteils sehr positiv ist.
Liebe Sophie Meißner, Sie schreiben von unreflektierten und unsachlichen Kommentaren, die es zu befürchten gilt. Ich stelle mir die Frage, wie sich eine solche Einteilung in „wertvolle“ und „nicht wertvolle“ Kommentare bewerkstelligen lässt. Was ist die Messlatte? Und wie viel Faktenwissen braucht es dafür? Und wäre eine unreflektierte, also gleichsam „uninformierte“ Antwort nicht besser als gar keine? Denn die Teilnahme am Diskurs könnte so doch „geheimes“ Denken aufgreifen und – im besten Fall – zu reflektierten machen. Stichwort: Wir diskutieren mit jedem, der ernsthaft an einer Diskussion interessiert ist. Was meinst Du dazu?
Liebe Frau Satjukow, zunächst einmal vielen Dank für Ihren Denkanstoß. Natürlich ist es sehr schwierig zu sagen, welche Kommentare als „unsachlichen“und „unreflektiert“ gelten und welche nicht. Das dürfte auch stark von der subjektiven Einschätzung abhängen, weshalb Ihre Frage, was die Messlatte ist bzw. von wem sie gesetzt wird, mehr als berechtigt ist. Ich finde nicht, dass man das anhand des Faktenwissen festmachen kann oder sollte. Wenn ich an unsachliche und unreflektierte Kommentare denke, denke ich vielmehr daran, dass Kommentare unhöflich und respektlos formuliert sind, dass Beleidigungen fallen, Belästigungen stattfinden oder Dinge komplett aus dem Kontext gerissen werden. In dem Fall bin ich der Meinung, dass man sich nicht auf eine Diskussion einlassen muss.
Wenn allerdings ernst gemeinte Fragen gestellt werden oder konstruktive Kritik geäußert wird, dann ja, sollte mit jedem/ jeder diskutiert werden, der oder die daran interessiert ist. Hier wäre für mich tatsächlich das „Wie“ ausschlaggebend dafür, ob eine Diskussion zustande kommen kann oder nicht.