Kennt ihr den Godfather der Graphic Novel? Ich muss gestehen, dass mir sein Name bis vor kurzem unbekannt war. William Erwin Eisner, oder kurz Will Eisner heißt er. Geboren wurde der US-amerikanische Comiczeichner 1917 in Brooklyn, New York. Er prägte Stil und Entwicklung von Comics während des 20. Jahrhunderts maßgeblich mit und führte mit seinem Buch „Ein Vertrag mit Gott“ im Jahre 1978 erstmals den Begriff „Graphic Novel“ ein. Allein über dieses Buch, das die Geschichte jüdischer Bewohner eines Mietshauses erzählt, ließe sich sicher schon ein eigenständiger Blog-Beitrag erstellen. Heute soll es jedoch um Will Eisner gehen. Seine ersten künstlerischen Schritte machte er als Bühnenbildmaler beim jüdischen Theater. 1933 veröffentlichte er seinen ersten Comic im Rahmen einer Schülerzeitung. Doch wie wurde Will Eisner schließlich zum bedeutendsten Vertreter und Begründer des modernen Comics?
„Zunächst war Eisner ein Comic-Zeichner wie viele andere auch. Schon sein Spirit setzte aber neue Maßstäbe und veränderte unter anderem die Beziehung zwischen Leser*in und betrachtetem Comic indem er Leser*innen in den Kontext einbezog, ihnen mehr Wissen erlaubte als den handelnden Personen der Strips und dadurch Spannung aufbaute. Zudem waren die eröffnenden Splash-Panels Meisterleistungen. Später verlegte sich Eisner mehr und mehr auf graphische Erzählungen über das Leben, den Antisemitismus und Religiosität.“
Comix-Online Redaktion, Februar 2021
Zudem sprengte Eisner die damals gängigen Publikationsformate und erweiterte das Medium Comic innerhalb seines Umfangs und seines Sinngehalts. Sein eigenes Aufwachsen sowie seine Erfahrungen mit Antisemitismus regten ihn dazu an, sich mit den Ursachen von Kriminalität, Vorurteilen und Gesellschaftsstruktur auseinanderzusetzen und diese innerhalb seiner Werke zu verarbeiten:
„Eisner, selbst in Brooklyn und in der Bronx in armen Verhältnissen aufgewachsen, wollte von den Rändern der amerikanischen Gesellschaft erzählen, von den Verlierern, den kleinen Leuten im Dunkel der engen Gassen der Mietskasernen. Eisners Welt war ein Noir-New-York: Ziegelwände, Feuertreppen, Regen und Nebel, Verrat und Korruption, die ständige Hoffnung auf ein besseres Leben und die Ernüchterung, an dieser Ambition zu scheitern.“
Katrin Pinetzki, Februar 2021
Soweit der kurze Ausschnitt aus dem Leben Will Eisners. Wer mehr zu seinem Leben und Wirken lesen möchte, wird empfohlen sich die unten aufgelisteten Links näher anzusehen. Davor möchte ich jedoch auf eine Ausstellung aufmerksam machen, die noch bis zum 27.06.2021 in Dortmund geöffnet ist. Dabei handelt es sich um die erste deutschsprachige Retrospektive, welche annähernd 70 Originalwerke aus dem Nachlass Eisners, sowie mehreren europäischen und US-amerikanischen Privatsammlungen zeigt.
Ein virtueller Rundgang durch das Leben des Godfather der Graphic Novel
Wer sich nun verständlicherweise fragt, warum ich eine fast 400 Kilometer entfernte Ausstellung bewerbe, den kann ich beruhigen. Um die „WILL EISNER Graphic Novel Godfather“ Ausstellung ansehen zu können, müssen wir nicht auf den Komfort der eigenen vier Wände verzichten, müssen in keinen Zug steigen, müssen uns nicht unangenehm vordrängeln, um die Ausstellungsstücke an den Wänden zu bestaunen. Denn die Ausstellung kann unter dem folgenden Link virtuell besucht werden:
Ich kann die Besichtigung dieser virtuellen Ausstellung wirklich empfehlen! Der 360 Grad Blick erlaubt es den Besuchenden jeden Winkel der Ausstellung zu erkunden, die Ausstellungsstücke zu begutachten und nebenbei interessante Informationen zu Will Eisner und dessen Werk zu erhalten. Wer sich die Ausstellung anschaut, ist herzlich eingeladen ein kleines Feedback dazulassen. Wie gefällt euch die Ausstellung? Kann ein virtueller Rundgang den realen Museums- oder Ausstellungsbesuch ersetzen oder haltet ihr es für unwahrscheinlich, dass dieses Format jenseits von Corona eine Zukunft haben wird?
Meiner Meinung nach ist es eine tolle Möglichkeit, wieder einmal ein bisschen Kultur zu genießen und sie für ein breites Publikum erschließbar zu machen. Trotzdem denke ich, dass die Nähe zum Ausstellungsobjekt und die besondere Atmosphäre der Ausstellung durch Online-Formate nur bedingt ersetzt werden kann. Ich bin jedoch gespannt auf weitere Meinungen.
Mehr Infos gibt´s hier: