Könnte sich die allseits beliebte Asterix-Comicserie tatsächlich als wissenschaftliche Quelle eignen? Aber klar doch! Es folgen Beispiele für Fragestellungen, die bereits an den Klassiker gestellt wurden.
Ein kleines gallisches Dorf – es ist das letzte seiner Art – entgeht mithilfe eines Zaubertrankes der Übernahme durch die Römer. Die humoristischen Comics des Autors René Goscinny über die Abenteuer der Dorfbewohner*innen war sicherlich für viele von uns einer der ersten Berührungspunkte mit der antiken Welt, auch wenn diese dort zweifellos nicht immer wissenschaftlich korrekt abgebildeten ist. Doch könnte sich dieses Zeugnis unserer Kindheit tatsächlich als wissenschaftliche Quelle eignen?
Zu Beginn des Seminars diskutierten wir genau dies in Bezug auf Comics im Allgemeinen und kamen zu der Antwort: Natürlich tun sie das! Denn im Endeffekt lässt sich mit der passenden Fragestellung so gut wie alles als Quelle verwenden – und das neben der Geschichtswissenschaft auch für andere Disziplinen. Die folgenden Beispiele zeigen, dass in Bezug auf die Asterix-Comics bereits mehrere Wissenschaftler*innen zu dieser Erkenntnis gelangt sind und sich so teils scherzhaft, teils mit vollem Ernst mit den Heften beschäftigten.
Eines der vermutlich eher mit einem Augenzwinkern zu verstehenden Projekte stammt von einer Gruppe von Neurochirurgen. In der Studie „Schädel-Hirn-Traumata im Comic: Erfahrungen aus einer Serie von mehr als 700 Kopfverletzungen in den Asterix-Bänden“ setzten sie sich 2011 mit den zahlreichen Kopfverletzungen auseinander, welche die von Albert Udezo gezeichneten Figuren erleiden. Dabei schlüsselten sie unter anderem auf, welche Gruppen besonders davon betroffen sind und welche Symptome sowie gesundheitliche Folgen dargestellt werden. (Weitere Infos gibt es hier.)
Im Jahr 2019 entschied sich außerdem die RWTH Aachen University im Rahmen des interdisziplinären Förderprogramms „Eine Uni – Ein Buch“ für die Asterix-Serie. In einem der daraus entstandenen Projekte beschäftigte sich eine Fachärztin mit der Biochemie des Zaubertrankes, welchen der Druide Miraculix für die gallischen Dorfbewohner*innen zu brauen pflegt. In einem weiteren verglichen Mitarbeitende der psychologischen Fakultät Vorurteile zwischen den „Römern und Galliern“ mit heutigen gesellschaftlichen Ressentiments. (Mehr dazu findet ihr hier.)
Auch für Sprachwisseschaftler*innen können Comics ein wichtiger Untersuchungsgegenstand sein. Die Abenteuer von Asterix und Obelix sind beispielsweise Teil einer Untersuchung von Prof. Dr. Georg A. Kaiser. Dieser vergleicht die Wortstellungen in Fragesätzen der unterschiedlichen Übersetzungen von Comics, Krimis und der Bibel miteinander, um grammatikalischen Phänomenen verschiedener Sprachen auf die Spur zu kommen. Mit den Ergebnissen können die Datenbanken von Programmen wie Alexa und Siri gefüttert werden, damit diese möglichst authentisch sprechen. (Ein Artikel über das Forschungsprojekt ist hier zu finden.)
Die Historikerin Christine Gundermann offenbart in ihrem Text „50 Jahre Widerstand: Das Phänomen Asterix“ eine Vielzahl an weiteren möglichen Forschungsfeldern, welche die Comics bereithalte. Unter anderem betrachtet sie die Asterix-Bände im Kontext ihrer Entstehungszeit und fragt danach, inwiefern sich neuzeitliche Stereotypisierungen in ihnen wiederfinden. Darüber hinaus untersucht sie die Verarbeitung geschichtlicher Ereignisse in den Comics. Scheinbar finden sich tatsächlich Parallelen zur Geschichte Frankreichs, was nicht verwundern mag, da es sich immerhin um einen französischen Comic handelt. Auch als Quelle für zeitgenössische Marketingstrategien, die zeitgenössische Jugendkultur, die Darstellung von Geschlechterrollen, Umdeutungen durch Übersetzungen und einiges mehr zieht sie die Asterix-Bände heran.
Comics sind Teil der Kultur einer Gesellschaft. Sie konservieren den Zeitgeist, Meinungen, Verhaltensregeln, Selbstdarstellungen und Deutungen von Ereigniszusammenhängen.
Christine Gundermann, 50 Jahre Widerstand: Das Phänomen Asterix, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 6 (2009), H. 1, URL: https://zeithistorische-forschungen.de/1-2009/4506 (Aufgerufen am 25.08.2021).
Fallen euch noch weitere Forschungsfelder ein, für welche die Geschichten von Asterix und Obelix von Bedeutung sein könnten oder kennt ihr interessante Forschungen zu anderen Comics? Falls ja, teilt sie gern in den Kommentaren.
3 Gedanken zu “Asterix als Quelle?”
Ich hab mir noch mehr zu den von dir genannten Studien durchgelesen, finde ich super interessant. Vielen Dank fürs teilen 😀
Sehr gerne! Freut mich, dass es dir gefällt 🙂
Dem kann ich nur zustimmen!
Und denen, deren Interesse für die vielfältigen in den Asterix-Bänden dargestellten Kopfverletzungen geweckt wurde, kann ich die im Rahmen des von Paula erwähnten Forschungsprojekts entstandene Dissertation „Trauma und Traumatologie im Comic“ von Stephanie Katrin Leushacke nur wärmstens empfehlen. Abrufbar unter: https://d-nb.info/1236343034/34