Es sind die Erfahrungen von vier Jugendlichen, welche uns durch deren Erinnerungen überliefert sind. Eine jede Person mit ihrer eigenen Geschichte und doch der Gemeinsamkeit eines gemeinsamen Schicksals – das des Widerstands. Dabei werden den LeserInnen auch Jugendkultur, Arbeitswelt oder die Erfahrung keine Arbeit zu haben (auch das gab es in der DDR) nähergebracht. Auch wenn alle Betroffenen einer Altersgruppe angehören und denselben Wohnort zum Zeitpunkt des Geschehens hatten, geben sie uns dabei ganz unterschiedliche Einblicke und Perspektiven auf das Leben vor, neben und nach dem Widerstand. Tun sie das wirklich? Oder kohärieren nicht gewisse Bereiche wie z.B. Punk oder christliche Gemeinden mit Phänomenen wie „Widerstand“ und prägen somit unsere Dar- und Vorstellung von Widerstand unverhältnismäßig stark? Wo beginnt Widerstand überhaupt und wie stellt man ihn (umfassend) dar?
Um Widerstand zu verstehen bedarf es einer Darstellung des (politisierten) alltäglichen Lebens in der DDR – der Alltagsgeschichte. Von scheinbar banalen Bereichen des Lebens bis hin zu Massenorganisationen und politischen Strukturen des „real existierenden Sozialismus“. Dabei bestand der Alltag aus mehr als Widerstand und dennoch konnte „Widerstand“ und insbesondere seine Konsequenzen den (späteren) Alltag einzelner Personen prägen. Sowie der Widerstand Teil einer Lebensgeschichte war, waren einzelnen Lebensgeschichten Teil des Widerstands. Die Alltagsgeschichte ermöglicht dabei den Zugang zu verschiedensten Formen des Widerstands, indem sie den Rahmen und die Angriffsfläche für den Widerstand bildet. Zugleich reicht es nicht – will man die Facetten des alltäglichen Lebens in der DDR verdeutlichen – den Widerstand einzelner Personen zu skizzieren (ganz abgesehen von einzelnen Phasen und Entwicklungen innerhalb des Systems DDR). Weder für die Alltagsgeschichte einzelner Personen, noch stellvertretend für weite Teile der Bevölkerung oder die Vielfältigkeit des Widerstands.
So liefe man leicht Gefahr „Widerstand“ gleichzusetzen mit seinen häufigsten (uns überlieferten und bekannten) Erscheinungsformen. Aus einem einzelnen Beispiel heraus bildet sich dann oftmals ein wenig reflektierter und gern übernommener Gegensatz. Eben jenen dichotomischen Bildern von „Widerstand“ – z.B. zwischen Staatsdienern in Form von MitarbeiterInnen des MfS und jungen Punks oder Menschen im Umfeld einer Leipziger Gemeinde gegen Ende der 80er Jahre – gilt es kritisch zu begegnen. Nicht weil sich diese Gruppen nicht finden ließen. Sondern weil sie unter vielen Identitäten und Formen jene sind, die uns durch die Betrachtung des Phänomens „Widerstand“ am häufigsten und schärfsten überliefert werden. Während sich HistorikerInnen diesem Verhältnis bewusst sein dürften, gilt dies nicht unbedingt für die BesucherInnen eines Museums oder die (jungen) LeserInnen eines Comics. Ein Blick in populärwissenschaftliche Formate scheint dies zu belegen. Begegnen uns solch verschärfte und neu aufgewärmte Bilder in ihren Extremen nicht auch anhand so mancher TV-Dokumentation? Auf der einen Seite ein greises Honecker-Ehepaar, Erich Mielke oder Markus Wolf. Während auf der anderen Seite ein junger Sebastian Krumbiegel mit zahlreichen weiteren LeipzigerInnen die DDR und schließlich auch die Mauer – wenn auch durch die Hilfe eines Versprechers – zum Einsturz bringt. Ebenso untrennbar wie Schabowskis Fauxpas werden seitdem Leipzig und die Montagsdemonstrationen mit dem Ende der DDR verbunden bis gleichgestellt.
Um so größer scheint hier die Verantwortung und Chance einer Geschichtsvermittlung, welche den Fokus auf eine breitere Darstellung von „Widerstand“ legt. Beispielsweise anhand einer anderen zeitlichen Fokussierung (oftmals wird Widerstand anachronistisch mit den 80er Jahren/ deren Ende verbunden). Eine einfache Reproduktion (wenn auch anhand von Stadt- und Regionalgeschichte vielleicht einfacher ) mittels eines scharfen aber verengten Blicks auf jene Bereiche, welche man schlichtweg eh mit Widerstand in der DDR assoziiert ließe hier eine Chance auf eine umfassendere Perspektiven verstreichen. Mehr noch. Sie verfestigt bestehende Bilder. Was für MuseumsbesucherInnen mit einem generellem Interesse noch eine wertvolle Bereicherung aufgrund der Verbindung zur eigenen Stadt- und Regionalgeschichte darstellen könnte, mag letzte Chance auf ein vielfältiges und neues Bild von Widerstand in der DDR für eher desinteressierte SchülerInnen sein.
Zur Chance werden dann jene Geschichten, Orte und Formen des Widerstands die eine Ausnahme bilden. Sei es durch das Fehlen einer solchen Prominenz oder ein Desiderat der Forschung. Dennoch sollte dabei nicht nur an den bisher unbeachteten Beispielen angesetzt werden. Perspektivwechsel auf bestehende Darstellungen von Widerstand notwendig und lohnenswert erscheinen.
Eben jenen Spagat – zwischen großem Bild und kleinem Ausschnitt, Stadtgeschichte und Staatsgeschichte, Deduktion und Induktion – gilt es zu meistern. Alles andere als einfach.
PS: Anfang war einst der Text „Macht aus dem Staat Gurkensalat“. Wie unschwer zu erkennen ist, wurde aus dem Hölzchen ein Stöckchen, aus dem Stöckchen ein Ast, aus dem Ast ein Baum und aus dem Baum ein Wald, in dem ich mich zusehends verlor. Und vielleicht findet sich dann doch noch der ein oder andere Gedankengang den es zu diskutieren lohnt.