Es ist offensichtlich, dass beide Widerstandsgruppen, mit denen wir uns im Zuge des Blockseminars beschäftigt haben, aus einem diktatorischen System heraus operierten. Doch was ist eigentlich eine Diktatur? Und wie kann man solche Feinheiten, die ein derart aufgebautes politisches System von anderen unterscheidet, wissenschaftlich festhalten?
Die Diktatur grenzt sich oft auch nach außen gegen andersdenkende Staaten ab oder geht sogar mit einem imperialistischen Drang einher.
Ansätze gibt es hierfür viele, ich möchte mich für diesen Blogeintrag mit dem Konzept von Gunter Mai, einem zeitgenössischen Historiker und Politologen, beschäftigen – dieser dröselt die Europäischen Diktaturen aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit Ausnahme des Russischen Sonderweges von 1917, in 3 Gruppen ein:
A) Die konstitutionelle Diktatur – ein gewachsenes, teils sogar halbparlamentarisches System, geführt unter Einbeziehung alter, demokratischer Eliten in Form einer „gelenkten Demokratie“ und ohne vollständige Unterdrückung der politischen Opposition.
B) Die autoritäre Diktatur – eine deutlich verschärfte Variante von Typ A, die sich unter Ausschluss von Anhängern der alten Regierung herausbildet und neue politische Instutitionen formt. Eine Opposition wird nicht länger geduldet und Gewalt zur Unterdrückung dieser in Kauf genommen.
C) Die totalitäre Diktatur – ein Regime mit breiter Massenunterstützung, das neue politische Institutionen schafft und entweder alte Eliten teilweise integriert (vgl. Deutschland, Italien) oder diese völlig und unter Anwendung von Gewalt möglichst vollständig ausschaltet (Sowjetunion).
Dass die NS-Diktatur einwandfrei als eine totalitäre Diktatur einzuordnen ist, steht außer Zweifel. Doch wie sieht es mit der DDR als Teil der Sowjetunion aus? Hierüber wird seit vielen Jahren hitzig debattiert, da sich die SED zwar als einheitliche, totalitäre Massenpartei sieht, aber gleichzeitig die Kirche als Opposition zulässt. Handlungsspielraum für eine freiheitliche, individuelle Jugendkultur oder gar Widerstand boten beide Regimes nicht.
Doch eine abschließende Frage bleibt noch offen: was ist nun eigentlich eine Diktatur? Weit gefasst handelt es sich hierbei um ein politisches System, welches keine politische Beteiligung seiner Bürger zulässt. Allerdings könnte diese Definition auch auf eine traditionelle, nicht-parlamentarische Monarchie passen. Wichtig ist bei der Diktatur zu verstehen, dass die Legislative (Gesetzbildung), die Judikative (die richterliche Gewalt) und die Exekutive (die vollziehende/ausübende Gewalt) auf eine kleine Gruppe von Menschen, meist entweder eine Partei, eine gesellschaftliche Gruppe oder sogar das Militär innerhalb eines Staates, übergehen. Die Diktatur grenzt sich oft auch nach außen gegen andersdenkende Staaten ab oder geht sogar mit einem imperialistischen Drang einher.
Literatur: Mai, Gunther. Europa 1918-1939: Mentalitäten, Lebensweisen, Politik zwischen den Weltkriegen. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 2001. Print.