Kunstwart, Heft 7, S. 66-67, 04.1926.
10_Romantische-und-moderne-Liebe_KWKommentar:
Der Text Hugo Fischers (1897-1975) konstatiert eine fundamentale Veränderung in der „Kultur der Liebe” seit der Romantik. Dabei scheint er für heutige Verständnisse zwei unvereinbare Ideen miteinander zu verbinden. So formuliert er aufklärerisch und emanzipatorisch anmutende Narrative, wie die Befreiung von Despotismus, „fremden Mächte, theologischen, politisch-ethischen Dogmen, philosophischen Theorien und dergleichen“ sowie eine vermeintlich vollständige Gleichstellung der Frau, neben völkischen Ideen der „Reinheit“, „Ursprünglichkeit“ und im Besonderen der Vision einer „Volksgemeinschaft“. Spätestens im Nationalsozialismus avancierte der Begriff der „Volksgemeinschaft“ zu einer zentralen Idee beziehungsweise zu einem Alternativmodell zur Gesellschaft.
Dabei bezieht Fischer sich auf die Texte der Psychiater und Philosophen Karl Jaspers (1883-1969) und Eduard Sprangers (1882-1963). Bei letzterem, dem völkisch-konservativen Spranger, findet sich in der erwähnten Publikation „Psychologie der Jugendzeit“ eine ähnlich starke Betonung der „Polarität der Geschlechter“ zum Zwecke der Volksgemeinschaft.