RSS-Feed abonnieren

Passwort vergessen?

v Anmelden

16. Jun 2016

Das Geld in der modernen Cultur

Verfasst von

In seinem Aufsatz „Das Geld und die moderne Cultur“ von 1896 untersucht Georg Simmel das Verhältnis von Persönlichkeit und Besitz. Dabei stellt er auch dar wie sich Persönlichkeit und Besitz in frühen Zeiten zueinander verhielten. Allerdings geht es ihm, wie der Titel schon vermuten lässt, hauptsächlich um den Einflusses des Geldes auf das Verhältnis von Persönlichkeit und Besitz, sowie die Folgen für die moderne Gesellschaft und die in ihr lebenden Menschen.

Die Schlussfolgerungen die Simmel aus seinen Beobachtungen macht, wirken dabei auf mich sehr aktuell und plausibel. Beim ersten Lesen schien es so, als ob der Text eine rein negative Kritik an den Entwicklungen sei, die mit der Ausbildung der Geldwirtschaft einhergehen. Diese Annahme musste ich allerdings spätestens nach dem zweiten Lesen wieder revidieren. Zwar enthält der Aufsatz viele kritische Anmerkungen zur Geldwirtschaft, aber es sind ebenso viele Passagen dabei die auf die positiven Folgen verweisen oder negative Kritik relativieren. Im Grunde bin ich der Auffassung das der Text ein rein deskriptive Bestandsaufnahme ist und kein endgültiges Urteil über positive oder negative Entwicklungen liefern möchte. Das passt auch zu der Einordnung des Textes als Vorarbeit zu Simmels Hauptwerk „Die Philosophie des Geldes“, auf den 18 Seiten des Aufsatzes macht er so viele Beobachtungen und Andeutungen, die alle eine tiefer gehende Untersuchung verlangen, dass ich mir gut vorstellen kann, dass er genau dies in der Philosophie des Geldes tut.
Wie erwähnt überwogen bei mir die negativen Beobachtungen die Simmel beschreibt, was vermutlich daran liegt das ich genau mit dieser Intention an die Lektüre heranging und so beim ersten Lesen vor allem das wahrnahm, was ich erwartet habe. Ich denke das man den Text sowohl positiv für wie auch negativ gegen die Geldwirtschaft interpretieren und instrumentalisieren kann. Im folgenden werde ich kurz den für mich interessantes Argumentationsschritt darstellen, welcher die Geldwirtschaft in keinem positiven Licht erscheinen lässt.

[D]as Bedenkliche einer auf Geld gestellten Cultur[…]:“

Simmel kritisiert nicht das Geld an sich, sondern den hohen Stellenwert, den das Geld in der Gesellschaft habe, wie hoch Simmel den Wert verortet, wird bei der Formulierung, „daß das Geld der Gott unsere Zeit wäre“, deutlich. Das gefährliche sieht Simmel darin, dass das Geld ein Äquivalent für alles wird, obwohl es Werte gibt, die nicht in Geld ausdrückbar seien. Dies führe auch zu der „Unruhe und Unbefriedigtheit“ der Menschen die in einer solchen Kultur leben. Da jeder nur noch immer mehr haben will, die Quantität also wichtiger wird als die Qualität, obwohl die eigentlichen Bedürfnisse durch das Immermehrhabenwollen gar nicht befriedigt werden können. Das Geld ist also allumfassen,

“weil es ein Aequivalent für All und Jedes ist; nur das Individeulle ist vornehm, was Vielem Gleich ist, ist dem Niedrigsten unter diesem gleich und zieht deshalb auch das Höchste zu diesem Herab.“

Es sei nur sehr selten der Fall, dass das Niedrigste zum Höchsten hinaufsteigt. Und dazu muss ich bemerken, selbst wenn dies der Fall ist, ist auch dies keine positive Entwicklung ist, da auch dann das Höchste wieder dem Niedrigsten gleich und alles einheitlich und uniform ist und es kein Gut und schlecht gibt sondern nur viel und wenig.

Über Malte Hirschbach

3 Kommentare

  1. Hendrik Lobe sagt:

    Dein Eindruck, dass Simmel rein deskriptiv schreibt ohne Werturteile zu fällen findet sich auch als Kritikpunkt im Text von Jürgen Habermas, den ich las. Meiner Meinung nach sichert grade diese Wertfreiheit die Aktualität der Simmel’schen Aussagen.

    Der Punkt, das nur das nur das individuelle Angenehm sei, klingt für mich nach dem Streben nach Distinktion, einem Hauptthema der Arbeiten Pierre Bourdieus.

  2. Stefanie Middendorf sagt:

    Autoren des 20. Jahrhunderts haben diese von Ihnen beobachtete ambivalente Unentschiedenheit zwischen „positiv“ und „negativ“ dann als zentrales Problem der Moderne gedeutet. Dies gilt z.B. für Zygmunt Bauman, der aus einer solchen Perspektive die Shoah als Resultat eines brutalen Kampfes gegen Ambivalenz interpretiert hat. Simmels Haltung wäre dann nicht wertfrei oder deskriptiv, sondern eine dezidiert „andere“ Position – mit dem Ziel, die Ambivalenz der Moderne auszuhalten.

    Hier klingt auch die Frage nach der „Postmoderne“ und damit nach der neuerlichen Ungewissheit als Kennzeichen unserer eigenen Gegenwart an.

    Literaturhinweis:
    Zygmunt Bauman, Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit, Hamburg 1992, dort S. 227:

    „Simmel wurde eine gewisse Bruchstückhaftigkeit seiner Analysen vorgeworfen. Er näherte sich der gesellschaftlichen Wirklichkeit mal aus der einen Perspektive, dann aus einer anderen, wobei er sich jedesmal auf gerade ein soziales Phänomen, einen Typus oder Prozeß konzentrierte. Durch diese Praxis entstand die Realität in Simmels Schriften aus Splittern und Informationskrümeln; weit entfernt von den vollständigen, allumfassenden, harmonischen und systematischen Modellen der ‚Gesellschaftsordnung‘ oder ‚Gesellschaftsstruktur‘, die von anderen Soziologen vorgelegt und von den Sozialwissenschaften seiner Zeit als de rigeur [sic] angesehen wurden. Die Realität verzettelte sich sozusagen unter Simmels Händen; sie fiel auseinander und sträubte sich, durch den vereinheitlichenden Einfluß der Kirche, des Staates oder des Volksgeistes wieder zusammengeklebt zu werden. Dies regte so manchen von Simmels Lesern auf […]. Heute sehen wir, daß gerade die Bruchstückhaftigkeit von Simmels Analysen dazu geeignet war, die condition humaine zu erfassen, die Simmel, im Gegensatz zu seinen Kollegen, hinter der Fassade der totalisierenden Ambitionen der bestehenden Mächte spürte; hinter derselben sozialen Realität, die heute aus den Trümmern der gescheiterten technologischen Träume in all ihrer zersplitterten, fragmentarischen, episodischen Wahrheit zum Vorschein kommt – und als solche erkannt worden ist. Man kann sagen, daß Simmel die imaginierte Totalität zu einer Zeit ihres Trugs überführte, als die meisten seiner Zeitgenossen noch ihr Loblied sangen. Daß er aus der alles verschlingenden Ordnung, die von der ‚höchsten Realität‘ des Staates gefördert wurde, herausgedrängt worden war, hat gewiß Simmels Blick geschärft; es half ihm frühzeitig zu sehen, was die anderen erst später herausfinden sollten.“

  3. Malte Hirschbach sagt:

    Nachdem mir beim Lesen des Textes und dem zitierten Geld-Gottvergleich schon der Gedanke an die Southparkfolge „Margaritaville“ vom 25.3.2009 kam, habe ich mir diese gestern angeschaut. Es ist bemerkenswert, wie dort dieser Vergleich, der auch von Hankel übernommen wird, wenn er Bibelvergleich wie „vom Baume der Gelderkenntnis gegessen“ macht, in der Folge nicht nur quantitativ auf Spitze getrieben wird.
    Auch so ist die Folge sehr sehenswert und nimmt auf eine amüsante, satirische aber auch lehrreiche Weise die heutige Geldwirtschaft und die Finanzkrise auf den Arm.
    http://www.southpark.de/alle-episoden/s13e03-margaritaville

Kommentieren


Letzte Kommentare