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20. Jun 2016

Goldmünzen und Kreditkarte: Geschichte des Geldes

Verfasst von

… So der Titel des 5. Kapitels von Jan-Otmar Hesses Monographie zur „Wirtschaftsgeschichte – Entstehung und Wandel der modernen Gesellschaft“. Das 2013 erschienene Buch gehört zur Reihe der „Historischen Einführungen“ und richtet sich vor allem an Studierende. Entsprechend ist die Lesart des Textes. Hesse, der zur Zeit Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Bayreuth ist, betrachtet in diesem Kapitel die Erscheinungsformen von Geld im Zusammenhang mit der fortschreitenden Institutionalisierung desselben. Außerdem gibt er einen Überblick über die Methode der Preisbereinigung, die häufig zur wirtschaftshistorischen Datenanalyse angewandt wird.

Dafür widmet er sich in einem ersten Abschnitt den historischen Erscheinungsformen des Geldes. Dabei unterscheidet er in drei Systeme: Münzgeld, Papiergeld und Giral- bzw. Buchgeld. Knapp, aber durchaus mit anschaulichen Beispielen unterlegt, beschreibt er die Charakteristika der einzelnen Sytsteme. Münzgeld existiert schon sehr lange und richtet seinen Wert zumeist nach dem aktuellen Wert des Metalles aus dem es besteht. Das zieht die Nachteile mit sich, dass bei größeren Summen viel Gewicht zustande kommen kann, die Händler zugleich auch Experten für Umrechnungsprozesse der einzelnen Maß- und Gewichtssysteme sein müssen und die Edelmetalle Preisschwankungen unterliegen, die nicht so einfach durch umprägen der Münze abgebildet werden konnten. Um das zu umgehen kamen bereits im Spätmittelalter Wechsel im Fernhandel auf. Diese sind einer der gedanklichen Vorläufer des Papiergeldsystems. Auch wurden ab dem 17. Jahrhundert häufig Bankquittungen im Handel weitergereicht, um kein sperriges Edelmetall aus seinem sicheren Tresor entfernen zu müssen. Das „Geld“ konnte so an Ort und Stelle verwahrt bleiben, nur die Quittung – und damit der Besitzer – wechselten. Allerdings setzte sich das Papiergeld erst im 19. Jh. im Zuge der Vereinheitlichung von Währungen endgültig durch. Dabei behielten die Banken aber den Gegenwert des ausgegebenen Geldes als „Vertrauensschatz“ zurück – Eine Regelung die auch von staatlicher Seite garantiert wurde und dazu diente, dass Vertrauen in die Währung zu stärken. Da immer mehr Menschen ihr Geld nicht in Bar selbst verwalteten, sondern Bankeinlagen tätigten, entwickelte sich das Giral- bzw. Buchgeld – Eine virtuelle Geldform, die aussagt wieviel ein Bankkunde in Münz- oder Papiergeld abheben könnte. Inzwischen ist auch dieser Zwischenschritt nicht mehr nötig, da über verschiedene Giroverfahren das virtuelle Geld auf ein anderes virtuelles Gelddepot überwiesen werden kann. Dies sorgte vor allem für eine Beschleunigung des Geldumlaufes. Hesse stellt bei seinen Betrachtungen besonders heraus, wie wichtig die Institutionalisierung des Geldes dabei sei und dass sich diese vom Münzgeld bis zum Girogeld hin immer weiter verstärkte. Leider bringt er für diese Behauptung keine Beispiele an. Mir fällt es daher schwer wirklich nachvollziehen zu können, dass für ein Girosystem eine stärkere Reglementierung durch Institutionen (wie den Staat z.B.) notwendig ist, als für einen Fernhandelswechsel des Spätmittelalters. Immerhin muss bei beidem einerseits Vertrauen in die Geldform selbst und in ihre Akzeptanz bei anderen bestehen, da beide eigentlich virtuell eine Summe Geld abbilden die nicht Bar vorliegt. Denkbar wäre doch auch, dass eine zunehmende Institutionalisierung eher mit der Entwicklung von Staaten und Banksystemen als solches zusammenhängt, nicht aber zwangläufig notwendig für die Geldform ist.

Dieser Frage widmet er sich noch einmal verstärkt im darauffolgenden Abschnitt über die Entstehung des Geldes. Spitze der Institutuonalisierung seien dabei die Zentralbanken, die in Form von Krediten die Geschäftsbanken stützen, die wiederum die Kunden bedienen. Durch Auswahl der Kreditvergaben können die Zentralbanken so die  Verwendung und das Mengenwachstum von Geld reglementieren um die Währungen stabil zu halten und Krisen zu vermeiden.

Dennoch ist eine absolute Geldwertstabilität nicht erreichbar, sondern es ist zumeist ein stetiger, aber moderater Wertverlust zu verzeichnen. Dieser steht im Zusammenhang mit der Güterproduktion und der Ausweitung der Geldgesamtmenge. Dies misst die Inflationsrate. Ein Wirtschaftshistoriker muss das bei der Auswertung von seinen Daten berücksichtigen. Um den realen Geldwert zu einer bestimmten Zeit berechnen zu können, wird zumeist eine Methode der Preisbereinigung angewendet, die die Versorgung der Menschen eines ausgewählten Gebietes mit Gütern und Dienstleistungen aufzeigt. Allerdings erfolgt die Zusammenstellung eines solchen Warenkorbes aus Statistiken über Konsumverhalten und ist daher nicht Verzerrungsfrei. Statistiken würden das Konsumverhalten zu einer bestimmten Zeit „einfrieren“ – 1 Jahr oder ein paar Monate später, könnte das Verhalten ja bereits völlig anders sein und somit ein falscher Maßstab angelegt werden. Um kurze Zeiträume der Moderne miteinander zu vergleichen ist sie aber nach Hesse gut geeignet; bei längere Zeitperioden, die weiter in der Vergangenheit liegen wird die Methode aber immer ungenauer. Er schließt mit der Empfehlung daher eher die Entwicklung von Relationen (wie Wachstumsraten, Verteilungsraten und Preisrelationen) zu betrachten, als bereinigte (und so verzerrte) Preise miteinander zu vergleichen.

 

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3 Kommentare

  1. Malte Hirschbach sagt:

    Nachdem ich mir den Text vorgestern durchgelesen habe, wusste ich nicht genau was ich von ihm denken soll und habe ihm im Grunde nur als Information zur Geschichte des Geldes abgespeichert. Nachdem ich dann letzte Nacht die Berichterstattung um den „Brexit“ verfolgt habe, kam mir die Leitfrage der Hesse in dem Kapitel nachgeht, wieder in den Kopf: Wie die Veränderungen der Geldform die Wirtschaft beeinflussen?
    Simmel geht in dem Aufsatz „Das Geld in der modernen Cultur“ noch einen Schritt weiter und fragt nach dem Einfluss der „Geldwirthschaft“ auf die Gesellschaft.
    Um diesen Einfluss in der heutigen Zeit zu untersuchen, scheinen mir die Debatten und Kampagnen rund um den „Brexit“ sowie die Berichterstattungen über die Abstimmung der letzten Nacht als ideales Untersuchungsfeld um der Frage nachzugehen, wie Geldwirtschaft, Politik und Gesellschaft sich gegenseitig beeinflussen.
    So haben die Brexitgegner in ihren Kampagnen unter anderem damit argumentiert, dass ein Austritt die komplette Wirtschaft und vor allem die Geldwirtschaft existentiell gefährden wird. Außerdem wurde letzte Nacht gezeigt, wie schnell die Börsen immer wieder auf Hochrechnungen und Abstimmungsergebnissen in den noch so kleinsten Wahlbezirken reagieren. Von diesen Beispielen gibt es eine ganze Menge, besonders spannend fand ich dabei die Wortwahl der Politiker und Journalisten.
    Aufgrund dieser enormen Bedeutung des Geldes und der Geldwirtschaft, die für mich(uns?) zwar unverständlich aber dennoch selbstverständlich ist, ist die Geschichte des Geldes über die Hesse hier einen schönen Überblick gibt, sehr interessant, um zu sehen, wie frühere Formen des Geldes funktionieren.

  2. Isabel Kampe sagt:

    Der Text Hesses schien mir auch als geschichtlicher Überblick des Geldsystems zu fungieren, wobei mich der eingeschränkt europäische Blickwinkel schon beim Lesen störte. Der Verweis auf das chinesische Papiergeld (S. 149) ist unzureichend, denn ein Geldsystem, welches knapp 1000 Jahre eher entstand, kann nicht in einem Halbsatz abgetan werden. Ein weiterer Kritikpunkt ist bei der unzureichenden Einbeziehung des Zins- und Zinseszinseffekts zu erwähnen, da sich dadurch Auswirkungen auf das Verhalten des Großkapitals über nur wenige Generationen deutlich aufzeigen lassen. Andreas Eschbach verdeutlicht in seinem Buch „Eine Billion Dollar“ anhand von einschlägigen Jahreszahlen und Vermögensständen, welchen dramatischen Einfluss Zinsen im marktwirtschaftlich kapitalistischen System haben.

    • Stefanie Middendorf sagt:

      Simmel spricht in seinem Buch an verschiedenen Stellen über den Zins, z.B. hier:

      „Der äußerste Grad des Befreiungsprozesses wird durch eine Entwicklung innerhalb der Geldabgabe selbst erreicht: indem statt des periodischen Zinses eine einmalige Kapitalzahlung erfolgt. Wenngleich der objektive Wert in beiden Formen der identische sein mag, so ist doch der Reflex auf das Subjekt ein ganz verschiedener. Die einzelne Zinszahlung läßt zwar […] dem Pflichtigen völlige Freiheit in Bezug auf das eigene Tun, wenn er nur das erforderliche Geld erwirbt; allein die Regelmäßigkeit der Abgaben zwingt dieses Tun in ein bestimmtes, ihm von einer fremden Macht aufgedrungenes Schema, und so wird denn erst mit der Kapitalisierung der Abgaben diejenige Form jeglicher Verpflichtungen erreicht, die zugleich der größten persönlichen Freiheit entspricht. Erst mit der Kapitalzahlung ist die Verpflichtung restlos in Geldleistung übergegangen, während die Zinszahlung durch ihre regelmäßige Periodizität noch ein wenigstens formelles Element von Gebundenheit über das bloße Wertquantum hinaus enthält.“ (Philosophie des Geldes, S. 380)

      Er betont also die bindende Wirkung von Zinsen auf interpersonale Verhältnisse und auf die Freiheit der Persönlichkeit. Unter Kapitalzahlung versteht er z.B. den Erwerb bestimmter parlamentarischer Rechte unter königlicher Herrschaft.

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