Persönliche Eindrücke von der Gedenkstätte „Andreasstraße“
von Franz und Paula
Im Beitrag “Kirchen, Knast und Krämerbrücke” haben wir allgemein über den Ablauf unseres Tagesausflugs nach Erfurt berichtet. Etwas kurz gekommen sind dabei unsere persönlichen Eindrücke von der “Andreasstraße”. Diese wollen wir euch nun schildern. Den Anfang macht Franz.
Vom Ganzen und seinen Teilen – Franz
Neben der Nutzung des Gebäudes in der Deutschen Demokratischen Republik beinhaltet die Gedenkstätte (im Keller des Gebäudes) auch die Auseinandersetzung mit dem Widerstand in der NS-Zeit. Hier begannen wir, wie im Reisebericht geschildert, unseren eigenen Rundgang. Obschon – oder gerade weil – der Raum mit zahlreichen Ausschnitten aus unterschiedlichsten Biografien (u.a. der Karl Metzners) interessant gestaltet war, bedauerte ich seinen verhältnismäßig geringen Umfang. Dass hierbei einige Biografien sowohl von NS-Zeit als auch durch die DDR in ganz unterschiedlichen Weisen geprägt waren, empfand ich als durchaus wertvoll und als praktischen Übergang zwischen Keller und den oberen Etagen. Umso bedauernswerter mag es sein, dass der Keller nicht Teil der Führung war und wohl dem/der ein oder andere*n Besucher*in aufgrund seiner Lage verborgen bleibt.
Ebenso verborgen mag so manchem Gast bleiben, dass das Gebäude in der Andreasstraße nicht erst seit 1933 oder gar 1949 als Gefängnis diente. Auch wenn im Eingangsbereich der Andreasstraße Tafeln darauf hinweisen, dass seit 1878 an dieser Stelle ein Gefängnis bestand, finden sich innerhalb des Museums nur marginal Hinweise darauf. Dabei stellt der Zeitraum zwischen 1878 und den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts keinen unerheblichen Anteil dar.
Entgegen jeglicher Chronologie folgten wir den Etagen, sodass wir im Bereich der “Revolution” auf unterschiedlichste Formate und Geschichten des Widerstandes in der Spätzeit der DDR stießen. Den regionalen Fokus auf Erfurt und Thüringen empfand ich als durchaus erfrischend, da man so neue Erzählungen vom Widerstand erfahren konnte. Selbige ausführliche Behandlung des regionalen Widerstands lässt aber zugleich den Eindruck aufkommen, dass es sich bei diesem (und Widerstand in der DDR generell) um das entscheidende Element handelte, welches zum Niedergang der DDR führte. Die Darstellung struktureller Probleme und wirtschaftlicher Krisen (nicht erst seit Ende der 80er-Jahre) suchte man hier vergebens. Was durchaus verwunderlich anmuten mag, begegneten wir im Bereich der “Diktatur” doch einer ausführlichen Behandlung des Staates DDR.
Zahlreich waren hier die Räume und Themen. Wenn auch deutlich allgemeiner gehalten und weniger auf Thüringen oder gar Erfurt fokussiert, gab uns dieser Komplex einen (wenn auch in Teilen schon bekannten) Überblick über die staatliche Durchdringung der Lebenswelt DDR. Die Aufbereitung einzelner ideologischer Aspekte (bspw. “Thälmann-Mythos” oder die Verehrung von Feliks Dzierzynski) und die Darstellung technischer Möglichkeiten und Anwendungen der Überwachungsmaßnahmen kontrastierten den späteren Besuch der Haftetage.
Der “Diktatur”-Komplex verdeutlicht weiterhin, dass die Schwelle für Verhalten, welches zur “Klärung eines Sachverhaltes” und den damit verbundenen Maßnahmen führen konnte, recht niedrig war. Zugleich zeigt er, wie tief und umfassend die Überwachung in viele Lebensbereichen war. Auch wenn nicht jedes nonkonforme oder gar widerständige Verhalten registriert wurde, konnte und musste man doch davon ausgehen, dass dies möglich war. Etwa durch Abhörmaßnahmen, Observationen der eigenen Wohnung oder die Platzierung von “Inoffiziellen Mitarbeitern” (IMs) im Umfeld der zu überwachenden Personen.
Daran anknüpfend widmeten wir uns dem Haftbereich. Mit dem (aufgefrischten) Vorwissen um die nahezu banal anmutenden Gründe für Ingewahrsamnahmen, wirkte dieser nochmals deutlich beklemmender. Die weitestgehend im “Originalzustand” belassenen Räume und Zellen – in denen sich ein feuchter und muffiger Geruch niederschlug –, der beengte Gang und die Schilderungen über den Gefängnisalltag aus einigen Biografien hinterließen bei mir einen bleibenden Eindruck. Unweigerlich stellt man sich selbst die Frage, wie man unter diesen Bedingungen sowohl außerhalb als auch innerhalb des Gefängnisses gehandelt hätte. Am deutlichsten wirkte auf mich jedoch die Isolationszelle. Von diesem prägenden Eindruck könnt ihr auch im Beitrag “Der Klang der Zelle…” lesen.
Die Eindrücklichkeit des Unrechts – von Paula
Das Herzstück der Gedenkstätte „Andreasstraße“ stellt zweifellos die Haftetage dar. Und tatsächlich hat mich diese auch am meisten beeindruckt. Allein, die Atmosphäre des Ortes zu erleben, vom Alltag der Häftlinge und den so banal wirkenden Gründen für deren Inhaftierung zu erfahren, war für mich sehr eindrücklich. Es verdeutlichte mir noch einmal, was für ein unglaubliches Unrecht in der DDR stattfand: Der Großteil der Menschen, die in der Andreasstraße einsaßen, tat dies aus politischen Gründen (einer hatte z.B. ein Marmeladenbrot nach einem Bild von Walter Ulbricht geworfen, ein anderer ein Transparent mit der Aufschrift „Ich fordere das Menschenrecht auf freie Ausreise!“ hochgehalten). Sie waren während ihres Aufenthaltes in der „Andreasstraße“ noch nicht verurteilt, sondern wurden lediglich unter dem Vorwand der „Klärung eines Sachverhaltes“ festgehalten. Durch die schlechte Behandlung sollten sie dazu gebracht werden, zu gestehen, was auch immer ihnen vorgeworfen wurde. Erst danach konnten sie offiziell verurteilt werden. Die darin liegende Absurdität liegt auf der Hand.
Auch die Beschreibungen des Gefängnisalltags fand ich sehr erschütternd. Vieles wusste ich zwar noch aus dem Onlineworkshop, doch einige Details hatte ich offenbar überhört oder verdrängt. Dies zeigt sich auch bei der Illustration von einer Gefängniszelle, die ich vor einigen Wochen für meinen Beitrag „War nun Glas im Essen oder nicht?“ angefertigt hatte. Sie orientierte sich an meinen Erinnerungen an eine Zelle, in der heute eine Infotafel steht. Rechts in der Zeichnung ist eine Pritsche angedeutet und auch in meiner Vorstellung war diese Zelle für eine Person gedacht. Beim Besuch der „Andreasstraße“ erfuhr ich jedoch, dass in Wirklichkeit drei Doppelstockbetten in ihr gestanden hatten, in denen die Insassen lediglich nachts mit über der Bettdecke gefalteten Händen liegen durften. Am Tag mussten sie sich stehend oder sitzend in dem kleinen Bereich des Zimmers aufhalten, der nicht mit Betten belegt war… Dieses Beispiel zeigt mal wieder, wie unzuverlässig Erinnerungen sind.
Die anderen Etagen der Gedenkstätte haben mich, bis auf die lokalen Beispiele und Zeitzeug*innenberichte, ehrlich gesagt weniger interessiert. Soweit ich mitbekommen habe, vermitteln sie hauptsächlich allgemeineres Wissen, das für mich kaum neu war. Für Leute, die sich noch kaum mit der DDR auskennen, bieten sie jedoch zweifellos einen guten Einstieg. Besonders positiv ist mir in der „Andreasstraße“ aufgefallen, dass die Ausstellungen einen sehr visuellen Fokus haben. Dies zeigen beispielsweise der Kubus im Außenbereich und der Comicraum. Selbst die Farbgestaltung der Wände ist meist gut überlegt und vermittelt bestimmte Bedeutungen. Insgesamt finde ich, hat sich der Besuch durchaus gelohnt.