Wozu braucht man Latein?
Wer sich die Frage stellt, wozu er eigentlich Latein oder Klassische Philologie studieren sollte, hat sich wohl bereits wenigstens eine Antwort darauf selbst gegeben: aus Interesse. Neben den üblichen und wichtigen Gründen, die häufig dafür ins Felde geführt werden, Latein zu lernen und zu studieren (Latein als Mutter vieler Sprachen, gute Berufsaussichten als Lehrer), sollte doch stets das Interesse als Grund für ein Studium eine wichtige Rolle spielen. Denn sowohl zum Lernen als auch zum Lehren ist Spaß am Thema unabdingbar.
Auch wenn vielen Studienanfängern die lateinische Sprache selbst schon einen Anreiz bietet, so darf man doch nicht vergessen, dass im Lateinstudium stets die gelesenen Texte und deren Inhalte im Vordergrund stehen. Die Gattungen und Themen dieser Texte wiederum sind nahezu unerschöpflich, sodass hier eine Vielzahl von Interessenschwerpunkten abgedeckt wird. Die lateinische Literatur bietet uns epische, lyrische oder elegische Dichtung, Komödien, Tragödien, Satiren, politische und juristische Reden, historische Werke oder sogar Fachliteratur.
Dabei sind den meisten natürlich Caesar und Cicero bekannt, die (militär)geschichtliche, juristische, rhetorische und philosophische Themen behandeln, sicherlich auch Augustin mit seinen theologischen Schriften, wenige dagegen wissen, dass die lateinische Literatur auch Bereiche Astronomie (Manilius), Medizin (Celsus), Architektur (Vitruv), Landwirtschaft (Cato) uvm. abdeckt.
So vielfältig die Themengebiete, so vielfältig sind auch die Kommilitonen und Dozenten in ihrer Motivation, sich mit Latein zu beschäftigen: Die einen sind eher an der Sprache und ihrer Geschichte, die anderen eher an Literatur- und Theaterwissenschaft, an Geschichte, an Kultur, an der Text- oder Wissenschaftsgeschichte interessiert. Wer sich nun auch noch das Fortwirken all dieser Gattungen, Themen und Forschungsschwerpunkte bis ins Jetzt vorstellt, bekommt einen Eindruck davon, wie abwechslungsreich die Beschäftigung mit dem Lateinischen und seiner Literatur sein kann.
Daraus ergeben sich natürlich auch eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Fächern im Lehramtsstudium oder im Zweifachbachelor, so dass etwa der Lateinstudent im Theologiestudium seinen Kommilitonen darin voraus ist, dass er die alten Texte wie Augustin leichter im Original studieren kann. Denn wer glaubt, dass Übersetzungen genügen, der weiß nicht, wie viele Schritte der Analyse und Interpretation man damit in fremde Hände legt: Diese müssen einer Übersetzung nämlich stets vorangehen – in Prosa wie in Dichtung.
Wie wir sehen, sind die Gründe für ein Lateinstudium individuell: Manch einem genügt der Selbstzweck, andere möchten sich dadurch neue Möglichkeiten eröffnen. Wichtig bleibt in jedem Fall eine Bereitschaft zum Lernen und Lehren.