Wege zur Professur

Wie kann ich unabhängig forschen? Eine Möglichkeit ist die Professur – sie kann sich auf den Grundsatz von Freiheit in Forschung und Lehre berufen. Aber wie kommt man dorthin?

Nach der Promotion beginnt in der Wissenschaft die sogenannte frühe Postdoc-Phase, auch Orientierungsphase genannt (in der Regel insgesamt 2 Jahre, entspricht dem Recognised Researcher (R2) gemäß Framework for Research Careers). Eine kritische Zeit, die gut genutzt werden sollte, um zu entscheiden, ob man den Weg zur Professur beschreiten möchte. Wenn ja, kann man im Rahmen der anschließenden Profilierungsphase (in der Regel weitere 4-8 Jahre) aus verschiedenen Richtungen kommend den Weg zur Lebenszeitprofessur begehen: Habilitation, Nachwuchsgruppenleitung, Juniorprofessur (= Established Researcher (R3)). Aber was unterscheidet diese und was ist an der MLU möglich? Welche Aufgaben hat eine Lebenszeitprofessur und welche Qualifikationen benötigt man?

Junior- und Tenure-Track-Professuren

Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg möchte hoch motivierte, engagierte und fachlich hervorragende Wissenschaftler*innen der frühen Karrierephase ansprechen und als Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren gewinnen.

Verfahren werden daher professionell begleitet und folgen hohen Qualitätsstandards für eine faire Auswahl und Evaluation sowie einen wertschätzenden Umgang mit allen Akteuren (siehe Grafik).

Juniorprofessuren

Die Juniorprofessur (W1) adressiert junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sehr bald nach der Promotion die Möglichkeit haben sollen, selbstständig zu forschen und zu lehren und sich für eine reguläre Professur weiter zu qualifizieren. Mit Blick auf den Charakter von Juniorprofessuren legt das Hochschulgesetz (§ 40 HSG LSA) als Einstellungsvoraussetzung fest, dass eine Vorbeschäftigungszeit von der letzten Prüfungsleistung der Promotion (mündliche Prüfung) bis zur Bewerbung in der Regel sechs Jahre nicht überschreiten darf.

Bei der Juniorprofessur handelt es sich um eine befristete Qualifizierungsstelle. Als Beamte auf Zeit werden Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren für 3 Jahre ernannt mit der Option auf Verlängerung um weitere drei Jahre bei positiver Zwischenevaluation; anderenfalls kann das Beamtenverhältnis mit Zustimmung der Juniorprofessorin / des Juniorprofessors um bis zu einem Jahr verlängert werden. Bei einer Juniorprofessur mit Tenure-Track (s. u.) erfolgt vor Ablauf des sechsten Jahres eine Tenure-Evaluation mit dem Anspruch auf Übernahme einer Lebenszeitprofessur an der MLU (in der Regel W2).

Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren gehören zur Statusgruppe der Professorinnen und Professoren und sind wie diese in Forschung, Lehre, Betreuung von Qualifikationsarbeiten, Gremienarbeit, gutachterlichen Tätigkeiten u. a. aktiv und in der jeweiligen Fakultät eingebunden. Aktivitäten müssen angemessen für eine Qualifizierungsprofessur sein; Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren an der MLU haben ein verringertes Lehrdeputat mit 4 SWS bis zur Zwischenevaluation und 6 SWS bis zum Ende der Laufzeit.

Die rechtlichen Regelungen zur Juniorprofessur sind im Landeshochschulgesetz Sachsen-Anhalts, ergänzende Regelungen in der Berufungsordnung sowie der Evaluationsordnung für Juniorprofessuren an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu finden.

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Aktuelle MLU Juniorprofessor*innen

Alumni

Tenure Track und Evaluationsverfahren

Ein Tenure Track liegt vor, wenn bei der Besetzung einer Juniorprofessur die verbindliche Zusage erteilt wird, dass im Falle einer positiven Tenure-Evaluation ein Berufungsverfahren unter Ausschreibungsverzicht (gemäß § 36 Abs. 2 HSG LSA) auf eine unbefristete Professur (in der Regel W2) erfolgt. Nach positiver Tenure-Evaluation besteht ein Anspruch auf Übernahme einer Lebenszeitprofessur an der MLU. Im Interesse der Nachwuchsförderung an der MLU erfolgt die Ausschreibung einer Juniorprofessur in der Regel mit Tenure Track (sog. Tenure-Track-Professur).

Juniorprofessuren mit Tenure Track bringen besondere Anforderungen an das Auswahlverfahren mit sich. Es ist eine Prognose zu einem frühen Zeitpunkt der wissenschaftlichen Laufbahn vorzunehmen und die Entwicklungsfähigkeit von Bewerberinnen und Bewerbern einzuschätzen. Bereits mit der Berufung werden verbindliche Kriterien für die Tenure-Evaluation vereinbart. Die Übernahme auf die Lebenszeitprofessur erfolgt in einem „qualitätsgesicherten Evaluationsverfahren“. Die Evaluationskriterien daher im Blick zu behalten und aktiv auf ihre Erreichung hinzuarbeiten, ist eine wichtige Aufgabe einer Juniorprofessur mit Tenure Track.

Drei Jahre nach Antritt einer Juniorprofessur mit oder ohne Tenure Track ist eine Zwischenevaluation durchzuführen. Das Verfahren beginnt 8 Monate vor Ablauf der 3-Jahresfrist. Mit der Zwischenevaluation wird festgestellt, ob die Juniorprofessorin bzw. der Juniorprofessor sich als Hochschullehrer*in bewährt hat und die bei der Berufung auf die Juniorprofessur definierten Leistungen erbracht wurden. 12 Monate vor Ablauf der 6-Jahresfrist erfolgt bei Tenure-Track-Professuren die Tenure-Evaluation. Sie dient der abschließenden Feststellung, ob der Juniorprofessorin bzw. dem Juniorprofessor unter Einlösung des Tenure Tracks eine unbefristete Professur an der MLU übertragen werden soll.

Begleitstrukturen wie Mentorat und jährliche Statusgespräche mit der Dekanin oder dem Dekan sollen der Beratung, Förderung und Reflektion über die bisherigen Leistungen und Fortschritte gemäß der vereinbarten Kriterien dienen und dabei helfen, noch nicht ausgeschöpfte Potenziale zu identifizieren.

Regelungen zu Evaluationsverfahren an der MLU sind in der Evaluationsordnung für Juniorprofessuren an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu finden.

Nachwuchsgruppenleitung

Die Nachwuchsgruppenleitung forscht selbständig und leitet eine eigene Forschungsgruppe. Sie hat Personalverantwortung, Budgetverantwortung sowie die notwendige Grundausstattung bzw. Zugang zu Infrastruktur und Ressourcen. Nachwuchsgruppenleiter*innen werden in einem wettbewerblichen Verfahren ausgewählt und qualifizieren sich mittels der Erbringung habilitationsäquivalenter Leistungen für wissenschaftliche Leitungspositionen, vor allen Dingen für die Professur.

Nachwuchsgruppen werden oft durch Drittmittel realisiert – wie z. B. durch das DFG-finanzierte Emmy-Noether Programm – und haben dadurch eher einen Projektcharakter und sind befristet mit einer Förderdauer von fünf bis sechs Jahren. Zudem sind sie in Hochschulgesetzen keine ausgewiesene Personalkategorie wie die Juniorprofessur, sondern gehören rein statusrechtlich zum akademischen Mittelbau. Voraussetzung für die Bewerbung auf eine Nachwuchsgruppenleitung bei Drittmittelgebern ist oftmals ein Auslandsaufenthalt und ein Bewerbungszeitraum kurz nach der Promotion (ein bis vier Jahre) – dies sollte in der Karriereplanung gut eingetaktet sein.

Die offensichtlichste Aufgabe einer Nachwuchsgruppenleiterin bzw. eines Nachwuchsgruppenleiters ist der Aufbau einer Forschungsgruppe. Die Profilierung bzw. Weiterentwicklung der eigenen Forschung ist vorrangig gegenüber der Lehre – ein Lehrdeputat ist gesetzlich nicht festgelegt wie bei der Juniorprofessur – allerdings sollte die Lehrtätigkeit mit Nachdruck angegangen werden für die Qualifizierung auf eine Professur. Das Promotionsrecht erhalten Nachwuchsgruppenleiter*innen meist mittels eines Kodexes bzw. mittels der Erklärung der Hochschule/Fakultät. Bei der Emmy-Noether Gruppe z. B. erwartet die DFG, dass Lehre und dass Recht, Doktorandinnen und Doktoranden zur Promotion zu führen, von der aufnehmenden Einrichtung ermöglicht werden.

An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gibt es zahlreiche Nachwuchsgruppen, u.a. BMBF-geförderte Gruppen am Zentrum für Innovationskompetenz oder Nachwuchsgruppen an der Medizinischen Fakultät. Der Großteil an Nachwuchsgruppenleiterinnen und -leitern an Hochschulen findet sich allgemein in den Fächergruppen Mathematik, Naturwissenschaften (BuWin 2021).

Habilitation / Habilitationsäquivalenz

Die Habilitation ist der klassische Weg zur Lebenszeitprofessur. Mit der Einführung der Juniorprofessur 2002 wurde ursprünglich versucht, die Habilitation abzuschaffen und die erfolgreiche Evaluation einer Juniorprofessur als habilitationsäquivalenten Qualifikationsnachweis auf eine Lebenszeitprofessur zu akzeptieren. Jedoch konnte sich dies nicht durchsetzen. Auch das Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt (§ 35 Abs. 3 HSG LSA), und somit gültig für die MLU, verweist auf die Habilitation als einen möglichen Nachweis für die besondere Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit bei Berufung auf eine Professur.

Dabei zeigen sich jedoch fachspezifische Besonderheiten. Während in der Medizin die Habilitation nicht nur für eine wissenschaftliche Karriere qualifiziert, sondern auch zugleich Voraussetzung für eine klinische Leitungsposition ist, hat die Habilitation in anderen Fächern einen deutlich geringeren Stellenwert, so z. B. für die Ingenieurswissenschaften und die Fächergruppe Kunst, Kunstwissenschaft (BuWin 2021).

Der Grad „doctor habilitatus“ wird nach mehrjähriger wissenschaftlicher Tätigkeit und Lehrtätigkeit auf der Grundlage einer positiv bewerteten schriftlichen wissenschaftlichen Arbeit (Habilitationsschrift), ihrer erfolgreichen Verteidigung sowie einer positiv bewerteten öffentlichen Vorlesung verliehen; mit dem Grad „doctor habilitatus“ wird die Lehrbefugnis zuerkannt und berechtigt zur Führung der Bezeichnung „Privatdozent“ oder „Privatdozentin“ (§ 18 HSG LSA). Habilitationsordnungen der Fakultäten der MLU sind zu beachten. Eine habilitationsäquivalente Leistung ist eine der Habilitationsschrift gleichwertige Leistung, z. B. mehrere veröffentlichte und herausragende wissenschaftliche Arbeiten, die zusammen einer Habilitationsschrift gleichwertig sind; ausgeschlossen wird die Dissertation. Die Anzahl der Publikationen differiert je nach Fach und Publikationen dürfen gegebenenfalls nicht länger als eine bestimmte Zeit zurückliegen.

Habilitationsstellen können je nach Art der Position unterschiedlich ausdifferenziert sein und entsprechende Aufgaben mit sich bringen, über ein Promotionsrecht verfügen sie allgemein nicht. Wie die Nachwuchsgruppenleitung gehört der Habilitand bzw. die Habilitandin rein statusrechtlich zum akademischen Mittelbau. Die Habilitation erfolgt meist als weisungsgebundene Qualifizierung an einem Lehrstuhl. Eine strategische Karriereplanung und -entwicklung, die Sichtbarmachung und Profilierung der eigenen Forschung sind daher wichtige Aufgaben bei dieser Art der Qualifikationsstelle für eine Professur (u.a. das Einwerben eigener Drittmittel, Netzwerkarbeit). Gemäß der Leitlinie für Gute Arbeit in der Wissenschaft der MLU erfolgt eine Habilitation in einem befristeten Anstellungsverhältnis (3+3 Jahre) und eine Verlängerung erfolgt dann, wenn eine positive Leistungsbeurteilung durch die Vorgesetzte bzw. den Vorgesetzten vorliegt und eine erfolgreiche Habilitation zu erwarten ist. Kriterien für eine positive Leistungsbeurteilung werden durch den Fakultätsrat der jeweiligen Fakultät formuliert.

Karriereportfolio für eine Professur

Mit dem Ziel, eine leitende Position in der Wissenschaft einzunehmen, sollte das akademische Karriereportfolio ganz bewusst in den Blick genommen werden. Mit dem Berufsziel Lebenszeitprofessur sind im Allgemeinen Aktivitäten in Forschung, akademischer Lehre, akademischer Selbstverwaltung & Wissenschaftsmanagement sowie in (Personal-)Führung nachzuweisen:

  • In der Forschung sind dies ein eigenes sichtbares (nationales und internationales) Forschungsprofil, eine Publikationsleistung mit substanziellem Eigenbetrag, Drittmitteltätigkeit, internationale / wissenschaftliche Kooperationen, Forschungspreise und Aktivitäten im Wissenstransfer sowie die Betreuung von Nachwuchswissenschaftler*innen, ggf. eine Habilitation – mit Hilfe der MLU können Drittmittel- und Transferprojekte auf den Weg gebracht werden
  • in der Lehre sind dies ein innovatives und breites Lehrspektrum, Methoden- und Didaktikkompetenz sowie Erfahrungen im Prüfen, Beraten und Betreuen – mit Hilfe der MLU können eigene Kompetenzen in der Lehre weiter professionalisiert werden
  • bei der akademischen Selbstverwaltung & Wissenschaftsmanagement sind dies die aktive Teilnahme am Hochschul- und Fakultätsmanagement, Gremienarbeit, Engagement zugunsten der akadmischen Gemeinschaft (z. B. Verfassen von Gutachten) sowie die (Co-)Organisation von Tagungen und Konferenzen
  • bei (Personal-)Führung sind dies die erfolgreiche Leitung von Forschungsprojekten und Betreuung von Studierenden und Promovierenden sowie in Führungssituationen bewusst zu handeln und über entsprechende Methoden und Fähigkeiten zu verfügen (diverse Teams leiten, Konfliktmanagement, interkulturelle Fähigkeiten) – mit Hilfe der MLU kann die eigene Führungspersönlichkeit entwickelt werden

Der Blick sollte aber über oben genannte Dinge hinausgehen. Neben exzellenten wissenschaftlichen Ergebnissen sind der Aufbau eines Netzwerks für die Karriereplanung und -entwicklung sowie die eigene Gesundheit und Familie stets wichtige Aspekte, die bei der Qualifikation auf die Lebenszeitprofessur nicht vergessen werden sollten.

Aufgaben von Professorinnen und Professoren

aus Peer Pasternack/Sebastian Schneider/Sven Preußer: Administrationslasten. Die Zunahme organisatorischer Anforderungen an den Hochschulen: Ursachen und Auswege (HoF-Handreichungen 10), Institut für Hochschulforschung (HoF), Halle-Wittenberg 2019, 146 S.

Geschafft – mit der erreichten Lebenszeitprofessur kann man unabhängig forschen und mit einem Team gemeinsam die Wissenschaft vorantreiben – mit dem Amt einer Hochschullehrerin bzw. eines Hochschullehrers ist die Zeit für die eigene Forschung oftmals begrenzt und stellt sich ganz anders dar als zu Zeiten der Promotion und der anschließenden Postdoc-Phase. Ein großer Anteil geht in die Lehre, aber auch überfachliche Aufgaben wie die akademische Selbstverwaltung kommen verstärkt hinzu (siehe Grafik).

Aufgaben von Professorinnen und Professoren an der MLU basieren auf Festschreibungen im Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (§ 34 HSG LSA) und werden im Dienstverhältnis spezifiziert. Weiterhin ist die Grundordnung (GrO) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu beachten. Wichtig zu wissen ist, dass Aufgaben über den engen Bereich von Forschung und Lehre hinausgehen (§ 2 GrO, § 3 HSG LSA). Laut Hochschulgesetz umfassen die Aufgaben von Professor*innen insbesondere:

  • Übernahme bzw. Mitwirkung an Forschungsprojekten oder künstlerischen Vorhaben,
  • Abnahme und Mitwirkung an Prüfungen nach Maßgabe der Prüfungsordnungen,
  • Förderung der Studierenden und des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses sowie die Betreuung der ihnen zugeordneten wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,
  • Mitwirkung bei der Verwaltung, insbesondere der Selbstverwaltung der Hochschule,
  • Mitwirkung in Verfahren zur Berufung von Hochschullehrern und Hochschullehrerinnen,
  • gutachterliche Tätigkeit für das Land Sachsen-Anhalt,
  • Mitwirkung an der Studienreform und Studienfachberatung,
  • Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung,
  • Mitwirkung an Verfahren zur Auswahl und Festlegung der Eignung der Studienbewerber und Studienbewerberinnen.

Links zu weiterführenden Informationen

Gesellschaft Juniorprofessur

Onboarding an der MLU

Dual Career Service an der MLU – vorrangig für Hochschullehrer*innen und deren Partner*innen in der Bewerbungsphase

Literatur

Bewerben auf Juniorprofessuren und Professuren: Strategien für die ersten Berufungsverfahren (Mirjam Müller, 2023)

Berufungen, Befangenheit und Bewerbungsverfahrensanspruch – Ein Kompendium für Berufungskommissionen, Bewerberinnen und Bewerber (Herausgegeben von Dr. Mathias Neukirchen, Prof. Dr. Etienne Emmrich, 2021)