Krisenszenarien und (junge) Literatur

Studierende übersetzen gemeinsam

23. Februar 2021
von Eva Kowollik
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Young Authors for Future – Krisenszenarien und (junge) Literatur im Ost-West-Dialog

Das internationale studentische Begegnungs- und Übersetzungsprojekt „Young Authors for Future“ ist aus dem Bedürfnis heraus entstanden, dass wir als Studierende und Lehrende aktiv den aktuellen und globalen Krisen begegnen können, denen wir – soviel ist durch die Corona-Krise deutlich geworden – unmittelbar ausgesetzt sind. Auf die sehr komplexe gegenwärtige Krisensituation, wird weltweit literarisch reagiert – diese Krisennarrative und künstlerischen Ausdrucksformen möchten wir mit dem Projekt ins Zentrum setzen.

Studierende aus Montenegro, Deutschland und Serbien haben online an ihren universitären Standorten (Nikšić, Halle, Novi Sad) über aktuelle Prosa und Lyrik aus dem deutschsprachigen und postjugoslawischen Raum diskutiert. Wichtige thematische Schnittpunkte sind Kapitalismuskritik, feministische und queere Themen, die Krise des ruralen Raums, die Klimakrise und gesellschafltiche Konsequenzen der Corona-Krise. Eng verbunden damit war die Entdeckung spannender literarischer Formen, die mit den jeweiligen Krisennarrativen korrespondieren: die Adaption des Dekameron durch ein feministisches Autorinnenkollektiv, das Genre des Briefwechsel als einer Kommunikationsform der Distanz, verdichtete und subjektivierte Darstellungsformen im lyrischen Text, das kritische Potenzial essayistischen Schreibens usw. Die Auswahl der deutschsprachigen Texte erfolgte in Kooperation mit dem Projekt „PS: Anmerkungen zum Literaturbetrieb / Politisch Schreiben“ (https://www.politischschreiben.net/), dessen Akzentuierung der politischen Positionierung durch literarisches Schreiben uns im Projekt konstant begleitet hat.

Höhepunkt des Projekts sollte die als Sommerschule geplante Begegnung der deutschen, montenegrinischen und serbischen Studierendengruppen in Cetinje (Montenegro) im September 2021 sein. Aufgrund der im September problematischen pandemischen Situation wurde die Sommerschule hybrid umgesetzt: an jedem Standort haben sich Studierende zusammengefunden und in einem hybrid organisierten Übersetzungsworkshop unter der Anleitung der Literaturübersetzerin Marie Alpermann in Kleingruppen die Arbeitsversionen ihrer Übersetzungen diskutiert. Höhpunkt waren die Lesungen und Diskussionen mit den Autorinnen Lejla Kalamujić, Dragana Tripković und Clara Heinrich. Desweiteren lieferten Gäste wie Prof. Angela Richter, Prof. Jelena Kostić Tomović und Prof. Ljiljana Aćimović wichtige theoretische Impulse in literaturwissenschaftlicher oder translatorischer Hinsicht.

Mit der als Winterschule konzipierten Abschlussveranstaltung des Projekts konnte endlich im November ein Treffen von Projektteilnehmer*innen aus allen drei Standorten in Halle realisiert werden; es kam zur Finalisierung der Übersetzungen und zu einer von Studierenden moderierten und gedolmetschten Lesung mit den Autorinnen Radmila Petrović und Lea Horvat. Die Übersetzungen sind hier auf dem Projektblog publiziert; die Übersetzungen ins BKMS werden außerdem in der serbischen Literaturzeitschrift „Povelja“ veröffentlicht.

Insgesamt haben die praktische und gemeinsame Arbeit an den Texten und die vielen und vielseitigen Diskussionen über die sehr unterschiedlichen literarischen Ausdrucksformen gegenüber aktuellen Krisen gezeigt, dass Literatur und Kunst über ein immenses Potenzial verfügen, eine als desaströs empfundene Gegenwart zu reflektieren. Durch das Übersetzen dieser Texte sind wir Teil dieser aktiven und künstlerischen Auseinandersetzung mit den derzeit beherrschenden Krisen geworden!

Projekt im Rahmen des DAAD-Förderprogramms „Hochschuldialog mit den Ländern des westlichen Balkans“

Projektverantwortliche: Dr. Eva Kowollik und Dr. Tijana Matijević (Seminar für Slavistik, Universität Halle-Wittenberg), unterstützt von Ken Kretschmer (wissenschaftliche Hilfskraft)

Kooperation mit der Philologischen Fakultät der Universität in Nikšić, Montenegro (Doc. Dr. Jelena Knežević und Elli Mack, Abteilung für Germanistik) und der Philologischen Fakultät der Universität Novi Sad, Serbien (Dr. Ivana Pajić, Abteilung für Germanistik)

Winterschule in Halle mit Lea Horvat und Radmila Petrović, November 2021