Bei der Dokumentenanalyse werden vorgefundene Dokumente (genuine Dokumente, z.B. Krankenhausakten, Standesamtaufzeichnungen usw.) analysiert. Darüber hinaus gibt es forschungsgenerierte Dokumente (z.B. Feldnotizen, offene Kommentare in Fragebögen), deren Analyse streng genommen nicht als Dokumentenanalyse bezeichnet wird, da sie nicht unabhängig vom Forschungsprozess erzeugt werden. Konzentrieren wir uns auf die genuine Dokumentenanalyse.
In der Praxis der empirischen Sozialforschung werden Dokumentenanalysen häufig mit anderen Methoden der Datenerhebung kombiniert.
Folgende Umstände sprechen für eine besondere Eignung der Dokumentenanalyse zur Bearbeitung eines Forschungsproblems:
- Wenn sich die interessierenden Sachverhalte systematisch in Dokumenten niederschlagen (z.B. die medien- und kommunikationswissenschaftliche Produkt- und Medieninhaltsforschung greift auf Dokumentenanalysen ausgewählter Mediendarstellungen zurück. Auch in der Politikwissenschaft werden häufig Zeitungsartikel über Politikerinnen und Politiker, Gesetzestexte, Gerichtsurteile, Protokolle parlamentarischer Debatten oder Manuskripte politischer Reden analysiert.
- Die Nonreaktivität des Verfahrens der Datenerhebung, da auf Dokumente zurückgegriffen wird, die unabhängig vom Forschungsprozess erzeugt wurden. Somit wird Rohdatenmaterial bearbeitet, das hinsichtlich Form und Inhalt nicht durch den Forschungsprozess beeinflusst ist.
- Forschungsökonomische Form der Datenerhebung.
Die Dokumentenanalyse ist allerdings auch mit Nachteilen verbunden, denn die Kontextbedingungen der Dokumentenproduktion, quasi die Entstehung der Daten, kann kaum nachvollzogen werden. Darüber hinaus ist Aussagekraft für das Forschungsproblem evtl. eingeschränkt, da die vorgefundene Dokumente oft nur teilweise auf für das Forschungsproblem relevante Themen eingehen. Die Dokumentenanalyse arbeitet typischerweise mit Stichproben von Dokumenten. Praktische und methodische Hinweise für die Planung und Umsetzung aussagekräftiger Dokumentenstichproben sind jedoch wenig verbreitet, was die Stichprobenqualität beeinträchtigen kann. Inhaltlich relevante Dokumente unterscheiden sich im Grad ihrer Zugänglichkeit sowie hinsichtlich der notwendigen Aktivitäten zur Beschaffung und Archivierung des Materials. Weiterhin kann die Qualität vorgefundener Dokumente kann in unterschiedlicher Hinsicht eingeschränkt sein: Authentizität, Glaubwürdigkeit, Repräsentativität und Interpretierbarkeit. Als letzter Punkt ist noch der Aspekt der Forschungsethik zu nennen. Dürfen Dokumente von Personen (z.B. Krankenakten), die nichts darüber wissen, analysiert werden?