Auswertung und Reflexion

Für die Auswertung der generierten Daten wurde bereits bei der Entwicklung des Forschungsdesigns eine adäquate Auswertungsmethodik ausgewählt. Je nach Fragestellung und Forschungsinteresse existieren in der qualitativen Forschung zahlreiche Auswertungsstrategien, welche sich zum Teil stark voneinander unterscheiden. Auch je nach Datengrundlage (z.B. Interviews, Gruppendiskussionen, Dokumente, Protokolle etc.) muss die Auswertungsmethode angemessen ausgewählt werden (siehe Abschnitt Feldphase, Datenerhebung). Vielen Auswertungsverfahren ist dabei gemein, dass das zumeist vorhandene Sprachmaterial zunächst Wort für Wort transkribiert wird (siehe im Abschnitt Forschungsplanung). Anschließend wird das verschriftlichte Material codiert. Das Codieren ist ein wichtiger Prozess während der Datenauswertung, denn auf diese Art und Weise werden die Daten Stück für Stück abstrahiert. „Codieren“ bezeichnet hierbei die Entwicklung kurzer, prägnanter und vergleichsweise abstrakter Konzepte (Codes), die den Inhalt der jeweiligen Textstelle charakterisieren und dabei eng am Text orientiert sind. Ein definitorisches Codebuch hilft an dieser Stelle die Zuordnung der Kategorien oder Codes zu Textstellen sowohl im Verlauf des Forschungsprozesses als auch bei Arbeiten mit mehreren Forschern im Team inter- und intrasubjektiv einheitlich zu gestalten. Als Unterstützung zum Umgang mit den Daten kann auf verschiedene Softwarelösungen zurückgegriffen werden (bspw. MAXQDA, ATLAS.ti oder NVivo). Die Software kann dabei für das Datenmanagement und/oder den Codierungsprozess verwendet werden. Die Auswertung übernimmt sie dabei aber nicht, sie unterstützt diese lediglich.

Die am häufigsten verwendeten Verfahren zur Auswertung qualitativer Daten im Bereich der Gesundheitsforschung sind das interpretative Verfahren der Grounded Theory sowie das inhaltsanalytische Verfahren der qualitativ orientierten kategoriengeleiteten Textanalyse, auch bekannt als „Inhaltsanalyse“. Aufgrund der mannigfaltigen Möglichkeiten zur Datenauswertung in der qualitativen Forschung, soll im Folgenden ausschließlich auf die eben genannten Verfahren kurz näher eingegangen werden.

Inhaltsanalyse – qualitativ orientierte kategoriengeleitete Textanalyse

Die Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring ist wohl eine der bekanntesten Methoden der Datenauswertung in der qualitativen Forschung und nutzt in erster Linie eine Mischung aus induktivem und deduktivem Codieren. Verschiedene Arten der Inhaltsanalyse geben unterschiedliche Vorgehensweisen vor. Beispielsweise kann aus dem Gesprächsleitfaden zunächst ein Kategoriensystem entwickelt werden, mit dessen Hilfe das Datenmaterial „zerlegt“ wird (deduktive Auswertungsstrategie). Im anschließenden induktiven Schritt werden dann neue, zusätzliche Kategorien entwickelt. Allen Arten der Inhaltsanalyse ist jedoch gemein, dass die Zuordnung der Kategorien bzw. Codes zu einer Textstelle streng regelgeleitet erfolgt, z.B. mit einem definitorischen Codebuch.

Grounded Theory

Die Grounded Theory wurde von Anselm Strauss und Barney Glaser Anfang der 60er Jahre im Kontext medizinsoziologischer Studien entwickelt und stellt nicht nur eine Auswertungsstrategie dar, sondern vielmehr auch eine Methodologie der qualitativen Forschung. Grundlegendes Ziel ist hierbei die Theoriegenerierung, weswegen dieses Verfahren zeitaufwändiger ist und als interpretatives Verfahren gilt. Der Theorie des Symbolischen Interaktionismus folgend, liegt das Forschungsinteresse hier nicht in der reinen Rekonstruktion subjektiver Sichtweisen, sondern der zugrundeliegenden sozialen Phänomene. Bei der Datenanalyse nach der Grounded Theory orientieren sich die Forscher eng am erhobenen Material. Die Erfahrung der einzelnen, zu untersuchenden Fälle hat Priorität, denn ihr kommt eine zentrale Bedeutung bei der Aufdeckung sozialer Strukturen und Prozesse zu. Das Codieren ist hierbei ein sehr komplexer Prozess, welcher drei verschiedene Arten des Codierens beinhaltet. In der ersten Phase des „offenen Codierens“ werden die erhobenen Daten analytisch aufbereitet. Das „axiale Codieren“ dient der Verfeinerung der im ersten Schritt entwickelten Codes zu Kategorien. Das „selektive Codieren“ als dritter Analyseschritt kann als „axiales Codieren auf einem Niveau höherer Abstraktion, allgemeinerer Theoretisierungsstufe“ bezeichnet werden. Anschließend wird die Theoriebildung vorbereitet, indem eine Schlüsselkategorie ermittelt wird. Die anderen Kategorien werden wiederum mit dieser Schlüsselkategorie verknüpft. Das Kategorienschema wird in einem reflexiven Prozess aufgebaut und bereits parallel zur Feldphase entwickelt. Theoretisches Codieren in der Erhebungsphase und darüber hinaus wird ergänzt durch das Verfassen theoretischer Memos und den Prozess des ständigen Vergleichens der untersuchten Fälle.

Nicht nur in der Grounded Theory, sondern in der qualitativen Forschung allgemein gilt es im gesamten Projektverlauf den Forschungsprozess sowie die Auswertung der Daten stets zu reflektieren und ggf. an sich ändernde Umstände anzupassen. Qualitative Forschung versteht sich nicht als linearer Prozess, sondern ist stets eine Hin- und Her-Bewegung (reflexiver Prozess) zwischen Datenerhebung, Auswertung, (eventuell) erste Theorieentwicklung, Erhebung neuer Daten etc.

Am Ende der Auswertungsphase sollte eine Reflexion dahingehend stattfinden, ob Forschungsfragen und Fragestellungen mit dem gesammelten Datenmaterial adäquat zu beantworten sind. Auch kann es durchaus sinnvoll sein, den Forschungsprozess als Ganzes zu reflektieren, insbesondere dann, wenn es zu Problemen in der Feld- und Auswertungsphase kam und/oder Fragestellungen nicht beantwortet werden können. Mitunter bedarf es Nacherhebungen.

 

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