Feldphase: Feldzugang

Der erste Schritt der konkreten empirischen Arbeit liegt in der Bestimmung des jeweiligen Forschungsfeldes und seinen Bedingungen. Unter dem Begriff „Forschungsfeld“ werden grundsätzlich natürliche soziale Handlungsfelder verstanden (also keine künstlich situativen Arrangements, welche extra für Forschungszwecke geschaffen wurden). Als Forschungsfelder können zum Beispiel öffentliche Orte, Gruppen, soziale Milieus oder auch Organisationen verstanden werden. Für verschiedene Forschungsfelder ergeben sich zwei grundlegende Fragen, die sich jeder Forschende stellen muss:

  1. Wie gelingt es mir, mit meinem Forschungsfeld in Kontakt zu treten und mein Gegenüber zur Teilnahme an der Studie zu motivieren?
  2. Wie kann ich mich selbst im Verhältnis zum Feld so positionieren, dass die sachlichen, zeitlichen und sozialen Rahmungen für eine sachgerechte Durchführung der Studie gewährleistet sind?

Wie bereits bei der Entwicklung des Forschungsdesigns geplant und definiert, gilt es in dieser Phase die Teilnehmer*innen in die Studie einzuschließen, die die festgelegten Kriterien erfüllen. Hierfür ist es zunächst hilfreich, sich im „Feld“ zu orientieren und sich mit bestehenden Strukturen vor Ort vertraut zu machen. Bei einer geplanten Befragung von Patient*innen im Krankenhaus Z auf Station XY zur bisherigen Krankengeschichte im Lebenslauf muss geklärt werden, wie Patient*innen kontaktiert werden können. Wer ist Ansprechpartner*in, wann sind die Teilnehmenden gut im stationären Setting neben den Klinikalltag zu rekrutieren? Es braucht einen ruhigen Ort für ein Aufklärungsgespräch, wo könnte dieses in der Klinik durchgeführt werden etc. – das sind alles Fragen, die vorher geklärt werden sollten, um einen guten Start in die Datenerhebungsphase zu haben.

Bei der Herstellung des Feldzugangs ist zusätzlich zu beachten, dass der Forschende selbst auch immer Teil des Feldes wird. Der Forschende muss sich dessen bewusst sein, dass seine Anwesenheit im Forschungsfeld auch immer die Teilnehmenden beeinflusst. Es gilt zu versuchen, diese Beeinflussung so gering wie möglich zu gestalten und während des Studienverlaufs kritisch zu reflektieren. Allgemein gibt es kein Patentrezept für den Weg ins Feld und dieser sollte nie als abgeschlossene Aufgabe begriffen werden. Die Beschäftigung mit dem Weg ins Feld öffnet zusätzlich Einblicke in Strukturen und Abläufe der Forschung sowie in das untersuchte Handlungsfeld.

Gewinnung von Teilnehmer*innen

Da qualitative Forschung auf eine angemessene Untersuchung und Beschreibung komplexer Lebenswelten und Fragestellungen der Interaktion abzielt, wird bei der Wahl der Stichprobe bzw. der Teilnehmer*innen eine inhaltliche aber keine statistische Repräsentativität anvisiert. Es geht bei der Wahl der Teilnehmenden darum, die Aussicht/das Risiko dafür, dass mit der Untersuchung bedeutsame Informationen nicht erhoben werden, zu minimieren.

Die Auswahl von Personen, Gruppen, Interaktionen oder Ereignissen, die untersucht werden sollen, wird in der empirischen Sozialforschung „Sampling“ genannt. An dieser Stelle sollen zwei Möglichkeiten dieser Auswahl, das „Theoretische Sampling“, und das „Sampling nach bestimmten, vorab festgelegten Kriterien“ kurz vorgestellt werden.

  • Beim theoretischen Sampling (auch induktive Stichprobenziehung) „werden die zu untersuchenden Fälle nicht gleich zu Beginn der Forschung festgelegt, sondern sukzessive im Wechsel von Erhebung, Entwicklung theoretischer Kategorien und weiterer Erhebung ausgesucht. Dabei werden in einem Prozess der Minimierung und Maximierung von Unterschieden die gewonnenen theoretischen Kategorien überprüft und elaboriert sowie die Varianz des Feldes ausgelotet, bis allmählich eine theoretische Sättigung erreicht ist.“*
  • Ein Sampling nach bestimmten, vorab festgelegten Kriterien kann dann sinnvoll sein, wenn Vorannahmen in einer qualitativen Untersuchung im Hinblick auf die ihnen zugrundeliegenden Mechanismen näher erforscht werden sollen. Dabei wird ein qualitativer Stichprobenplan aufgestellt, der bspw. besagt, dass gleichviele Männer und Frauen befragt werden sollen oder neben Personen mit guter Schulbildung auch solche, die eine geringere Bildung aufweisen. Das Wissen über die Verteilung sozialstruktureller und kultureller Merkmale in einer bestimmten Population wird in dieser Form für die Zusammenstellung des Samples genutzt.

Die verschiedenen Sampling-Verfahren können auch gut miteinander kombiniert werden und einander dabei wechselseitig vorbereiten und ergänzen.

In der konkreten Umsetzung der Rekrutierung müssen vor dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen im Forschungsdesign praktisch die Teilnehmenden erreicht werden. Dies kann über sogenannte Gatekeeper erfolgen (z.B. Stationsärzt*innen, die Arzthelfer*innen in einer ambulanten Arztpraxis etc.), aber auch durch das Schneeballprinzip, Anzeigen, Handzettel, Briefe und E-Mails oder persönliche Kontakte. Die möglichen Auswirkungen der umgesetzten Form der Rekrutierung von Teilnehmenden auf das Sampling und folglich auf die Ergebnisse der Auswertung müssen bereits vorab bei der Forschungsplanung bedacht werden.

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* Quelle: Przyborski, A., Wohlrab-Sahr, M., 2014. Qualitative Sozialforschung: Ein Arbeitsbuch, 4 Aufl. Oldenbourg, München, S. 182.