Forschungsplanung

Anknüpfend an die Entwicklung des Forschungsdesigns, wird die konkrete Dauer des Forschungsprojektes geplant. Wie lange ein qualitatives Forschungsprojekt dauert, hängt sehr von der Methodik ab und lässt sich allgemein etwas schwerer planen als bei quantitativen Forschungsprojekten, da das Vorgehen, wie schon beschrieben mitunter zirkulär ist und sich somit aus dem Projektverlauf immer wieder Änderungen der Forschungsplanung ergeben können (siehe Entwicklung des Forschungsdesigns). Trotzdem gibt es einige allgemeine Punkte, die bei der Planung berücksichtigt werden sollten.

Grundsätzlich untergliedert sich ein Forschungsprojekt in eine theoretische Phase und in eine Feldphase. In der theoretischen Phase wird anknüpfend an die wissenschaftliche Einbettung und den theoretischen Hintergrund das Vorverständnis des Forschenden dargelegt. Da diese Arbeit auf den vorherigen Arbeitsschritten beruht, reichen wenige Monate hierfür in der Regel aus.

Im Anschluss folgt die zeitliche Planung der Rekrutierung und Erhebung sowie der Auswertung (Feldphase). Insbesondere für die Rekrutierung sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, da Zugänge zu den passenden Teilnehmenden gefunden werden müssen. Hierbei können Vermittler*innen wie Ärzt*innen, Vereine oder Selbsthilfegruppen sehr hilfreich sein. Zudem wird in der Feldphase bei den meisten qualitativen Forschungsdesigns parallel bereits eine Auswertung der erhobenen Daten durchgeführt, damit weitere Fälle aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen ausgewählt und gesucht werden können. Dieses Vorgehen ist immer dann notwendig, wenn nach der Methode des theoretischen Samplings (siehe Feldphase, Gewinnung von Teilnehmern) neue Teilnehmende ausgewählt und befragt werden, bis eine theoretische Sättigung der entwickelten Theorie erreicht ist. Hierbei wird die Suche nach geeigneten Teilnehmenden komplexer und zeitaufwändiger, je weiter man im Forschungsverlauf vorangeschritten ist und je „spezieller“ die Fälle sind, die man sucht.

Praxisbeispiel: In unserem Projekt zu den finanziellen Folgen einer Krebserkrankung suchten wir zum Ende der Erhebung beispielsweise noch nach Alleinerziehenden mit einer Krebserkrankung, da sich in den vorherigen Interviews nach einer ersten Auswertung gezeigt hat, dass die Patient*innen mit Familien vor allem ihre Partner*in bei der Bewältigung der finanziellen Folgen ihrer Erkrankung als sehr entlastend empfunden haben. Um dieses Ergebnis aus den bisher geführten Interviews im weiteren Forschungsverlauf näher betrachten zu können, sollten zum Vergleich noch kontrastierende Interviews mit Betroffenen geführt werden, die keinen Partner*in hatten.

Bei der Planung der Feldphase ist auch zu berücksichtigen, dass die erhobenen Daten im Anschluss an die Erhebung für die Auswertung aufbereitet werden müssen. Interviews werden hierfür in der Regel aufwendig und zeitintensiv transkribiert (verschriftlicht). Hierbei kann zwischen verschiedenen Transkriptionssystemen unterschieden werden, je nachdem, welche Informationen wie verschriftlicht werden sollen (nachlesbar zum Beispiel in Dressing und Pehl 2018). Als Orientierung kann hierbei für Unerfahrene gelten, dass ein Transkript eines 45-minütigen Interviews mit einfachem Transkriptionssystem circa 7,5 Stunden in Anspruch nimmt. D.h. bei 20 Interviews á 45 Minuten und insgesamt 900 Minuten Datenmaterial dauert die Transkription bis zu 150 Stunden und somit knapp 4 Wochen (Vollzeitarbeit).

Auch für die Dauer der Auswertung können Richtwerte herangezogen werden, welche diese insgesamt besser planbar machen. Für eine „einfache“ Inhaltsanalyse mit erforderlichem mehrfachem induktivem und deduktivem Codieren der Daten (siehe Auswertung, Inhaltsanalyse) sollte man circa die 50-fache Interviewzeit für die Datenauswertung und Beantwortung der Forschungsfrage einplanen. Für das Beispiel mit 20 Interviews á 45 Minuten sind also 750 Stunden zu veranschlagen (mindestens 5 Monate Vollzeitarbeit). Werden die Daten nach einem anderen Verfahren wie zum Beispiel nach der Grounded Theory (siehe Auswertung Grounded Theory) ausgewertet, sollte deutlich mehr Zeit eingeplant werden.*

Zum Abschluss der Planungsphase sollte kritisch reflektiert werden, ob die vorgesehenen Feldphasen und deren Zielsetzungen die SMART Anforderungen erfüllen, die aus der Projektplanung oder der Didaktik bekannt sind. Hierbei gilt jeweils, dass die einzelnen Phasen und Zielsetzungen

sein sollen, um im Sinne des reflexiven, qualitativen Forschungsprozesses rechtzeitig Abweichungen und neue Bedingungen erkennen und entsprechend Anpassungen vornehmen zu können.

Eine Besonderheit gilt zudem in den meisten Humanwissenschaften: Bevor die Feldphase und Erhebung der Daten beginnen kann, ist es in vielen Bereichen der medizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Forschung wichtig, ein Ethikvotum einzuholen und dabei speziell die Einhaltung ethischer Normen und datenschutzrechtlicher Bestimmungen überprüfen zu lassen.

Das Ethikvotum

Wann und warum brauche ich ein Ethikvotum?

Die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berät bezüglich ethischer und rechtlicher Aspekte in der medizinischen Forschung am Menschen. Jedes Forschungsvorhaben, bei dem in die psychische und körperliche Integrität eines Menschen eingegriffen wird oder Körpermaterialien oder Daten verwendet werden, die sich einem bestimmten Menschen zuordnen lassen, ist vorher der Ethik-Kommission vorzulegen. Dies umfasst auch Vorhaben, bei denen Patient*innen oder Ärzt*innen qualitativ befragt oder beobachtet werden.

Was beinhaltet ein Ethikvotum?

Zunächst muss das Forschungsvorhaben gemäß der revidierten Deklaration von Helsinki vor dem ersten Einschluss in einer öffentlich zugänglichen Datenbank registriert werden: z.B. das Deutsche Register Klinischer Studien (www.drks.de). Weiterhin sind bei der Antragstellung z. B. einzureichen:

  • Antragsformular zur Begutachtung (Vordruck)
  • Studienprotokoll (hier insbesondere den Datenschutz beachten)
  • alle Unterlagen für die Probanden/ Teilnehmenden der Studie, z.B. Studieninformation und Einwilligungserklärung

Eine aktuelle Auflistung befindet sich hier: Ethikkommission MedFak Halle

Wie bekomme ich ein Ethikvotum?

Die Beantragung eines Ethikvotums zum geplanten Forschungsvorhaben erfolgt bei den von uns betreuten Forschungsvorhaben regelmäßig bei der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Ethik-Kommission berät sich aktuell einmal im Monat. Nach Einreichung des Antrags erfolgt die Einladung zu einer Anhörung nach unserer Erfahrung (ist abhängig von aktueller Antragslage) in die nächste oder übernächste Sitzung. Bei der Anhörung wird das Projekt durch die Antragsteller*in persönlich vorgestellt und es werden im Anschluss offene ethische Fragen besprochen. Einige Tage nach der Anhörung erfolgt dann eine schriftliche Mitteilung an den Antragsteller, in der das Ergebnis der Begutachtung mitgeteilt wird und ggf. noch auf notwendige Änderungen und Nacharbeiten im geplanten Forschungsvorhaben verwiesen wird, welche dann wiederum bei der Kommission eingereicht werden müssen. Dadurch kann der gesamte Begutachtungsprozess ca. 3 bis 4 Monate dauern. Die entstehenden Kosten variieren je nach Art des Forschungsprojektes (Anträge nach dem Medizinproduktegesetz, nach dem Arzneimittelgesetz etc.).

 

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* Die Schätzung des Zeitaufwandes ist sehr schwierig, wir geben aber trotzdem ungefähre Zeitspannen an, damit die Arbeit nicht unterschätzt wird.

  • Der 5-10-fache Zeitaufwand für die Transkription von Interviews geht auf die Empfehlungen von Kuckartz U (2010): Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. 3., aktualisierte Aufl. Wiesbaden : VS, Verl. für Sozialwiss. S. 40. zurück.
  • Der ca. 50-fache Aufwand für die Auswertung beruht auf Dresing T & Pehl T (2018): Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse. Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende. 8. Auflage. Marburg, 2018. Quelle: www.audiotranskription.de/praxisbuch [Zugriff 11.06.2018] und deckt sich ungefähr mit unseren Erfahrungen.