Qualitative Methoden der Datenerhebung
Das narrative Interview
Das narrative Interview (auch offenes Interview) ist eine Methode der Datenerhebung, die auf der Grundlage von Erzählungen das Zusammenspiel von Ereignissen, Ereignisfolgen und Erfahrungen mit den darauf bezogenen subjektiven Deutungsbemühungen zu erheben und zu analysieren sucht. Der Interviewte wird gebeten, die Geschichte eines Gegenstandsbereichs, an der er selber teilgenommen hat, in einer Stegreiferzählung darzustellen. Der Forschende ist bestrebt, die Erzählsituation so zu moderieren, dass der Interviewte eine zusammenhängende Geschichte erzählt. Dafür wird ein erzählgenerierender Impuls gesetzt und der Forscher versucht durch Signale des Interesses die Erzählung des Interviewten sich weiterentwickeln zu lassen. Im Anschluss an die Erzählung wird ggf. noch einmal narrativ zu einzelnen Aspekten nachgefragt. Damit sollen Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten besprochen werden, bevor zum Abschluss vermehrt Warum-Fragen vom Interviewenden gestellt werden, die auf Erklärungen abzielen.
Leitfadeninterview
Das Leitfadeninterview ist ein qualitatives Erhebungsverfahren, das zwischen dem sehr offenen (narrativen) Interview und dem standardisierten Interview (mündlicher Fragebogen) rangiert. Für das Leitfadeninterview wird, wie der Name schon sagt, ein Leitfaden entwickelt, der offene Fragen beinhaltet und Gesprächsbereiche vorgibt, die im Interview thematisiert werden sollen (ohne strikte Vorgabe einer Reihenfolge). Diese Interviews bewegen sich in der Regel vom Allgemeinen zum Speziellen. Nach einer offenen Frage zum Intervieweinstieg (die eine Erzählung anstoßen soll) werden weitere Fragenkomplexe eingeleitet. Die unterschiedlichen Sachverhalte sollten hierbei in ihrer situativen Einbettung und in ihrem sozialen, personalen und institutionellen Kontext beleuchtet werden.
Gruppendiskussion
Die Gruppendiskussion ist ein Gespräch unter „Laborbedingungen“, in dem mehrere Personen zu kollektiven Orientierungen und Wissensbeständen Auskunft geben. In den Gruppendiskussionen gibt es in der Regel (vergleichbar mit dem Leitfadeninterview) einen Grundreiz bzw. Erzählstimulus (ein Thema, mit dem alle Teilnehmenden Erfahrung haben). Dieser Stimulus und auch alle weiteren Interventionen sind an die Gruppe und nicht an Einzelne gerichtet.
Beobachtungen
In der empirischen Sozialforschung wird unter „Beobachtung“ ein bestimmtes methodisches, wissenschaftlich fundiertes Handeln im Rahmen zahlreicher psychosozialer und anderer Kontexte verstanden. Wissenschaftliche Beobachtungen können sich im Strukturierungsgrad unterscheiden, sowie in ihrer Umsetzung – teilnehmend versus nicht-teilnehmend oder offen versus verdeckt. Eine Beobachtung ist insbesondere dann angezeigt, wenn davon ausgegangen wird, dass eine künstliche Situation oder auch die verbale Selbstdarstellung der Teilnehmer das interessierende Verhalten bewusst oder ungewollt verfälschen könnte. Beobachtungen laufen in der Regel verhaltensorientiert ab. Die Verhaltensweisen werden protokolliert, um die Deutungen und Bewertungen des Beobachters nachvollziehen zu können.
Diskurs- und Dokumentenanalyse
In der qualitativen Diskurs- und Dokumentenanalyse werden Bedeutungsträger aller Art, z.B. sprachlich verfasste Texte (z.B. Gesetze, Berichte, Mediendokumente), Ton- oder Bilddokumente (Filme, Fernsehsendungen, Patienteninformationen, Patientenakten, Lehrbücher etc.) nach regelgeleiteten Kriterien untersucht. Hauptanwendungsgebiet der Diskurs- und Dokumentenanalyse sind Dokumente, die bereits in schriftlicher (oder bildlicher) Form vorliegen und nach bestimmten Kriterien ausgewählt und analysiert werden. Der Forscher erhebt an dieser Stelle also in der Regel kein primäres Datenmaterial, sondern er erschließt es sich auf sekundärem Wege.
Das „iterativ-zyklische“ der Datenerhebung
Insgesamt gilt es in der Feldphase unabhängig von der gewählten Erhebungsmethode die Entwicklung des Datenmaterials in der Datenerhebungsphase genau zu beobachten. Insbesondere muss auf Probleme und Unzulänglichkeiten reagiert werden, zum Beispiel müssen bei absehbarer zu geringer Rekrutierung rechtzeitig neue Rekrutierungsstrategien entwickelt werden. Auch können Probleme im Leitfaden bei rechtzeitiger Identifikation behoben und ausgeglichen werden. Insgesamt kann schon an dieser Stelle im Forschungsprozess mitunter reflektiert werden, ob sich der geplante Zeitplan einhalten lässt.