Bevölkerungsbewegung

Bei Berechnungen Bevölkerungsbewegung ist grundsätzlich darauf zu achten, dass die Daten der Taufen und Beerdigungen einen (Groß-)Teil der tatsächlichen Geburten und Sterbefälle ausmachen. Probleme bereiten vor allem aber die Angaben der Totgeburten oder der Kindersterblichkeit. Diese wurden meist nur unzureichend aufgenommen. Ebenso schwierig ist die zuverlässige Gewinnung von Migrationsdaten. Prinzipiell ist daher von Vorteil mit Raten zu rechnen und Fehlerquoten mit einzubeziehen.

Autor: Robert Nasarek

Allgemein

Zum Allgemeinen zählen die mathematische Notation, Zeitstellen und Alter, Kohorten und Perioden und außerdem die Bevölkerung. Zum Verständnis von Bevölkerungsberechnungen ist ein wenig Vorwissen von Vorteil. So ist es von Nutzen zu wissen, wie eine mathematische Formel gelesen wird und außerdem in welche Gesamtheiten sich eine Bevölkerung aufteilt. Eine der berühmtesten Unterscheidungen der Demographie stellt die Zerlegung der Population in Kohorten und Perioden dar. Selbst simpel erscheinende Begriffe, wie Zeit und Alter, entpuppen sich bei näherer Betrachtung als trickreich und verlangen somit nach einer genaueren Festlegung.

Autor: Robert Nasarek

1. Mathematische Notation

Wir werden es hier mit Funktionen zu tun bekommen. Daher ist es wichtig, die grundlegenden Mechanismen zu verstehen, die hinter einer bestimmten Schreibweise einer Funktion stecken. Wir werden uns auf das Wichtigste beschränken. Die grundlegende Eigenschaft einer Funktion f ist, dass sie einem Element x genau ein Element y zuordnet. Dabei ist x die unabhängige Variable. Dies kann ein Alter, ein Jahr, eine Kohorte oder ähnliches sein. Hingegen muss y erst durch eine Rechenoperation gebildet werden und stellt somit beispielsweise die Lebenserwartung einer Periode dar. Die zusammengefügte Funktion folgt der Notation f(x)=y. Oft bilden wir Funktionen oder betrachten Variablen unter einer bestimmten Bedingung, meist für ein bestimmtes Jahr t oder ein bestimmtes Alter τ. Die Bedinung s wird dann tiefgestellt angehängt. Bekommt z.B. die altersspezifische Sterbeziffer das Zeichen δ, wird sie doch meist näher bestimmt durch ein Jahr t und ein Alter τ, da sie nur für dieses Jahr und für dieses Alter gilt. Folglich wird sie also als δt,τ notiert. Ein Überstrich (̅n) über einer Variable bedeutet, dass sie einen Durchschnitt repräsentiert. Rechnen wir beispielsweise mit Geburten innerhalb einer Jahresspanne, müssen wir beachten, dass die Bevölkerung am Anfang des Jahres wahrscheinlich eine andere war als am Ende. Da wir viel mit Summen arbeiten, müssen wir auch verstehen, was ein Zählindex ist. Betrachten wir z.B. die Survivorfunktion ab einem bestimmten Alter:

Die Variable ist ein Kunstgriff für die Berechnung dieser Funktion, da wir für eine Summe eine flexible Variable benötigen, die mehrere Zustände während einer Berechnung annehmen kann. Die unabhängigen Variablen sind dafür nicht geeignet, da sie nur fixe Start- oder Endpunkte darstellen. Es wäre verwirrend und mathematisch nicht korrekt, für den Zählindex die gleichen Variablen zu verwenden wie für unabhängige Variablen. T stellt also den Zählindex dar, welcher den Bereich zwischen zwei statischen Variablen abdeckt. Für unsere Survivorfunktion würde das bedeuten, wir suchen für die unabhängige Variable T mit Hilfe der Rechenoperation einer Summe die abhängige Variable G. T muss verschiedene Werte annehmen, die sich zwischen den fixen Startpunkten τ und τmax befinden. P ist die relative Sterbehäufigkeit für ein bestimmtes Alter, die sich mit jedem Alter (also τ) ändert. Bei der Berechnung der Survivorfunktion ist die Sterbehäufigkeit P daher die abhängige Variable in Bezug auf ein bestimmtes Alter τ, aber auch die unabhängige Variable in Bezug auf die Survivor G. Diese Zwischenstellung löst der Zählindex T auf.

Autor: Robert Nasarek

1.1 Buchführungsgleichungen

Dem historischen Demografen stehen zur Befüllung der Buchführungsgleichungen meist punktuelle Bevölkerungszahlen aus Zivilstandsregister, Volkszählungen oder vitalstatistischen Daten aus Kirchenbüchern zur Verfügung. Bei den Vitaldaten ist auf die Begrifflichkeit zu achten: Taufen sind keine Geburten und Begräbnisse keine Sterbefälle. Der bürokratische Umgang mit illegitimen Geburten und Totgeburten ist mehr oder weniger lasch, auch Migration ist oft schlecht vermerkt. Die Buchführungsgleichungen der modernen Demografie sind daher mit Vorsicht zu verwenden. Zur Einführung in erste Berechnungen sind sie aber durchaus nützlich. Wenn ich die Bevölkerungszahl einer Zeitstelle nt wissen möchte, benötige ich zumindest die Bevölkerungszahl der vorhergehenden Zeitstelle nt-1, die Geburtenzahlen bt und Immigrationszahlen mti meiner Zeitstelle, die Sterbezahlen bt-1 und Emmigrationszahlen m0t-1 der vorhergehenden Zeitstelle. Geburten und Immigration werden der Bevölkerung hinzugerechnet, Sterbefälle und Emigration werden abgezogen.

Beispiel:

Wir wollen die Bevölkerungsbewegung eines kleinen Städtchens namens Demotopia untersuchen. Stellen wir uns vor, wir wüssten nur den Bevölkerungsstand aus dem Jahr 1750 und die nachfolgenden Reihen der Geburten, Sterbefälle und der Migration. Wie groß war die Bevölkerung am Ende des Jahres 1751?

Diese simple Rechnung kann doch zu einiger Verwirrung führen, wenn man sich nicht klarmacht, an welcher Zeitstelle die Zahlen gültig sind. Wäre der Bevölkerungsstand für den Beginn des Jahres angegeben (t), würde die Formel eine etwas andere Form n=n1751+b1751-d1751+mi1751-m01751 erhalten. Man muss immer klarmachen, ob man sich am Anfang oder am Ende einer Zeitstelle befindet.

Autor: Robert Nasarek

1.2 Relative Sterbehäufigkeit

Die Häufigkeitsfunktion Pt(τ) zeigt die relativen Populationsanteile, die in einem Jahr t in einem bestimmten Alter gestorben sind. Kurz: Sie gibt Auskunft darüber, wie viele Personen in einem Alter sterben. Zur Berechnung benötigen wir die Gesamtbevölkerung Ω eines Jahres t und die Sterbefälle nach Altersangaben dt,τ für dasselbe Jahr.

Beispiel:

Wir wissen die Sterbe- und Bevölkerungsdaten des fiktiven Städtchens Demotopia. Die Sterbealter und die dazugehörigen absoluten und relativen Sterbehäufigkeiten der Bewohner für das Jahr t sind aus Tabelle 2 zu entnehmen. Von insgesamt 2092 Sterbefällen fanden vier in einem Alter von 23 Jahren statt.

Damit sterben circa 0,2% aller 23jährigen Person in ihrem Alter.

Autor: Robert Nasarek