Als im akademischen Jahr 2021/22 die Studienanfänger*innen kamen, war ich mit einer Grundlagenvorlesung dran und hatte ziemlich viel Respekt vor dieser Aufgabe. Noch in der Pandemie, mit unterschiedlichen Einschränkungen und all unseren Erfahrungen, inklusive Uni, Schule und Abitur unter Pandemiebedingungen, war ich nicht sicher, in welcher psychischen Verfassung wir uns da gegenübertreten würden. Dementsprechend gut war ich vorbereitet und habe mir jenseits des inhaltlichen Konzepts überlegt, welche Haltung ich bräuchte, um es mir und den Studis etwas leichter zu machen. Dabei kam dann das „Jahr des großen offenen Herzens“ heraus. Auch als mein Mann starb, blieb ich bei dieser Haltung und lief weiter mit offenem Herzen durch die Welt, und vor allem in den Hörsaal, denn ich hatte das Gefühl, dass diese Offenheit und Zugänglichkeit ein wichtiger Baustein in den gut laufenden Lehrveranstaltungen waren. Auch die Studis begegneten mir mit viel Offenheit und Vertrauen, und so kamen wir gemeinsam viel besser als erwartet durch dieses erste Studienjahr, das trotz abnehmender Dramatik bei der Pandemie immer noch ziemlich ungewöhnlich war. Ich habe mir dann für das nächste akademische Jahr nichts Neues überlegt, sondern bin einfach dabei geblieben. Das Herzensthema wurde sogar automatisch größer und präsenter, denn in meiner Trauerarbeit hat die ganze Zeit meine Intuition eine große Rolle gespielt.
Aber als jetzt das Jahr 2022 zuende ging, hatte ich das Bedürfnis, darüber nachzudenken, ob ein neues Thema dran sein könnte. Gute Vorsätze sind ja nicht so mein Ding, und dazu habe ich auch schon mehrfach hier etwas geschrieben, aber ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, Themen zu setzen. Das Thema Intuition ist immer noch groß und war daher naheliegend. Aber da war noch etwas anderes, was ich zuerst nicht fassen konnte und was mir erst richtig ins Bewusstsein rückte, als ich über den Jahreswechsel stark erkältet zuhause saß und insgesamt nur wenig von meinen geplanten Aktivitäten, Besuchen etc. umsetzen konnte. Ich fühlte mich hundeelend, war traurig und wütend, und in diesem Gefühlsmix kam dann das Thema. Ganz klar.
Radikale Akzeptanz. Mein Thema für dieses Jahr wird sein, radikal zu akzeptieren, was los ist, und mir dann Zeit zu nehmen, um darauf zu reagieren. Oder eben nicht. Egal, ob es die Umstände sind, oder anstrengende Menschen, oder Termine, oder die nächsten Tiefpunkte in meiner Trauerarbeit – ich möchte üben, ruhig zu bleiben, die Situation zu akzeptieren und erst dann zu gucken, wie ich mich fühle und warum und was es ggf. zu tun gibt. Die Idee ist nicht neu, ich habe im Zusammenhang mit Buddhismus schon mehrfach dazu gelesen, und für mich ist das Thema jetzt mal so richtig dran.
Welches Thema ist bei Ihnen dran? Oder sind Sie eher der „Gute Vorsätze“-Typ? Oder vielleicht spielt der kalendarische Jahreswechsel auch gar keine Rolle?