Inspiration ist mal wieder das Schwimmbecken. Ich finde interessant, wie wir uns dort (meistens) unausgesprochen auf die verschiedenen Bahnen verteilen. Das fällt besonders dann auf, wenn auf einer Bahn mehrere Personen mit unterschiedlichen Tempi schwimmen und wenn eine Neusortierung dafür sorgen würde, dass mehr Leute mit ähnlichem Tempo auf der gleichen Bahn sind. Weniger Ausweichbewegungen, weniger Überholmanöver – es hätte Vorteile! Aber aus Gewohnheit bleiben wir dort, wo wir nun mal immer sind.
Zuletzt fiel mir auf, wie manche Mitmenschen ihr Tempo beim Schwimmen verändern. Da gibt es die, die am Anfang und am Ende ganz schnell schwimmen und dazwischen gemütlich. Oder die, die in Gesellschaft langsam schwimmen und quatschen (und dabei manchmal andere stören), aber allein ziehen sie zügig ihre Bahnen. Manche haben feste Routinen, manche stoppen die Zeit, manche zählen einfach ihre Bahnen, und dann sind da noch die, deren Tempo ich einfach nicht verstehe. Zum Beispiel setzen sie an, mich zu überholen, sind aber kaum schneller als ich, und dann entsteht am Ende der Bahn eine seltsame Situation. Oder sie sind wirklich schneller, aber wenn ich sie in einem geeigneten Moment vorbeilassen möchte, finden sie das nicht gut. Mit anderen klappt das dagegen problem- und geräuschlos.
Besonders ist mir aufgefallen, wie manche ihr Tempo verändern je nachdem, ob sie in einer Bahn vorneweg schwimmen, mittendrin oder ganz am Ende. Auch ich gehöre manchmal zu diesen Leuten und passe mein Tempo etwas an, wenn es voll ist und ich die Anzahl der Überholmanöver minimieren möchte. Und einmal ist es mir so sehr aufgefallen, dass mein Gehirn auf eine Seitenstraße abgebogen ist: Ist das wie im richtigen Leben? Manche haben ihren eigenen inneren Kompass, ihr eigenes inneres Tempo, und andere richten sich danach, was die anderen machen? Und wenn vor ihnen jemand schneller läuft, dann strengen sie sich mehr an?
Kurz vor meinem ersten und einzigen Halbmarathon ist mir das bei einem Lauf passiert. 12 oder 15 km, das weiß ich nicht mehr, und da haben ein anderer, mir fremder Mitläufer und ich uns gegenseitig zu Höchstleistungen angestachelt, indem wir uns gegen Ende der Strecke immer wieder gegenseitig überholt haben. Mir fiel beim Schwimmen auch wieder ein, wie bei Kursen im Fitness-Studio die einen besonders motiviert waren, wenn die Kursleitung viel fitter war als sie selbst und am besten noch so aussah, wie sie selbst gern aussehen würden (Team „Ziel vor Augen“), und andere waren motivierter, wenn die Kursleitung genau so schwitzte und sich anstrengte wie wir, und wenn da eben gerade nicht alles perfekt aussah (Team „Alle im selben Boot“).
Also habe ich überlegt:
Wann motiviert es mich, wenn vor mir jemand schneller läuft?
Oder wenn ich überholt werde?
Wann finde ich es demotivierend?
Wo spornt Wettbewerb mich an, wo finde ich ihn überflüssig oder sogar kontraproduktiv?
Wo entstehen Nebeneffekte, vielleicht sogar erst langfristig, vielleicht sogar am Ende Nachteile für alle?
Wenn ich das Gefühl habe, im Wettbewerb zu stehen, und mich dann bewusst oder unbewusst an die Regeln des Wettbewerbs anpasse – wo bleibt dann Potential liegen?
Einfach nur, weil es nicht zu den Regeln des Wettbewerbs passt?
Was würde passieren, wenn wir gewisse Talente nicht weiter entwickeln würden oder gewisse Ideen nicht in die Tat umsetzen würden, einfach nur, weil sie nicht zum gerade laufenden Wettbewerb passen?