Wann haben Sie zuletzt „Nein“ gesagt, weil Sie sich nicht bereit gefühlt haben? Zu einer beruflichen Möglichkeit, einem Amt, einer neuen Zusammenarbeit? Wann haben Sie zuletzt „Ja“ gesagt, obwohl Sie sich nicht oder nicht vollständig bereit gefühlt haben?
Mir fallen extreme Beispiele ein, wie zum Beispiel Menschen, die ohne Vorkenntnisse und passende Kleidung bzw. Ausrüstung in den Bergen wandern und dann aufwändig gerettet werden müssen. Das ist einfach unnötig. Und manchmal wirft uns das Leben in eine Situation und wir sind einfach nicht bereit, nichts konnte uns darauf vorbereiten.
Was ich hier eher meine, sind Situationen in der Grauzone. Ein Sprachkurs auf einem Niveau, das eigentlich zu hoch ist. Die Teilnahme an einer Konferenz, obwohl man fachlich noch nicht so weit ist, um viel zu verstehen. Dann kann es sogar ein Vorteil sein, sich noch nicht ganz bereit zu fühlen! Man geht etwas aus der Komfortzone raus, und solange man niemanden der anderen stört, kann man schnell Fortschritte machen und die im Nachhinein auch gut sehen. Passt nicht fuer alle, und auch nicht für alle Umstände – manchmal wollen wir genau an unserem Level und didaktisch wertvoll weiter lernen und möglichst lange in der Komfortzone bleiben. Aber ich habe schon öfter ganz schnell ganz viel gelernt in einer Umgebung, die eben nicht ganz zu mir passte und wo ich mich überfordert fühlte. Zumal andere, die schon weiter waren, mich dann so richtig motiviert haben, mich reinzuhängen. Auf Konferenzen zu gehen, auf denen ich noch nicht so viel verstanden habe, war zum Beispiel jahrelang richtig gut – mit der Zeit habe ich immer mehr verstanden, habe Leute wiedergesehen und Themen wiedererkannt und habe mit der Zeit bemerkt, wie viel ich dazugelernt hatte. Das war während und nach der Promotion wichtig, denn es finden ja nicht ständig Prüfungen statt, in denen man bewertet wird und eine Rückmeldung darüber bekommt, wie viel man gelernt und verstanden hat.
Ich kenne aber auch die andere Erfahrung, wo genau diese Überforderung demotivierend ist. Und ich sehe manchmal bei Studis die das Thema „Vorkenntnisse“ nicht ernst nehmen, wie frustrierend es sein kann, wenn genau diese fehlen und man deshalb von Anfang an abgehängt ist.
Wo ist das passgenaue „bereit sein“ wichtig, wo nicht?
Wann nehme ich auch dann etwas mit, wenn ich noch nicht bereit bin, und kann es langsam reifen lassen, bis es so weit ist?
Wo kann „nicht bereit sei “ mir sogar eine neue Perspektive eröffnen, die ich sonst nicht hätte?
Und wie spannend wird es erst, wenn wir denken, dass wir bereit sind, und dann merken, dass das gar nicht so ist?