Gerade muss ich selbst ganz oft ganz viel gleichzeitig halten, und ich lerne noch, wie das besser geht und was mir hilft. Bei einigen anderen Menschen habe ich in letzter Zeit sehen können, was die gleichzeitig an Stress, Unsicherheit und Angst halten und wie sie sogar dabei noch Leistung abrufen, zum Beispiel in Prüfungen. Sehr beeindruckend.
Hier möchte ich das aus ein paar Richtungen beleuchten und Fragen stellen, die ich hilfreich fand. Zuerst geht es um emotionale Dissonanz. Die Bezeichnung habe ich mir (wahrscheinlich) ausgedacht in Anlehnung an kognitive Dissonanz, und ich meine damit die Spannung, die wir fühlen, wenn widersprüchliche Gefühle gleichzeitig da sind. Ich verzweifle daran manchmal, bevor ich merke, was los ist, weil nämlich oft eins oder mehrere Gefühle dominant sind und die anderen, die dazu widersprüchlichen, sich nicht so klar anfühlen und stattdessen einfach nur für diffuses Unwohlsein sorgen. Zum Beispiel könnte ich mich auf eine Familienfeier freuen, aber gleichzeitig ein inneres Knirschen spueren. Wenn mir dann klar wird, dass ich da einer Person begegne, die ich bei der letzten Familienfeier unangenehm fand (zu viel Alkohol, seltsame politische Ansichten oder so) und dass ich daher nicht nur Freude empfinde, sondern auch Unbehagen, dann kann ich das als emotionale Dissonanz verstehen und kann besser damit umgehen. Bei mir funktioniert es, einfach nur innerlich auszusprechen, dass da jetzt widersprüchliche Gefühle oder Erwartungen sind und dass es ok ist, dass die gleichzeitig da sind. Ich freue mich auf einige Leute und möchte anderen gern aus dem Weg gehen, weiß nicht, wie gut das gelingen wird etc.. Vielleicht mischt sich auch noch mehr rein, z. B. ambivalente Gefühle wegen der Reise oder Stress drumherum im Terminkalender. Sehen, benennen, aussprechen, und akzeptieren, dass das alles gleichzeitig da ist.
Je größer die Gefühle sind und je schwieriger, desto mehr wird das zu Haltearbeit. Dabei habe ich innerlich geübt, eine Richtung zu formulieren: Wenn ich akzeptiere, dass die Gefühle xy (Schmerz, Angst, Wut,…) da sind, wie kann ich dann trotzdem noch offen in die Situation reingehen? Geht es, was hilft mir dann, was gibt es für gute Gründe dafuer? Oder geht es vielleicht nicht, und ich brauche einen Notausgang? Wenn die Haltearbeit gut funktioniert, bin ich manchmal überrascht, wie positiv es dann insgesamt läuft und dass die eine oder andere befürchtete Katastrophe nicht eintritt. Aber das Wahrnehmen und Halten ist wichtig, denn wenn es dann doch schlimm wird, bin ich wenigstens vorbereitet.
Es hilft auch, zu sortieren, welche Gefühle in die konkrete Situation gehören und welche eigentlich alt sind. Welche zu mir gehören und wo ich etwas für eine andere Person übernehme. Oder wo sich Effekte gegenseitig beeinflussen, Gefühle sich gegenseitig verstärken. So entsteht bei mir ein Wechselspiel von Klären und Halten, die Klärung macht es einfacher, und dann wird auch deutlicher, welche Persönlichkeitsanteile wach und präsent sein müssen, damit ich in der schwierigen Situation einigermaßen klarkomme.
Was halten Sie? Woher kennen Sie emotionale Dissonanz? Und wie schaffen Sie es, sich auf schwierige Szenarien vorzubereiten und gleichzeitig offen dafür zu sein, dass es gar nicht so schlimm wird?