Zwei Schwimmbecken, etwa gleich groß. Das eine hat mehrere Abgrenzungen, die das Becken in einen recht großen Bereich und mehrere Bahnen unterteilen. In jeder Bahn können zwei Leute nebeneinander schwimmen, und eine ist speziell für sportlich schwimmende Leute gekennzeichnet. Das andere Becken hat keine solchen Abgrenzungen. Es ist einfach ein großes Becken. Manche schwimmen lieber am Rand, manche in der Mitte, manche schnell, manche langsam, manche quatschen die Hälfte der Zeit. Die meisten schwimmen in einer Bahn hin und her, jedenfalls ungefähr, man arrangiert sich irgendwie. Ab und zu kommt jemand und pflügt sich kraulend zwischen den anderen durch’s Wasser. Mehr oder weniger rücksichtsvoll.
Im Becken ohne Abgrenzungen fühle ich mich weniger wohl, werde öfter getreten oder bekomme literweise Wasser ins Gesicht gespritzt. Obwohl da viel weniger Leute schwimmen. Die unklaren Bahnen, das Bestehen auf der eigenen Bahn, auf der man hin- und herschwimmt und die man eher nicht teilt, und die einzelnen Leute, die auftauchen, wenn man sich halbwegs arrangiert hat und die dann mitten durch uns alle ihre Bahnen kraulen, stressen mich. Während ich auf der einen Seite der quatschenden Vierergruppe ausweiche, werde ich auf der anderen Seite getreten.
Das passiert im Becken mit den Abgrenzungen fast nie, obwohl da insgesamt viel mehr Leute schwimmen. Mit den Abgrenzungen kommen ungeschriebene Regeln: Man schwimmt auf der einen Seite hin, auf der anderen zurück, man weicht ein wenig aus und macht so pro Bahn locker für drei, vier, fünf Leute Platz. Beim sturen Hin- und Herschwimmen wären es nur zwei. Man kennt irgendwann die Leute, weiß etwa, wer ein ähnliches Schwimmtempo hat, wo mal Leute zum Quatschen Pause machen,ab welchem Tempo man sich auf die sportliche Bahn traut. Im größeren Bereich, ohne Unterteilung, wird gequatscht und irgendwie zufällig herumgeschwommen, ständig muss man jemandem ausweichen.
Inzwischen gehe ich viel lieber in die Halle mit den Abtrennungen. Sogar dann, wenn es etwas voller ist. Ich suche mir eine Bahn mit ein paar Leuten, die ähnlich schnell schwimmen wie ich, und dann läuft das schon. Die Regeln sind klar, wir nehmen Rücksicht. Die Begrenzung fühlt sich gut an. Ich fühle mich freier, muss weniger ungeordnet ausweichen, kann mich mehr auf das Schwimmen selbst konzentrieren. Es ist unintuitiv, aber die Abgrenzung schafft mehr Freiheit.
Ist es unintuitiv?
Manche der großartigsten künstlerischen Momente, die ich erleben durfte (selbst oder als Zuschauerin), entstanden unter Einschränkungen.
Eine Verletzung, ein eingeschränkter Körper.
Eine klemmende Taste am Flügel.
Eine winzige Bühne.
Freiheit ist nicht unbedingt die Abwesenheit von Regeln. Und die größte Kreativität entsteht nicht unbedingt dann, wenn man gar keine Vorgaben macht.
Oder?
Was denken Sie?
In welchem Schwimmbecken würden Sie sich wohler fühlen?