QED oder auch q.e.d., so enden oft Beweise in der Mathematik.
Dabei hat so ein Beweis mindestens zwei Funktionen, jedenfalls in meiner Wahrnehmung, denn er beantwortet u.a. die folgenden beiden Fragen:
- Stimmt das wirklich, was wir da behaupten?
- Warum stimmt es? Wie ist die neue Erkenntnis mit
unserem bereits vorhandenen Wissen verknüpft?
Eigentlich komme ich aber auf anderem Wege auf das Thema „beweisen“. Denn mir ist aufgefallen, dass einige Menschen, die ich sehr angenehm finde, die eine entspannte, ruhige Gelassenheit an sich haben, etwas gemeinsam haben:
Sie müssen nichts mehr beweisen.
Oder, vielleicht wichtiger, sie haben das Gefühl, nichts (mehr?) beweisen zu müssen. Menschen, die mich irritieren und irgendwie ratlos zurücklassen, haben oft eine Aura von Geltungsdrang, von sich-wichtig-machen, und das empfinde ich als ziemlich entgegengesetzt zu dieser Lässigkeit des „Ich muss nichts mehr beweisen.“. Fallen Ihnen Leute aus diesen beiden Kategorien ein? Fühlen Sie sich da beschrieben, auf der einen oder anderen Seite, oder erkennen Sie sich in Facetten wieder oder in gewissen Lebensphasen?
Tatsächlich beneide ich Menschen, die aufwachsen mit dem Gefühl, einfach ok zu sein, liebenswert, interessant, wertvoll. Auch die haben vielleicht phasenweise das Gefühl, etwas beweisen zu müssen, aber dann ist es eher konkret, nach dem Motto „Ich schaffe das Studium, obwohl etwas früher als geplant das erste Kind gekommen ist“ oder „Ich beende die Schule mit einem Abschluss, obwohl meine beiden Eltern das nicht geschafft haben und beide keine Arbeit haben“. Das Gefühl, etwas beweisen zu müssen oder zu wollen, kann eine starke Triebfeder sein und richtig viel Energie freisetzen. So, wie manche Menschen auf Niederlagen oder Widerstände mit Trotz reagieren und nicht mit Ausreden oder Resignation. Das gibt ihnen dann die Energie, die sie brauchen, und ich war schon mehrfach von solchen Menschen schwer beeindruckt. Wer fällt Ihnen dazu ein? Haben Sie da Leute vor Ihrem inneren Auge? Passt etwas davon auf Sie selbst?
Die grundsätzliche „Ich muss etwas beweisen“-Ausstrahlung ist anders. Etwas ist anders an diesen Menschen, es irritiert mich und ich finde es auf Dauer auch anstrengend. Sie wirken oft nicht authentisch, um eine gewisse Fassade bemüht, scheinen ein klar umrissenes Bild von sich erzeugen zu wollen. Man merkt ihnen an, dass das mühsam ist, und ich spüre oft die feinen Risse in der Fassade. Manche gehen souverän damit um, sind sich dessen bewusst, dass es da eine noch zu erledigende innere Aufgabe gibt oder dass sie das Gefühl haben, etwas kompensieren zu müssen, und dass sie sich damit auch manchmal selbst im Weg stehen. Solche Leute habe ich schon kennengelernt. Da hat sich dann oft Bewunderung für den großen Einsatz auf dem Weg zum Ziel vermischt mit etwas Bedauern darüber, dass sie selbst (noch) nicht erkennen, wie wertvoll sie auch ohne diese konkreten Erfolge oder Besitztümer sind. Mit solchen Leuten komme ich besser klar als mit denen, die das selbst nicht (oder nicht bewusst, nicht offen) wahrnehmen, die aber ein gewisses Bild von sich projizieren wollen, mit äußerlichen Erfolgsattributen, und bei denen alles irgendwie „drüber“ ist. Zu viel Gerede über die fantastischen und ach so außergewöhnlichen Kinder, oder darüber, wie toll man von allen bei der Arbeit gefunden wird und dass man dort jede Woche für die unglaublich guten selbstgebackenen Muffins gefeiert wird. Alles ist irgendwie zu viel, zu toll, es wirkt aufgesetzt oder sogar affektiert, und es kommt oft mit einer Aura von „Bestätige mir, wie toll ich bin!“ daher.
Anstrengend.
(Na, wer fällt Ihnen hier ein?)
Umso krasser, wenn man bei einer Person ein solches Verhalten als Phase miterlebt (und sich denkt, dass die Person toll ist und so etwas gar nicht nötig hat) und man dann dabei ist, wie sich etwas ändert. Es kann plötzlich kommen, mit einem konkreten Anlass, oder nach und nach, durch Älterwerden, durch Vorbilder, durch einen neuen Freundeskreis, durch mehr Reflektion über das Bild, das man von sich selbst hat und wo man eigentlich hinmöchte. Und dann haben die Leute es irgendwann nicht mehr nötig, so dick aufzutragen. Sie wirken gelassener. Wie angekommen. Weil sie nichts (mehr) beweisen müssen.
Ich möchte Sie einladen, eine ehrliche Liste zu machen mit den Lebensbereichen, in denen Sie das Gefühl haben, noch etwas beweisen zu müssen. Was genau ist das, und warum?