Wie haben Sie sich das letzte Mal gefühlt, als Sie ein Ziel erreicht haben?
Oder eine Herausforderung geschafft?
Wie oft setzen Sie sich Ziele, und wie?
Nehmen Sie bewusst Herausforderungen an?
Suchen Sie diese sogar?
Falls nicht, warum nicht?
Ich schreibe immer mal wieder über Ziele und Gewohnheiten, das Thema beschäftigt mich oft und man kann so herrlich beobachten, wie das Verhalten von Menschen von Zielen oder Gewohnheiten beeinflusst wird.
Eins meiner Lieblingsbeispiele ist das große Ziel „Marathon laufen“ und wie unterschiedlich die Leute sich dann hinterher fühlen, je nachdem, wie sie darauf hingearbeitet haben und was für Erwartungen sie hatten. Hier möchte ich das aufgreifen und die Perspektive noch einmal verändern,
mit folgenden Fragen:
Wenn Sie das Ziel hatten, einen Marathon zu laufen, wenn Sie trainiert und sich vorbereitet haben und dann am Tag des Laufs so erkältet sind, dass Sie nicht mitlaufen können – war dann die ganze Vorbereitung umsonst?
Wenn ich versuche, einen schwierigen mathematischen Satz zu beweisen, und es mir nicht gelingt, war dann die ganze Arbeit daran umsonst?
Wenn eine Studentin sich eine neue Lern- und Arbeitsmethode überlegt und dann weniger Prüfungsangst hat und bessere Noten als vorher, sie aber nicht angstfrei ist und auch nicht überall ihre Zielnote erreicht, war die Arbeit an den neuen Methoden dann umsonst?
Ok, ich habe mir nicht besonders viel Mühe gegeben, die Fragen neutral zu formulieren. Bestimmt haben Sie beim Lesen gedacht „Ja, schon gut, ich habe es verstanden.“ Vielleicht aber auch nicht, denn es könnte sein, dass Sie anderer Auffassung sind. Vielleicht ist für Sie ein nicht erreichtes Ziel grundsätzlich eine Niederlage. Die Frage ist, was wir gewinnen, wenn wir das so sehen. Ich habe also für den Marathon trainiert, bin fitter geworden, habe gute neue Gewohnheiten, und das ist alles nichts wert, nur weil ich an einem bestimmten Tag einen bestimmten Lauf nicht gemacht habe? Ich habe den gewünschten Beweis nicht hingekriegt, habe aber viele Zwischenresultate bewiesen und Strategien aufgedeckt, die (zumindest so) nicht funktionieren, und dieser Wissenszuwachs ist wertlos? Ich habe meine Lern- und Arbeitsmethode verändert und habe weniger Angst bei Prüfungen, und das ist nichts wert, nur weil ich nicht überall meine Zielnote erreicht habe?
Kann man so sehen, aber ich empfinde das als Verschwendung. Man kann das gewünschte Ziel verfehlen und trotzdem ganz viel gewinnen. Das „Alles oder nichts“ denken, bei dem man nur vollständige Erfolge feiert, kann unbewusst sogar dazu führen, dass wir nichts versuchen, was wirklich schwierig ist. Dass wir Herausforderungen ausweichen. Wieder: völlig ok, kann man so machen. Ist aber ein bisschen langweilig, oder?
Wie wäre es stattdessen, durchaus ehrgeizige Ziele zu haben, sich aber vorher zu überlegen, wovon man unterwegs auf jeden Fall profitiert? Auch dann, wenn man das Ziel nicht (vollständig) erreicht? Wie wäre es, wenn wir öfter sagen „Challenge accepted!“, in dem Wissen, dass es vielleicht zu schwierig ist, dass wir durch diese Herausforderung auf jeden Fall etwas lernen und dass eine „Niederlage“ dabei eingepreist ist?