Ganz sicher?

Warnhinweis:
Das ist ein Text für Besserwisser*innen, Rechthaber*innen und Klugschei… Sie wissen schon.

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Grundsätzlich? Manchmal?
Oder früher mal, und jetzt nicht mehr so?

Ich muss leider zugeben, dass ich ganz schön rechthaberisch und besserwisserisch bin. Liegt bei mir total in der Familie. Und das hat mich wahrscheinlich gerettet, denn ich sehe dieses Verhalten sehr oft und finde es wahlweise lustig oder auch ganz schön abschreckend, und das hilft dabei, es bei mir selbst wahrzunehmen und daran zu arbeiten.

Wahrscheinlich ist also meine Familie der Grund dafür, dass ich die Rechthaberei meistens auf ein sozialverträglich Maß reduzieren kann. In meinem beruflichen Umfeld begegne ich (naturgemäss und unterstützt durch den Halo Effect) auch sehr vielen Menschen, die immer recht haben und alles wissen. Oder das jedenfalls denken. Zum Glück tritt es auch da oft nur in sozialverträglichen Dosen auf. Trotzdem geht es in diesem Text darum, wachsam zu sein, sich immer wieder an die eigene Nase zu fassen und genug Raum für Zweifel zu lassen. Ausgelöst wurde das bei mir ganz konkret durch zwei Ereignisse, die innerhalb eines Zeitraums von ca. vier Wochen passiert sind.

Die schildere ich jetzt und lasse Sie ein bisschen an meinem „Hochmut kommt vor dem Fall“-Gefühl teilhaben, weil solche Erlebnisse vor zu viel Besserwisserei schützen (können). Eigentlich klar, in der Wissenschaft, dass wir zweifeln und nicht glauben sollten, alles zu wissen, aber irgendwie klappt das bei vielen von uns nicht so gut.

Also los:
Die erste Situation war am Ende eines Vortrags, als jemand Literaturempfehlungen gab und ich ganz sicher war, dass eine davon unpassend war. Ich war mir ganz sicher, dass das, worum es ging, in dem angegebenen Buch nicht zu finden ist. So sicher, dass ich nach dem Vortrag hinging und nachfragte (nur unter vier Augen), ob ich das richtig verstanden hätte. Hätte ja ein Missverständnis sein können, oder ein falscher Titel, eine neue Ausgabe, was auch immer. Nein, wir meinten das gleiche Buch. Ich verabschiedete mich mit einem „Oh, da erinnere ich mich gar nicht dran, ich muss in meinem Exemplar mal nachschauen.“ Und dachte „Das steht da nicht drin. 100%.“ Ich lag falsch.

Die zweite Situation war in einem Restaurant, wo an einem großen Tisch eine große, sehr laute Familie saß. Mehrere Genrationen, und zum Unterhaltungsprogramm gehörte es, eins der Kinder wie in einer Quizshow auszufragen. Europäische Länder mit ihren Hauptstädten, Bundesländer mit ihren Hauptstädten. Als ich ging, startete gerade die Kopfrechenrunde. Abgesehen davon, dass ich das prinzipiell unangenehm fand und zu laut, zuckte ich ein paar Mal zusammen, weil es hieß, dass die Hauptstadt der Niederlande Amsterdam sei. Zucken Sie auch zusammen und denken „Ist das nicht Den Haag?“?

Egal, ob das stimmt oder nicht – es wäre übergriffig gewesen, zu dem Tisch zu gehen und in Frage zu stellen, was das Kind sagt und was vom Vater als richtig bewertet wird. Nicht meine Familie, nicht meine Baustelle, und wenn es falsch ist, dann wird das irgendwann auffallen und jemand korrigiert es. Zuhause hab ich trotzdem gleich nachgeschaut und die Erklärung für mein Gefühl gefunden: In Den Haag ist der Regierungssitz. Deshalb hing der Name dieser Stadt bei mir im Gehirn und „Amsterdam“ hörte sich falsch an. Immerhin, es hatte sich geklärt und ich hatte nichts „verfalschbessert“. Angesichts dessen, wie sicher ich mir aber zwischenzeitlich war, dass Den Haag auch die Hauptstadt der Niederlande ist, kam das gleiche Gefühl bei mir auf wie vorher, bei der Literaturangabe.

Wie oft passiert es wohl, dass ich Quatsch denke oder erzähle, obwohl ich mir 100% sicher bin, dass alles stimmt? Und das, obwohl ich mich im Zuge meines „Klugsch…“-Managements schon zurückhalte und oft vorsichtig formuliere. Insofern nehme ich diese beiden Erlebnisse als Lektionen. Es geht um Demut, gesunde Selbstzweifel, das Respektieren von Grenzen auch dann, wenn andere Menschen sich (tatsächlich oder vermeintlich) irren, und darum, noch mal innezuhalten besonders dann, wenn ich mir ganz, ganz sicher bin, dass ich recht habe. Dass man „recht haben“ so schreibt, muss ich übrigens auch immer mal wieder nachgucken. Mein Ego hat durch die Rechtschreibreform und nachfolgende Regelungen ganz schön gelitten. Aber das ist ein anderes Thema.

Wann haben Sie sich zuletzt geirrt und es gemerkt, nachdem Sie vorher ganz sicher waren, recht zu haben?
Haben Sie manchmal den Impuls, andere Leute zu korrigieren, auch wenn das gerade nicht zu Ihrer Rolle oder Aufgabe gehört?
Wann folgen Sie dem, wann nicht?

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