Präzision bei Entscheidungen

Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein?

Wenn ich in Gesprächen explizit um Rat gefragt werde zu Entscheidungen, dann sind das häufig akademisch junge Menschen, und es geht um sowas wie
„Wo soll ich mein Masterstudium machen?“,
„Sollte ich für eine Weile ins Ausland gehen?“ oder
„Will ich mich auf PostDoc-Stellen bewerben oder nach der Promotion die Uni verlassen?“.

Dann versuche ich erst mal, die Frage zu verstehen. Warum steht der Ort für das Masterstudium zur Diskussion? Warum überlegt die Person, ins Ausland zu gehen? Warum wären PostDoc-Stellen interessant, und was spricht dagegen, sich auf solche Stellen zu bewerben?

Dann wird häufig erst klar, worum es bei der Frage geht. Und es passiert häufig, dass die, die mich da um Rat fragen, zwei Situationen verwechseln:
1. Situationen, in denen man entscheidet, welche Optionen man interessant findet, wo man sich also zum Beispiel informiert, auf eine Stelle bewirbt oder eine Fortbildung macht.
2. Situationen, in denen man entscheidet, was für ein Angebot man annimmt.

Besonders deutlich wird mir das, wenn ich mit Menschen spreche, die mir sagen, sie hätten sich gegen eine Laufbahn in der Wissenschaft entschieden. Dann möchte ich immer gern fragen (und mache das manchmal auch), welches Stellenangebot oder welchen Ruf sie denn abgelehnt haben. Fast immer gab es ein solches Angebot gar nicht. Es war dann keine Entscheidung gegen eine wissenschaftliche Laufbahn. Vielleicht war es eine Entscheidung dagegen, es weiter zu versuchen. Vielleicht war es auch gar keine eigene Entscheidung, sondern es handelt sich um eine Geschichte. Eine Version der eigenen Laufbahn, die sich besser anhört als „Ich habe keine Stelle mehr an der Uni bekommen.“.

Das Beispiel macht vielleicht deutlich, dass es um verschiedene Qualitäten bei Entscheidungen geht, und wenn die Entscheidungen sich schwierig anfühlen, dann oft deshalb, weil die Situation noch unklar ist und wir nicht herausgearbeitet haben, welche Entscheidung eigentlich konkret ansteht.
Die Frage „Soll ich eine Promotion versuchen?“ ist vage. Warum überlegt man das? In welchem Gebiet wäre das interessant? Unter welchen Umständen, wo, wie finanziert, Vollzeit, Teilzeit? Wenn das Interesse an einer Promotion da ist, geht es darum, nach konkreten Möglichkeiten zu schauen. Die erste Entscheidung ist also nur:
Gucke ich nach Stellenangeboten?
Frage ich Menschen nach ihren Erfahrungen?
Aktiviere ich mein Netzwerk, um etwas über geplante Drittmittelprojekte zu erfahren?
Informiere ich mich über eine Industriepromotion?

Die nächste Entscheidung ist dann so etwas wie:
Bewerbe ich mich?
Wie viel Mühe gebe ich mir?
Was ist der Zeithorizont?

Und wenn dann ein konkretes Angebot da ist, oder mehrere, dann geht es um Abwägungen wie den Wohnort, das private Umfeld, welche der angebotenen Optionen gerade am besten passt etc. Der Blick auf die Schritte, die gerade anstehen, wird verstellt, wenn man die ganze Zeit die großen Fragen stellt und sich schon Geschichten erzählt dazu, was alles passieren könnte.
Ja, wir müssen überlegen, was wir wollen, und ja, es ist ganz oft sinnvoll, neben Plan A auch noch Plan B und C zu haben. Gar nicht notwendigerweise in Hierarchie, sondern vielleicht nebeneinander. Aber das heißt nicht, dass auch sofort Entscheidungen anstehen. Im Englischen gibt es dazu die schöne Wendung „We cross that bridge when we get there.“.

Wo neigen Sie dazu, vermeintlich anstehende Entscheidungen zu früh treffen zu wollen?
Wo fehlt Ihnen noch der Blick dafür, um welche Entscheidung es jetzt erst mal ganz konkret geht?
Können Sie ein Muster erkennen?
Wo wäre es angebracht, den Weg bis zur Brücke erst mal zu laufen?

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