Dies ist eine Aufforderung, um die Ecke zu denken.
oder zu fühlen.
Beispiel 1:
Zu Beginn einer Fortbildung stellen sich alle Teilnehmenden reihum kurz vor und werden dann nach ihren Erwartungen gefragt. Manche beantworten das mit „Ich bin hier, weil … “ und sprechen über Wünsche oder über Gründe, warum sie da sind. Vielleicht sagen sie, was sie gern lernen möchten.
Am Ende wird wieder eine Runde mit Fragen gemacht, und dort stellen dann einige fest, dass manche Aspekte der Fortbildung sie überrascht haben. Die Überraschung kommt daher, dass sie eben doch Erwartungen hatten – allerdings nur unbewusst. Auf Anfrage konnten sie die Erwartungen nicht formulieren, aber im Nachhinein, durch die Überraschung, wurde deutlich, dass es Erwartungen gab und wie die ungefähr aussahen.
Beispiel 2:
Eine Gruppe von Leuten tanzt, komplett frei und ohne Absprache, und die Musik ist von starken Rhythmen geprägt. Auf die Nachfrage, worauf sie beim Tanzen achten bzw. hören, gibt es keine klare Antwort. Intuition halt, es entsteht spontan. Nach einer Weile wird die Gruppe gebeten, beim nächsten Lied die Beats auf eine ganz bestimmte Weise zu interpretieren – sonst ist nichts vorgegeben.
Es wird losgetanzt und einige sind sehr irritiert, wie ungewohnt sich das anfühlt! Erst durch ausführliches Nachbesprechen kommt heraus, dass sie vorher eben doch nicht einfach nur alles frei interpretiert haben, sondern dass sie auf Dynamik, Lautstärke, Harmoniewechsel etc. geachtet haben und dass etwas fehlte, als sie „gezwungen“ waren, nur die Beats zu interpretieren.
Beispiel 3:
Ich bin erkältet, aber fast ohne Symptome. Etwas müde, sonst geht es mir gut, nur die Stimme ist etwas mitgenommen. Dann, am Morgen der nächsten Vorlesung, ist die Stimme komplett weg. Eine Vertretung ist so kurzfristig nicht möglich, ausfallen soll die Vorlesung auch nicht, also gehe ich in den Hörsaal und halte eine stumme Vorlesung.
Dabei beobachte ich nicht nur, dass der ganze Hörsaal mucksmäuschenstill ist und unglaublich aufmerksam, sondern es gibt hinterher auch zahlreiche Rückmeldungen von Studis, denen aufgefallen ist, wie sehr sie über die Ohren lernen.
Die Beispiele haben gemeinsam, dass hier im Nachhinein, manchmal
durch eine starke Veränderung, etwas aufgedeckt wurde, was durch direkte Abfrage oder Nachdenken nicht an die Oberfläche gekommen wäre. Der Impuls von außen durchbricht eine Gewohnheit, oder etwas fällt auf, weil es plötzlich fehlt oder man überrascht wird. Das können wir bewusst einsetzen, um nach blinden Flecken zu suchen und unsere Wahrnehmung zu schärfen.
Wo möchten Sie anfangen, um die Ecke zu denken?