Wenn ich Zeit mit meinen Nichten und Neffen verbringe, was momentan selten vorkommt, dann genieße ich diesen Effekt der Präsenz: Beim Lesen, Spielen, Toben, Knuddeln sind wir voll da, der Augenblick wird total ausgekostet und mir ist sehr bewusst, dass wir da gerade das erschaffen, was später im Rückblick Kindheitserinnerungen sind. Mit den Kindern erlebe ich aber auch Vorfreude und Ungeduld. Und wenn der Tag vorbei ist und wir etwas auf Morgen verschieben müssen: „Morgen ist doof, warum können wir das nicht jetzt machen?“. Ich bin gespannt, wie es wird, wenn sie noch etwas älter sind und eine genauere Vorstellung von Zeit haben. Wie sie sich erinnern, wie sie Entscheidungen treffen darüber, wie die Zeit verbracht werden soll.
Ich arbeite dran, finde es aber allein schwierig, diese Art von Präsenz zu erzeugen, die ich mit den Kindern habe. Dafür scheint das Verstreichen der Zeit mehr durch Erinnerungen und Vorfreude gestaltet zu werden. Und ich experimentiere jetzt damit, das Mittel der Vorfreude stärker zu nutzen. Es hilft, dass ich planungsaffin und nicht sehr spontan bin. (Ich bin wirklich geradezu lächerlich nicht-spontan.) Durch die lange Vorfreude auf einen Urlaub, zum Beispiel, wird das Erlebnis größer und die so verbrachte Zeit wird gefühlt ausgedehnt, so dass ich viel mehr vom Urlaub habe. Eine langfristige Planung bringt dann nicht nur „Oh, das dauert ja noch soooooo lange!“, sondern auch „Toll, ich kann mich da noch soooo lange drauf freuen!“. Zusammen mit dem entspannten Bewusstsein, dass der Urlaub selbst nie wie geplant läuft, entstehen so viele schöne Erinnerungen. Das Vergehen der Zeit wird so greifbarer für mich. Ohne die bewusste Planung und Vorfreude, ohne das innerliche Stehenbleiben währenddessen, fliegt alles einfach nur vorbei.
Während ich das weiter kultiviere, arbeite ich auch an mehr Spontaneität. Heißt, dass es einen gewissen Modus gibt, der ab und zu eingeschaltet wird und mit dem spontanes Verhalten möglich ist. Sieht oft wie ein Entscheidungsbaum aus, weil es so komplett spontan dann doch nicht geht, aber es ist plötzlich Raum für Improvisation. Das hat insofern etwas mit dem Verstreichen der Zeit zu tun, als so besonders witzige Erinnerungen zustande kommen. „Weißt Du noch, als wir spontan das und das machen wollten und das dann gar nicht geklappt hat und wir stattdessen das und das ausprobiert haben und dann den Zug verpasst haben und dann die und die Leute getroffen haben und dann auf dieser Party gelandet sind und einen Riesenspaß hatten?“
Und, wie bemerken Sie das Verstreichen der Zeit?