Über Wollen und Nicht-Wollen

„Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.“
Stimmen Sie dem zu?
Wie sieht es mit der Kontraposition aus?
„Wenn da kein Weg ist, dann ist da auch kein Wille.“
Denken Sie auch, dass alles erreichbar oder durchsetzbar ist, wenn man es nur genug will?

Ein anderer solcher Spruch ist
„Wenn man nicht wirklich will, dann findet man einen Grund.“
Stimmt das für Sie? Wollen Sie manchmal nicht und kommunizieren stattdessen „Ich kann nicht, weil…“?

Oder anders gefragt: Woran merken Sie, dass Sie etwas wirklich wollen, dass es Ihnen wirklich wichtig ist? Wie viel Einsatz zeigen Sie dann, wie sehr hängen Sie sich rein? Und woran merken Sie, dass Sie etwas nicht wollen? Was machen Sie, wenn Sie z.B. um einen Gefallen gebeten werden und keine Lust haben? Wenn es zwar prinzipiell möglich wäre, aber Sie gerade andere Prioritäten haben? Wie klingt bei Ihnen die Antwort „Nein.“?

„Oh nein, tut mir leid, aber ich habe keine Zeit.“
„Ich würde ja wirklich gern, aber ich kann nicht.“
„Entschuldigung, aber jetzt geht es wirklich nicht.“
Wie oft lassen Sie sich dann doch überzeugen?
Warum ist ein einfaches Nein so schwierig?

Mir fällt das auch schwer, und ich musste da zwei Dinge üben:

  1. Differenzieren. Manchmal ist es „Normalerweise mache ich … oder helfe bei …, aber diesmal nicht, weil…“ und manchmal ist es einfach „Nein, will ich nicht.“.
  2. Wirklich Nein sagen. Nicht „Vielleicht“ oder „Entschuldigung“, sondern „Nein“.

Je länger ich darüber nachdenke und je mehr ich das Differenzieren und das Nein-Sagen übe, desto klarer wird mir, dass es wirklich nur um Wollen und Nicht-Wollen geht, und um Klarheit darüber. Wenn ich etwas wirklich will, hänge ich mich rein. Das kann auch bedeuten, dass ich jemandem helfe, obwohl dafür keine Zeit eingeplant war und das Umstände macht. Oder Freizeit kostet. Oder dass ich mich für etwas einsetze, obwohl es viel Arbeit macht oder für Konflikte sorgt. Wenn der Wille also groß genug ist, dann finde ich einen Weg. Dabei hilft Sturheit! Nicht immer eine angenehme Eigenschaft, aber genau diese Dickköpfigkeit sorgt dafür, dass ich mehrmals gegen die gleiche Wand laufe und teste, was länger standhält – die Wand oder mein Kopf. Ich musste eher lernen, rechtzeitig zu merken, wenn ich wirklich nicht weiterkomme und ich mich also verabschieden muss – von dem, was ich will, oder von dem Weg, den ich eingeschlagen habe. Meine innere Stimme sagt dann immer „Das muss doch irgendwie gehen!“.

Woran merken Sie, dass Sie etwas wirklich wollen? Was sind Sie dann bereit zu mobilisieren? Wie fühlt es sich an, sich wirklich einzusetzen?

Nicht-Wollen ist komplizierter. Um das Nicht-Wollen wirklich zu spüren, muss ich mir ja zugestehen, dass meine Meinung bzw. das Gefühl des Nicht-Wollens überhaupt ihre Berechtigung haben. Manchmal wird man auf eine Art und Weise angesprochen oder um einen Gefallen gebeten, die nicht so wirkt, als ob ein Nein akzeptiert würde. Interessanterweise ist dabei egal, ob man eine sehr hilfsbereite Person ist (bei der dann erwartet wird, dass sie immer einspringt und hilft) oder ob man eher die anderen machen lässt (und dann ein schlechtes Gewissen bekommen soll, weil man ja sonst nie hilft). Wenn man dann also dem inneren Nicht-Wollen folgt, befürchtet man, die andere Person zu enttäuschen. Bin ich eine schlechte Kollegin, wenn ich Nein sage? Bin ich eine schlechte Schwester, Freundin, Lernpartnerin, wenn ich Nein sage? Wird die (Arbeits-)Beziehung oder Freundschaft dadurch belastet? Und wenn schon Nein, wie viel Ehrlichkeit verträgt dann die Beziehung? Wird die andere Person akzeptieren, dass ich einfach nicht möchte? Wir sagen doch auch deshalb so oft, dass wir keine Zeit haben (oder so), weil das sozialverträglicher ist. Dabei heißt „Ich habe keine Zeit.“ doch auch nur, dass wir die Zeit bereits anders verplant haben und unsere Prioritäten jetzt nicht ändern wollen. Wollen. Ich will nicht (meine Prioritäten ändern), aber sage stattdessen, dass ich keine Zeit habe (gebe also einen sozial akzeptierten Grund an).

Was davon kommt Ihnen bekannt vor? Wie ehrlich sind Sie sich und anderen gegenüber, wenn Sie etwas nicht wollen? Wie kommunizieren Sie dann? Haben Sie Angst um die Belastbarkeit von Beziehungen, wenn Sie Nein sagen? Was sagt das über diese Beziehungen aus? Akzeptieren Sie, wenn andere etwas nicht wollen? Wie reagieren Sie dann? Was für Reaktionen würden es Ihnen umgekehrt leichter machen, ein Nicht-Wollen ganz simpel und direkt zum Ausdruck zu bringen?

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