Bei meinem ersten Besuch reichten wenige Sekunden, um grob mitzubekommen, was die Regeln sind. Man schwimmt am Rand des ovalen Beckens lang, gegen den Uhrzeigersinn. Nach ein paar Tagen merke ich, wer die Stammgäste sind, und wir grüßen uns. Langsam sehe ich die Muster – wer schwimmt wann, wie lange, wie schnell, wer macht zwischendurch Gymnastik, wer kommt zu zweit und quatscht. Ich drehe meine Runden, weiche aus, lächle freundlich und bedanke mich, wenn jemand mir Platz macht. In meinem Kopf läuft Musik, und ich genieße das Wasser.
Heute bin ich die erste im Wasser. Mehrmals schon habe ich mich gefragt, warum wir eigentlich immer gegen den Uhrzeigersinn schwimmen, und heute denke ich: Warum nicht mal die andere Richtung? Immerhin bin ich die erste, und vielleicht gibt es ja die ungeschriebene Regel, dass man sich nach denen richtet, die schon im Wasser sind. Also schwimme ich los, genieße das wunderbare Gefühl der glatten Wasseroberfläche und beobachte die kleinen Wellen, die meine ruhigen Schwimmzüge auslösen. Dann kommt die nächste Person. Nun wird es spannend – wird sie mir folgen und auch im Uhrzeigersinn schwimmen? Leider nicht. Ich schwimme weiter, wir haben beide genug Platz, und ich warte gespannt auf die dritte Person. Auch da ist die Macht der Gewohnheit stärker. Ich schwimme ruhig weiter, in meinem Kopf läuft Musik. Immer mehr Leute kommen dazu. Als das Ausweichen immer schwieriger wird, entscheide ich, mich nach der Mehrheit zu richten und auch wieder gegen den Uhrzeigersinn zu schwimmen. Schade eigentlich.
Aber es ist ja nur ein Schwimmbecken.