Gleich zwei Mal ist es mir jetzt passiert, innerhalb kurzer Zeit, dass mich ein Buch nach den ersten Sätzen schon begeistert hat. Auch wegen der Themen, aber vor allem, weil da so kraftvoll mit unserer Sprache gearbeitet wird. Was passiert da? Wir haben doch ab einer gewissen Sprachkompetenz einen ähnlichen Wortschatz, und doch machen manche Menschen da gar nichts draus und andere zaubern.
Manchmal passiert es auch in einem mittelmäßigen Buch und ist dann überrraschend. Ein Satz, einfach so, der genau trifft. Ich kenne die Wörter, wäre aber nicht auf die Idee gekommen, die so und in genau der Reihenfolge zu benutzen. Und dann bin ich hingerissen von der Wucht, die diese Wörter in dieser Reihenfolge plötzlich haben. Auch in Vorträgen, in politischen Reden, in einer Diskussionssendung, einem Podcast, da passiert es plötzlich: Ein Satz, eine Formulierung, ein Vergleich, eine Umschreibung, und ich bin von den Socken. Unschlagbar wird es zusammen mit Artikulation und Mimik: Jean-Luc Picard auf der Enterprise in einer Schlüsselszene, ganz ruhig, mit reduzierter Mimik, aber kraftvoller Artikulation und, natürlich, mit den richtigen Worten.
Die Macht der Worte zeigt sich mir auch dann, wenn wir etwas mal nicht nur denken, sondern aufschreiben oder aussprechen. Oder wenn wir etwas hören. Wie oft denke ich dann: Ja stimmt, hätte ich mir auch selbst denken können. Aber hab ich halt nicht. Und denken hätte vielleicht auch nicht gereicht, es musste vielleicht mal gesagt werden. Es muss klingen, die Worte müssen ihren ganzen Geschmack, ihre ganze Farbe entfalten und erzeugen dann Resonanz. Vielleicht wird eine Erinnerung angesprochen, eine Erfahrung, ein Wunsch, ein Traum. Manchmal rufen ein paar Wörter oder ein Satz einen ganzen inneren Film auf. Und wie oft denke ich: Ja, genau das ist es, und es wäre mir nie eingefallen, das so in Worte zu fassen! Die Analogie mit dem „fassen“ finde ich wunderschön und sehr passend – so, wie ein wertvoller Stein kunstvoll gefasst wird, um ihn zum Beispiel in einem Schmuckstück zur Geltung zu bringen, so fassen wir ein Argument, einen Gedankenfetzen, ein Gefühl in Worte, um es zur Geltung zu bringen.
Dabei ist es tatsächlich ein Unterschied, ob wir etwas einfach nur sagen oder schreiben, ob also einfach nur eine Information oder ein Gedanke Ausdruck in Worten finden, oder ob es uns gelingt, mit Worten etwas zu transportieren, was über die bloße Information, über den Gedanken hinausgeht und etwas berührt in der Person, die es hört oder liest.
Ich bin jedenfalls jedes Mal begeistert, wenn das passiert. Wann wurden Sie das letzte Mal von Worten überrascht, schockiert, berührt? Gehen Sie bewusst mit dem kraftvollen Instrument der Sprache um?