Drei Kreise

Steigen wir mit ein paar Fragen ein.
Was können Sie direkt beeinflussen?
In Ihrem Alltag, Ihrer Lebensplanung, im Leben anderer Menschen?
Beruflich, privat?
Persönlich, oder auf die Familie bezogen, enge Freunde, das Arbeitsumfeld?
Was können Sie indirekt beeinflussen?
Durch Entscheidungen, Ihr Verhalten, Gespräche?
Was liegt außerhalb Ihrer Einflussmöglichkeiten?
Welche dieser unbeeinflussbaren Dinge sind Ihnen wichtig, welche sind Ihnen gleichgültig?
Wo fühlen Sie sich ohnmächtig, hilflos, hätten gern Einflussmöglichkeiten?

Sortieren Sie jetzt Ihre Antworten entlang dreier konzentrischer Kreise: Den inneren Wirkungskreis, direkt um Sie herum, den äußeren Wirkungskreis etwas weiter weg, und den Sorgenkreis oder Betroffenheitskreis, der noch etwas größer ist. Alles, was Sie nicht beeinflussen können/wollen und was Ihnen auch nicht wichtig ist, liegt außerhalb des Sorgenkreises und spielt hier keine so große Rolle.

Die Fragen zur Unterscheidung sind dazu gedacht, die eigenen Kreise grob zu definieren. Es ist nämlich durchaus persönlich, wie man die eigenen Einflussmöglichkeiten wahrnimmt. Nehmen wir eine Prüfungssituation als Beispiel. Für mich liegt im inneren Wirkungskreis, wie ich mich auf das Prüfungsgespräch vorbereite. Mit einer Portion Glück verbunden, aber immer noch im inneren Wirkungskreis liegt meine Tagesform, und durch meine Körpersprache, den Gesichtsausdruck, den Einstieg ins Prüfungsgespräch kann ich vielleicht ein wenig beeinflussen, wie sich das Studenti zu Beginn der Prüfung fühlt. Damit bin ich dann aber schon am Rand des äußeren Wirkungskreises, denn ich halte meine Einflussmöglichkeiten auf die Gefühlslage anderer Menschen für sehr begrenzt. Das kann man aber anders sehen – eine andere Person würde das vielleicht noch komplett im äußeren Wirkungskreis oder sogar im inneren Wirkungskreis verorten nach dem Motto: „Mein Verhalten beeinflusst ganz direkt, wie sich eine andere Person fühlt.“

Oder umgekehrt: Dem Supermarkt ist vielleicht egal, was für Gemüse ich da kaufe und woher das kommt, aber ich betrachte mein Einkaufsverhalten als etwas im äußeren Wirkungskreis. Ob es mehr Bio- und regionale Angebote gibt und weniger Verpackungsmüll, liegt nicht komplett außerhalb meiner Einflussmöglichkeiten. Das kann man aber auch anders sehen nach dem Motto „Der Beitrag einer Einzelperson ist doch egal.“ Was noch innerhalb des Sorgenkreises liegt oder nicht, ist auch total persönlich. Daher auch „Betroffenheitskreis“, nach dem Motto „Betrifft mich und mein Leben“ oder eben nicht.

Je nach eigenem Verständnis für die Abgrenzungen zwischen den Kreisen ergeben sich dann weitere Fragen. Was genau liegt alles in meinem inneren Wirkungskreis? Ist da etwas, was ich verändern könnte und was mein Leben ziemlich unmittelbar besser machen könnte? Ärgert mich etwas, wovon ich jetzt merke, dass es gar nicht in meinem inneren Wirkungskreis liegt, so dass ich zumindest genauer nachdenken muss, ob ich da etwas beeinflussen kann und wenn ja, wie? Wann lohnt sich Engagement außerhalb des „inneren“ Wirkungskreises? Wo liegt meine persönliche Grenze zwischen innerem und äußerem Wirkungskreis und was sagt das darüber aus, wie ich mich und meinen Platz in der Welt wahrnehme?
Neige ich dazu, mich ohnmächtig und ausgeliefert zu fühlen? Neige ich dazu, mir selbst sehr viel Macht und Einfluss zuzuschreiben? Woher kommt diese Einstellung? Kann ich einen Realitätscheck machen?

Ich habe schon an verschiedenen Stellen von ähnlichen Konzepten gehört oder gelesen, meistens werden dann zwei Kreise formuliert. Im inneren Kreis liegt, was wir beeinflussen können, und im äußeren alles, worüber wir uns Sorgen und Gedanken machen, was wir aber nicht beeinflussen können. Beim Nachdenken darüber kamen mir aber Zweifel an der Beschreibung des inneren Kreises, und ich konnte hoffentlich deutlich machen, warum ich da zwei Kreise wahrnehme.

Die Definition der Grenzen, ganz persönlich, hat mir einige Klarheit gebracht. Wenn ich in eine große Vorlesung gehe, dann liegt alles, was zu meiner eigenen Vorbereitung gehört, im inneren Wirkungskreis. Ich kann mich inhaltlich gut vorbereiten, möglichst ausgeschlafen sein, mir das Konzept gut überlegen, bereit sein zur Improvisation. Dann nähern wir uns dem äußeren Wirkungskreis: Mein Verhalten beeinflusst zwar wahrscheinlich, wie es den Studis in der Vorlesung geht, aber nicht direkt, nicht wie auf Knopfdruck. Genau so beeinflusst mein Verhalten, wie das Team zusammenarbeitet und wie wir daher als Gruppe mit den Studis umgehen, aber wieder geht da nix auf Knopfdruck und ich muss akzeptieren, dass ich keinen direkten Einfluss darauf habe, wie gut das Team funktioniert oder wie motiviert die Studis sind. Wenn es in Richtung Prüfungen geht, dann mache ich mir zwar meine Gedanken und hoffe, dass viele Studis gut vorbereitet sind und tolle Prüfungen hinlegen, und es ist mir definitiv nicht egal (wir sind also innerhalb der drei Kreise), aber ich habe da keine konkreten Einflussmöglichkeiten.Wenn die Studis Unterstützung einfordern, kann ich da sein und abliefern, aber sonst kann ich nichts machen. Da sind wir im Sorgenkreis, außerhalb der Wirkungskreise (oder auf der Grenze), und ich finde das nicht schlimm.
Im Gegenteil – indem ich akzeptiere, dass ich das Verhalten der Studis da so gut wie gar nicht beeinflussen kann, lege ich die Verantwortung dahin, wo sie hingehört: in die Hände der Studis selbst.
Und wenn es dann um andere Lehrveranstaltungen geht und wie es den Studis da geht, dann interessiert mich das zwar (und manchmal mache ich mir Sorgen, manchmal freue ich mich), aber wir sind so klar außerhalb meiner Wirkungskreise, dass wir am äußeren Rand des Sorgenkreises oder sogar ganz draußen sind. Jedenfalls denke ich, dass mein Verhalten den Studis gegenüber nur in seltenen Ausnahmefällen etwas damit zu tun hat, wie es ihnen in anderen Lehrveranstaltungen geht.

Die Kreise helfen mir beim Sortieren. Es entlastet, wenn ich sagen kann „Person xy scheint es nicht so gut zu gehen. Das bemerke ich und es macht mich traurig/besorgt. Vielleicht frage ich mal freundlich nach, je nachdem, wie nahe mir die Person steht. Aber es hat wahrscheinlich gar nix mit mir zu tun. Falls das so ist, dann gehört das in den Sorgenkreis, außerhalb meiner Wirkungsmöglichkeiten, und ich sollte das einfach hinnehmen und nicht weiter drüber nachdenken.“ Falls da doch etwas in meinen Wirkungskreisen damit zu tun haben sollte, dann brauche ich einen konkreten Hinweis darauf und kann dann immer noch aktiv werden. Ansonsten: raushalten.
Immerhin ist es auch eine Anmaßung, zu glauben, dass man ständig beeinflussen könnte, wie es anderen geht. Und wie weit weg muss etwas oder jemand sein, um außerhalb des Sorgenkreises zu landen? Was für Themen, Dinge, Menschen sind mir egal und warum?

Dagegen finde ich die Grenze vom inneren zum äußeren Wirkungskreis spannend. Wo haben mein Verhalten oder meine Haltung vielleicht keinen direkt sichtbaren Einfluss, aber wirken indirekt trotzdem? Wo ist das gut, wo ist das schlecht?

Das Thema ist jetzt recht präsent, aber ab und zu passiert es natürlich noch, dass ich denke „Warum sagt oder macht xy jetzt das, obwohl das so offentlichtlich blöd ist?“.
Da gibt es eine schöne Affirmation, die ich mir innerlich sagen kann, um das loszulassen und die Kreislinien wieder klarer zu sehen.
„Ich lasse das Bedürfnis los, andere kontrollieren oder ändern zu wollen.“
Wohlgemerkt: Ich lasse das Bedürfnis los.
Es geht nicht nur um die Tat, sondern schon um das Wollen.
Das ist gleichzeitig ein Akt der Demut und der Befreiung.
Oder?
(Na, wo sind die Kontrollfreaks unter Ihnen?)

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