Chancen

Im Beitrag „Glück gehabt?“ war schon Thema, dass Glück allein nichts nützt, wenn man die Gelegenheit dann nicht auch ergreift.

In einem Gespräch mit meinem Bruder kam ein schönes Wort dafür auf: Zugreifen.
Es gibt Leute, die ein Auge für Gelegenheiten haben und dann instiktiv zugreifen, in dem Vertrauen, dass das eine gute Entscheidung ist. Vielleicht ist der Zeitpunkt schwierig, eigentlich passt das gerade alles nicht, aber die Gelegenheit ist so gut, man muss da jetzt zugreifen. Und auch wenn dann zwischendurch alles drunter und drüber geht, stehen am Ende alle da und sagen „Super, hat sich gelohnt, alles richtig gemacht.“.
Mir kommt das so mutig vor, so entschlossen, so risikofreudig. Und je länger ich darüber nachdenkee, desto mehr Situationen fallen mir ein, wo ich auch zugegriffen habe.
Was für Assoziationen haben Sie beim „Zugreifen“?
Sind sie eine Person, die zugreift?
Oder weichen Sie zurück, zögern, scheuen das Risiko?

Beim Zugreifen steht für mich im Vordergrund, dass sich eine Gelegenheit ergibt, man ein Zeitfenster sieht oder dass durch Zufall eine günstige Situation entsteht. Eine andere Nuance davon möchte ich damit umschreiben, dass man eine Chance bekommt. Wieder geht es darum, zuzugreifen, aber mit einer anderen Qualität. Eine Chance zu bekommen kann heißen, dass jemand mitgedacht hat und aufmerksam geworden ist. Vielleicht hatte man auch „nur Glück“, aber ich möchte jetzt bei den Chancen bleiben, die man absichtlich bekommt. Man wird für ein Projekt angefragt, für ein Stipendium vorgeschlagen, bekommt einen Stupser, um sich auf eine Stelle zu bewerben.

Wenn man dann bereit ist und zugreift, können tolle Dinge passieren. Ich bedanke mich jetzt für ein paar wunderbare Chancen, die ich bekommen und genutzt habe, und ich freue mich darüber, dass ich gesehen wurde und die Chancen bekommen habe, darüber, dass ich bereit war und etwas aus den Chancen machen konnte, und darüber, dass ich durch das Thema „Zugreifen“ angefangen habe, darüber nachzudenken und mich viele Jahre später noch einmal darüber zu freuen.

Als junge Jugendliche bekam ich die Chance, mich um Pferde zu kümmern. Das war unentgeltliche Arbeit, oft körperlich und anstrengend, und sehr erfüllend. Meine Zuverlässigkeit wurde gesehen und geschätzt und ich habe gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Auch noch als Jugendliche wurde ich von meinem Musiklehrer vorgeschlagen, um für ein Chorprojekt vorzusingen. Ich wurde genommen, zusammen mit ein paar anderen Schüler*innen aus höheren Jahrgangsstufen. Die Konzertreise war abenteuerlich, zwei Wochen lang raus aus der Schule mit Konzerten in Deutschland und Frankreich, und ich bin dem Lehrer sehr, sehr dankbar. Und meinen Eltern dafür, dass sie die Reise erlaubt haben. Es war eine tolle Chance und eine wunderbare Erfahrung. Mein Schulleiter hat mich nach dem Abi für die Studienstiftung vorgeschlagen. Ich wusste das nicht und kannte auch die Studienstiftung nicht. Aber ich habe die Chance ergriffen und wurde während des Studiums und während der Promotion gefördert. Auch das war eine wunderbare Chance und ich bin froh, dass ich dem Schulleiter später dafür danken konnte. Da kommt noch mehr – die Anfrage, recht früh schon als HiWi zu arbeiten, die spannende Arbeit in der Institutsbibliothek, die Möglichkeiten, Lehrerfahrung zu sammeln, bis hin zum kurzfristigen Angebot, als PostDoc nach Birmingham zu gehen. Oft habe ich gezögert und gezweifelt und habe dann aber zugegriffen und es nie bereut. Rückblickend haben diese Chancen so viel bewirkt, so viel verändert, dass ich nicht nur dankbar bin, sondern auch froh über meine Entschlossenheit, zuzugreifen.

Denken Sie zurück an Chancen, die Sie bekommen haben.
Welche haben Sie ergriffen, welche nicht?
Bei wem möchten Sie sich für eine Chance bedanken?

Und was bedeutet das für uns jetzt, wenn wir die Möglichkeiten haben,
anderen eine Chance zu geben?
Wo überall können wir das noch tun?
Wer könnte von einer Chance profitieren, zugreifen und etwas Wunderbares daraus machen?

2 Gedanken zu „Chancen

  1. Das hat ganz viel Resonanz in meinem Kopf und Herz und geht für mich immer bewußter in die Richtung, darauf zu achten, als Hochschullehrerin und in der DMV-Arbeit mit dem Mitteilungen anderen bewusst Chancen einzuräumen und es ihnen möglichst leicht zu machen, die zu ergreifen und positiv zu nutzen. Vor inzwischen 39 Jahren auf den Tag genau habe ich auch eine Chance ergriffen und wachse noch immer auf dem dort begonnenen Wegabzweig.

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