4. Jun 2025
Be sincere, not serious – Verspieltheit als Ressource in der Promotionszeit
Einleitung
Spiel und Arbeit? Das sind doch zwei Gegensätze… oder? Arbeit nimmt einen großen Teil unseres Lebens ein. Doch wie wir sie erleben, kann sehr unterschiedlich sein. Ist sie vor allem eine Pflicht, die wir erfüllen, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen? Oder kann sie auch eine Quelle von Kreativität, Freude und Erfüllung sein? Diesen Fragen möchte ich in diesem Blogbeitrag näher nachgehen.
Ich bin Rebekka Sendatzki, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin im Bereich Persönlichkeitspsychologie an der Uni Halle. In meiner Promotion forsche ich zur Verspieltheit, insbesondere im Arbeitskontext. Ich möchte herausfinden, wie sich Verspieltheit am Arbeitsplatz zeigt, wie sie gemessen werden kann und mit welchen anderen Merkmalen sie zusammenhängt.
In diesem Beitrag teile ich wissenschaftliche Erkenntnisse und persönliche Erfahrungen darüber, wie eine spielerische Haltung helfen kann, die Herausforderungen der Promotionszeit besser zu bewältigen – und dabei idealerweise sogar Freude am Prozess zu haben. Der Text richtet sich vor allem an Promovierende (oder die, die es werden wollen), aber auch an alle, die irgendeiner Form von „Arbeit“ nachgehen, sei es Erwerbs- oder Care-Arbeit. Vielleicht eröffnet dir dieser Beitrag eine neue Perspektive oder liefert konkrete Impulse für deinen Alltag.
Was ist eigentlich Verspieltheit?
Hören wir „Verspieltheit“, denken viele an Kinderzimmer, Freizeit oder Albernheit – selten an Arbeit oder Wissenschaft. Doch Studien zeigen, dass Verspieltheit auch im Berufsleben eine Ressource sein kann (Mainemelis & Ronson 2006; Petelczyk et al. 2018; Proyer & Sendatzki 2025).
In der Psychologie definieren wir Verspieltheit als Persönlichkeitseigenschaft, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Verspielte Menschen können Situationen flexibel umdeuten oder umgestalten, sodass sie interessanter, unterhaltsamer oder geistig anregender werden (Proyer, 2017). Das bedeutet nicht, ständig Witze zu reißen oder albern zu sein. Verspieltheit ist kein Mangel an Ernsthaftigkeit, sondern eine alternative Art, Herausforderungen anzugehen und Arbeit lebendiger zu gestalten. Und Verspieltheit zeigt sich nicht nur in sozialen Situationen, sondern auch in unserer inneren Haltung: Wer mit kindlich-offenem Blick an Probleme herangeht, Perspektiven wechselt oder improvisiert, findet oft überraschend wirksame Lösungen.
Um das Merkmal besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf das sogenannte OLIW-Modell, das vier Facetten der Verspieltheit beschreibt. Diese Facetten trägt jede:r von uns in unterschiedlichem Ausmaß in sich. Das heißt, man ist nicht ein Typ oder der andere, sondern kann je nach Situation unterschiedliche Anteile zeigen:
- Other-directed / Auf andere ausgerichtete Verspieltheit: Freude an spielerischen Interaktionen mit anderen, etwa durch freundliches Necken oder Insider-Witze.
- Lighthearted / Leichtherzige Verspieltheit: Leichtigkeit und Gelassenheit; nicht alles zu ernst nehmen, lieber improvisieren als planen.
- Intellectual / Intellektuelle Verspieltheit: Spiel mit Gedanken und Ideen, z. B. beim Brainstorming, Problemlösen oder Schreiben.
- Whimsical / Extravagante Verspieltheit: Freude am Ungewöhnlichen – durch kreative Herangehensweisen, schräge Ideen oder kleine Eigenheiten im Alltag.
Wenn du wissen möchtest, wie ausgeprägt deine eigene Verspieltheit ist: Auf charkterstaerken.org gibt es eine Reihe validierter Fragebögen aus der Positiven Psychologie, unter anderem zu Verspieltheit. Das kostenfreie Angebot der Universität Zürich liefert nach dem Ausfüllen automatisch eine individuelle Auswertung.
Verspieltheit im Arbeitsleben und in der Promotionszeit
Forschung aus unserer Abteilung in Halle zeigt, dass Verspieltheit bei Erwachsenen in vielen Lebensbereichen relevant ist. Zum Beispiel in sozialen Beziehungen (Brauer et al., 2021), bezüglich der Stressbewältigung (Tandler et al., 2024) oder hinsichtlich psychischer wie physischer Gesundheit (Proyer et al., 2018). In jüngerer Zeit rückt auch das Arbeitsleben mehr und mehr in den Fokus (Petelczyk et al., 2018; Proyer & Sendatzki, 2025), auch unterstützt durch Konzepte wie das playful work design oder Gamification.
Die Promotionszeit bringt viele Herausforderungen mit sich: Selbstorganisation, Schreibblockaden, Unsicherheit, Perfektionismus, Zweifel… Die gute Nachricht: Verspieltheit kann hier ein kleines Puzzleteil sein – ein wirksamer Gegenpol zu Druck und Schwere. Wer es schafft, den Promotionsalltag zumindest punktuell verspielt zu gestalten, bleibt oft motivierter, erlebt mehr Leichtigkeit und findet kreativere Lösungen, wenn mal etwas nicht funktioniert.
Verspieltheit muss nicht laut, albern oder aufwendig sein. Oft sind es kleine Perspektivwechsel oder kreative Mini-Interventionen, die eine Aufgabe leichter, interessanter oder überraschender machen. In der Grafik ist eine Sammlung konkreter Ideen, die du ausprobieren, abwandeln oder weiterdenken kannst. Von Mini-Quests für Schreibziele über Denkspiele bei Blockaden bis hin zu persönlichen Challenges auf Konferenzen oder mehr Leichtigkeit im Umgang mit Bürokratie. Es geht nicht darum, alles „lustig“ zu machen, sondern darum, Routinen neu zu sehen, sich selbst zu motivieren und der eigenen Arbeit mit mehr Neugier und Kreativität zu begegnen.

Diese Ideen zeigen: Verspieltheit ist mehr als eine Technik oder Stilmittel. Sie ist eine Haltung gegenüber der Arbeit, die uns einlädt, auch in ernsten Kontexten Raum für Leichtigkeit zu schaffen. Nicht anstelle von Produktivität und Leistung, sondern als Zugang zu nachhaltigerer Motivation und Zufriedenheit. Denn: Be sincere, not serious (frei übersetzt: Sei engagiert, nicht verkrampft). Wer ein Spiel zu ernst nimmt, verliert oft die Freude daran – selbst, wenn er gewinnt. Und genau das gilt auch für die Promotion.
Infos zur Person
Name: Rebekka Sendatzki
Institution: Abteilung für Psychologische Diagnostik und Differentielle Psychologie, Institut für Psychologie, MLU
Forschungsfelder: Verspieltheit im Erwachsenenalter, insbes. am Arbeitsplatz, weitere Merkmale der positiven Psychologie (z. B. Humor, Lachen, Charakterstärken), romantische Beziehungen, Diagnostische Fragestellungen zu Psychometrie und Validität psychologischer Verfahren
Promotionsprojekt: Playfulness at Work: A Conceptual Framework, Assessment, and Empirical Investigation of Work-Related Outcomes
Die Verspieltheits-Forschung in Bezug auf das Arbeitsleben ist noch jung und heterogen. Meine Promotion zielt daher darauf ab,
- den Forschungsstand systematisch aufzubereiten und eine gemeinsame Begrifflichkeit zu schaffen (Proyer & Sendatzki, in press)
- Unterschiede in Verspieltheit zwischen Studienfächern und Berufen zu untersuchen (Sendatzki et al., 2025)
- ein zuverlässiges, valides Instrument zur Erfassung von Verspieltheit am Arbeitsplatz zu entwickeln
- Zusammenhänge zu Merkmalen wie Arbeitszufriedenheit, Produktivität und Beziehungen am Arbeitsplatz zu prüfen.
CV
Bachelor- (2019) und Masterabschluss (2021) in Psychologie an der MLU
2018-2022 stud. Hilfskraft und Projektmitarbeiterin im Referat für Personalentwicklung der MLU
2018-2021 wiss. Hilfskraft in der Abteilung für Psychologische Diagnostik und Differentielle Psychologie
Seit 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin in derselben Abteilung
2023-2024 Elternzeit
Links: Website, ResearchGate, GoogleScholar
Weiterführende Literatur und Links
- Brauer, K., Proyer, R. T., & Chick, G. (2021). Adult playfulness: An update on an understudied individual differences variable and its role in romantic life. Social and Personality Psychology Compass, 15(4), Article e12589. https://doi.org/10.1111/spc3.12589
- Petelczyc, C. A., Capezio, A., Wang, L., Restubog, S. L. D., & Aquino, K. (2018). Play at work: An integrative review and agenda for future research. Journal of Management, 44(1), 161–190. https://doi.org/10.1177/0149206317731519
- Proyer, R. T. (2017). A new structural model for adult playfulness: The OLIW-model. Personality and Individual Differences, 113, 18–27.
- Proyer, R. T., Gander, F., Bertenshaw, E. J., & Brauer, K. (2018). The positive relationships of playfulness with indicators of health, activity, and physical fitness. Frontiers in Psychology, 9, Article 1440. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.01440
- Proyer, R. T., & Sendatzki, R. (in press). Examining play and playfulness at work: Current knowledge, practical applications and future research directions. Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior.
- Sendatzki, R., Brauer, K., & Proyer, R. T. (2025). An Initial Study on the Role of Playfulness in Vocational Interests and Career Choices. Manuscript submitted for publication.
- Tandler, N., Schilling-Friedemann, S., Frazier, L. D., Sendatzki, R., & Proyer, R. T. (2024). New insights into the contributions of playfulness to dealing with stress at work: Correlates of self- and peer-rated playfulness and coping strategies. New Ideas in Psychology, 75, 1–11. https://doi.org/10.1016/j.newideapsych.2024.101109
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Über diesen Beitrag
Doktorandinen und Doktoranden an der MLU forschen zu einer Vielzahl von spannenden Themen in den unterschiedlichsten Fachrichtungen. In diesem Beitrag wird ein Thema und die zugehörigen Ergebnisse mit Relevanz für möglichst viele Doktorandinnen und Doktoranden – über alle Disziplinen hinweg – beleuchtet. Das hier vorgestellte Thema kann so einen positive Effekt auf die Promotionzeit haben.
This post is available in English at the blog of InGrA in June 2025, too.