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Was Betreuende erwarten – Interview mit Prof. Dr. Jenny Haase

Prof. Jenny Haase (r) im Interview mit Dr. Thomas Michael von der InGrA (l) (Foto: P. Reimers/InGrA)

Das folgende Interview wurde mit Prof. Dr. Jenny Haase (Literatur- und Kulturwissenschaft Spaniens und Lateinamerikas) im Rahmen des InGrA-Projektes “What supervisors want / Was Betreuende erwarten” in 2023 an der MLU durchgeführt. Informationen zum Projekt und weitere Interviews finden Sie hier.

Was war denn das letzte tolle Erlebnis, das Sie mit einem Ihrer Promovierenden hatten?

Ich glaube, ich fiebere und fühle grundsätzlich mit – mit den Entdeckungen, die die Promovierenden machen – und freue mich gemeinsam über neue Ideen und Entdeckungen. Zuletzt war das bei meiner Doktorandin, die eine Forschungsreise nach Buenos Aires gemacht hat. Sie arbeitet zu der argentinischen Lyrikerin Alejandra Pizarnik und ich habe miterlebt, wie sich aus Problemen und Widrigkeiten neue, tolle Chancen ergeben.

Und das ist einfach schön mitzuerleben und diese Begeisterung zu teilen.

Was bedeutet für Sie Betreuung einer Promotion und wie kann man sich das in groben Zügen bei Ihnen vorstellen? Wie verstehen Sie das Betreuungsverhältnis?

Ich betreue seit 2021 Promotionen und würde sagen, es geht dabei um die Begleitung eines Dissertationsprojekts von den Anfängen bis zum dann hoffentlich erfolgreichen Abschluss. Das heißt, es beginnt bei der Themenfindung. Grundsätzlich würde ich eher davon ausgehen, dass die Doktorand*innen selbst mit einem Vorschlag kommen, weil ich denke, dass diese intrinsische Motivation – also das Interesse, die Leidenschaft für ein Thema – ganz wesentlich sind.

Andererseits habe ich auch schon den Vorschlag gemacht, aus einer zum Beispiel sehr guten Masterarbeit ein Promotionsthema zu entwickeln. Ich könnte mir auch vorstellen aus einem Master-Seminar heraus jemanden anzusprechen, der bzw. die sehr gute Leistungen und spannende Sachen erbracht hat. Natürlich ist es auch anders bei Drittmittelprojekten, wo ja im Vorfeld – im Antrag im Grunde schon – Themenfelder abgesteckt sind.

Aber grundsätzlich würde ich sagen, liegt der Ball bei den Doktorand*Innen oder wir entwickeln gemeinsam die konkrete Fragestellung und das Forschungsdesign.

Der erste sehr wichtige Schritt ist für mich die Ausarbeitung eines Exposés – einerseits aus pragmatischen Gründen, weil man das braucht, um ein Stipendium zu beantragen, aber auch ganz konkret für die Doktorand*Innen als eine Art Leitfaden – um sich klar zu machen: Wo will ich da hin, was gibt es schon? Was ist die ganz konkrete Fragestellung? Wie kann ich vorgehen? Also um sich so einen Überblick zu verschaffen über die grundlegende Literatur und so weiter. Ich sehe meine Aufgabe auch in der Unterstützung bei der Beantragung von Finanzierungsmöglichkeiten. In meinem Fachgebiet sind es vor allem Stipendien.

Dann finde ich es in der Hauptphase wichtig, wirklich zum Schreiben zu ermutigen. Es ist mir ganz wichtig, dass man nicht zwei Jahre recherchiert und die ganze Zeit nur exzerpiert und dann dasteht und denkt „Oh Gott, jetzt rennt die Zeit weg!“, sondern durchaus mit dem Mut zum Vorläufigen Dinge aufs Papier bringt und regelmäßig Texte vorstellt – also nicht nur Vorträge hält – weil ich glaube, daran kann man am besten arbeiten.

Und ja, zusätzlich dazu sicherlich auch Konsultationen nach Bedarf anzubieten. Ich glaube, das verhält sich unterschiedlich. Je nach Bedarf – und das habe ich jetzt noch nicht miterlebt –, aber wichtig ist ganz sicher die Unterstützung in der Schlussphase, um diese Promotion auch zu Ende zu bringen. Und da wirklich zu unterstützen, zu motivieren und auch Mut zu diesem Beenden zuzusprechen.

In unserer Umfrage äußerten Promovierende folgendes: „A supervisor has to meet the students at least every two or three weeks and has to know what the student is doing every time.“ Wie eng sollte Betreuung sein?  Und woran machen Sie fest wie engmaschig Sie jemanden betreuen?

Ja, finde ich total spannend das Zitat. In meinem Fall ist es so, dass die Doktorand*Innen, die ich betreue, nicht vor Ort sind und auch nicht an der Professur arbeiten. Das heißt, wir können uns nicht persönlich in der Regelmäßigkeit treffen, aber ich habe auch durchaus schon öfter Online-Treffen – sozusagen zwischendurch – gemacht. Ich könnte mir vorstellen, dass sich dieses Zitat auf eine andere Situation bezieht. Ich denke, grundsätzlich sollte die Betreuung regelmäßig, auf der anderen Seite aber auch bedarfsorientiert sein. Das heißt, ich glaube, es gibt nicht die Regel für alle, sondern man muss schauen, was passt.

Grundsätzlich finde ich es wichtig, einmal im Semester, wenn dann die Promotion angelaufen ist, einen Text vorzulegen und Ergebnisse vorzustellen. Das baut natürlich etwas Druck auf, der aber wahrscheinlich auch nötig ist. So verstehe ich auch das Zitat. Genau das empfinde ich aber trotzdem als eine schwierige Balance, den Promovierenden Freiheit zu lassen und doch eine gewisse Forderung zu stellen, damit die Person auch etwas zu Blatt bringt. Weitere Absprachen oder Konsultation würde ich nach Bedarf durchführen, abhängig einerseits von der Person – das kann ja persönlich unterschiedlich sein –, aber auch nach der Phase.

Ich denke, gerade zu Beginn und am Ende wird die Betreuung engmaschiger sein, es kommen mehr Fragen auf und zwischendurch sollte es Raum für eigenes Arbeiten, Recherchieren, Weiterdenken geben, wo man vielleicht auch nicht immer was liefern muss, sondern ein bisschen mehr eigenen Raum hat. Denn ein sehr schöner Aspekt der Promotion ist die enorme Freiheit, die man hat. Das sollte man auch ausnutzen und nicht zu sehr verschulen, sondern diese Freiheit, die für die wissenschaftliche Entwicklung wichtig ist, auch von Seiten der Betreuung geben.

Was zählen Sie zu Ihren Aufgaben als Betreuerin und wo ist Ihnen andererseits aber eine selbstständige Herangehensweise Ihrer Promovierenden wichtig? Wo verlaufen da die Grenzen?

Zu meinen Aufgaben zähle ich einerseits zu Beginn die Schärfung der Fragestellung und die Unterstützung bei der Entwicklung des konkreten Forschungsvorhabens, des Forschungsplans, des Vorgehens. Dann der regelmäßige fachliche Austausch. Dazu gehört auch die Unterstützung und Motivation zur Teilnahme an Workshops, vor allem zu Doktorand*Innen- oder Nachwuchstagungen, die Motivation zu Forschungsaufenthalten. Ich denke, eine wichtige Aufgabe ist auch die Unterstützung bei der Vernetzung der Doktorand*Innen, also einerseits mit anderen Nachwuchswissenschaftler*Innen und andererseits auch mit mir bekannten Kolleg*Innen über mein Netzwerk.

Wichtig wäre mir, dass die Promovierenden selbst Engagement mitbringen und ich merke, dass sie Lust haben und bereit sind, wirklich an dem Thema zu arbeiten. Sich da reinzuhängen, sich laufend weiter zu informieren und auch eigene Impulse einbringen, weil sie sich ja ganz spezifisch in ein Thema reinarbeiten, welches ich vielleicht nicht gerade auch in der Form bearbeite, so dass man auch in einen Dialog geht und sich gegenseitig Impulse gibt.

Was gibt es neben der eigentlichen Promotion für Tätigkeiten und Aufgaben am Lehrstuhl, die von den Promovierenden erledigt werden? Mit welchem zeitlichen Umfang sollte dabei gerechnet werden? Hintergrund ist, dass sich in der Umfrage mehrere Promovierende mehr Zeit für ihre originären Promotionsthemen gewünscht haben.

Ich glaube, die Frage trifft auf mich jetzt im Moment in der Form nicht zu, als dass meine beiden Mitarbeitenden schon promoviert sind und die Doktorand*Innen über die Graduiertenförderung finanziert sind und überhaupt keine zusätzliche Arbeit für die Professur leisten. Ich denke aber, grundsätzlich sollte man in der Qualifikationsphase dem Promotionsprojekt auch möglichst viel Raum geben. Nichts destotrotz können ja auch die Promovierenden von der Mitarbeit an der Professur davon profitieren. Z.B. die Erfahrung machen, vielleicht mal an einer Tagungvorbereitung mitzuarbeiten und diese Aktivitäten auch für den CV mit aufnehmen zu können. Schreiben und auch Tagungen organisieren gehört ja zum Geschäft von Wissenschaft dazu.

Was führte nach Ihrer Erfahrung zu den meisten Spannungen bzw. Herausforderungen zwischen Ihnen als Betreuerin und den Promovierenden? Und wie können diese Herausforderungen/Spannungen aufgelöst oder vielleicht sogar vermieden werden?

Ich glaube, dazu habe ich wirklich noch nicht die Erfahrung in diesem Umfang gemacht. Ich habe jetzt noch keine großen Konflikte erlebt, aber meine Vermutung ist, dass diese vor allem aus Unsicherheiten über die gegenseitigen Erwartungen entstehen. Also die Frage: Wie oft soll etwas geliefert werden? Oder die Frage der Regelmäßigkeit, der Betreuung. Und um so etwas zu meiden wäre sicher eine gute und transparente Kommunikation von Beginn an sinnvoll.

In den Naturwissenschaften wird das, wie ich es verstanden habe, schon mehr gemacht. So was wie ein „on-boarding“, bei den man zu Beginn wirklich sagt „Hier, so läuft das, das sind meine Vorstellungen. Was sind Ihre Vorstellungen?“. Sich da zu Beginn hinzusetzen und einfach mal abzusprechen, was sind die gegenseitigen Erwartungen und vielleicht schon mal einen Rhythmus zu vereinbaren, ist sicherlich hilfreich.

Haben Sie noch etwas zu ergänzen? Einen Punkt, der hier noch nicht ausreichend angesprochen wurde oder bei dem Ihnen noch etwas eingefallen ist während des Interviews?

Ich habe es zwischendurch vielleicht schon gesagt, aber mir ist am wichtigsten, die Freude und Begeisterung am Forschen, an dem Thema, am Forschungsgegenstand zu sehen. Mitzuerleben, dass es eine Lust und eine Neugier am Entdecken gibt, auch am „Über den Tellerrand“ schauen. Auch die Lust, ins Ausland zu gehen, Auslandsaufenthalte zu machen, sich auszutauschen, mit Offenheit und Mut diese Phase zu nutzen.

Welchen Tipp hätten Sie denn in Ihrer Promotionszeit gern selbst am Anfang bekommen? Oder vielleicht, den Sie bekommen haben und der besonders wertvoll für Sie war?

Ein Tipp, den ich bekommen habe zum Ende meiner Promotion, von meinem Betreuer, von meinem Doktorvater, war, dass diese Dissertationsschrift, die man dann abgibt, der Status Quo zu diesem Zeitpunkt ist. In drei Monaten wird es wieder anders aussehen. Dass es aber wichtig ist, diesen Status Quo abzugeben, weil es sonst ein uferloses Projekt ist. Weil man immer weiterschreiben kann, immer weiter forschen kann, es entwickelt sich alles immer weiter. Also einen gewissen Pragmatismus zum Ende hin walten zu lassen und den Mut haben, den Text dann auch einzureichen.


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