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Was Betreuende erwarten – Interview mit Prof. Dr. Konstanze Senge

Prof. Konstanze Senge am Steintor-Campus (Foto von Maike Glöckner)

Das folgende Interview wurde mit Prof. Dr. Konstanze Senge (Wirtschafts- und Organisationssoziologie) im Rahmen des InGrA-Projektes “What supervisors want / Was Betreuende erwarten” in 2023 an der MLU durchgeführt. Informationen zum Projekt und weitere Interviews finden Sie hier.

Was war das letzte tolle Erlebnis, das Sie mit einer/einem Ihrer Promovierenden hatten?

Also, da gibt es mehrere Erfahrungen, auf die ich jetzt rekurrieren könnte. Ganz allgemein ist es natürlich immer schön, wenn Forschungsprozesse starten, man hat Mengen von Daten und am Anfang weiß man gar nicht, wie man darüber Herr oder Frau wird – und man weiß auch nicht, ob man etwas Spannendes oder Interessantes findet. Dann bekommt man Ergebnisse präsentiert, die zeigen: Es gibt einen Fortschritt in der Interpretation. Selbst wenn noch die eine oder andere harte Nuss geknackt werden muss. Und natürlich ist es auch schön, wenn ich merke, dass die Promovierenden und angehenden Doktorand*Innen Erfolge erzielen können, dass sie ihre Erkenntnisse auf Tagungen vorstellen können und dergleichen. 

Aber sie haben ja jetzt ganz konkret danach gefragt, was das letzte tolle Erlebnis war. Da muss ich sagen, das war gestern. Wir hatten unser Lehrstuhlkolloquium, an dem Studierende, Doktorand*Innen und Habilitand*Innen neben meiner Person teilnehmen, und haben einen Text einer Wissenschaftlerin (Habilitandin) vom Lehrstuhl besprochen. Wir waren uns alle einig, dass diese sehr komplizierten Erkenntnisse – diese so anspruchsvollen Inhalte – richtig gut verständlich und in einer schönen Sprache geschrieben sind. Und das, glaube ich, freut jede Wissenschaftler*In: Texte, die nicht nur tiefgehende Erkenntnisse liefern, sondern auch noch gerne gelesen werden, quer über die Statusgruppen hinweg. Das Beispiel als kleinen Einblick in die schönen Momente des Arbeitsalltags. 

Was bedeutet für Sie die Betreuung einer Promotion und wie kann man sich das in groben Zügen bei Ihnen vorstellen? Wie verstehen Sie das Betreuungsverhältnis?

Für mich ist eine fundierte soziologische Ausbildung wichtig, das heißt ein fundiertes sozialwissenschaftliches Studium steht an erster Stelle. Da achte ich `drauf. Das heißt nicht, dass es da nicht auch andere Wege zur Promotion gibt. Aber das ist schon etwas, was sich später auch in der Herangehensweise für die empirische Forschung und für die Auswertung bewährt hat. Man will ja eigentlich offene Wege zwischen den Fachrichtungen, in die jeder reingehen kann. Aber ich merke nun mal, dass es später einen Unterschied macht, ob man ein Soziologiestudium hat oder eines von vielen Kombinationsfächern mit sozialwissenschaftlichem Anteil, die es eben auch gibt. 

Aber von Anfang an: Die Promotion in der Soziologie dauert in der Regel 5 Jahre auf einer Vollzeitstelle. Die Stelle wird ausgeschrieben und es folgen Bewerbungsgespräche mit ca. 6 Bewerber*Innen. Wenn sich dann eine Kandidat*In für uns entschieden hat – für das Fach, den Lehrstuhl und für mich – und ich mich umgekehrt auch für die Kandidat*In und quasi die Promotion bzw. das Betreuungsverhältnis, dann benötigt es erstmal eine gewisse Phase seitens der neuen Mitarbeiter*In, um die Universität kennenzulernen. Das sind ja oft Personen, die gerade ihr Studium hinter sich haben und erst mal sehr viel damit zu tun haben, zwei Lehrveranstaltungen auf einer ganzen Stelle zu entrichten. Ich habe übrigens nur Nachwuchswissenschaftler*Innen auf ganzen Stellen. Nach meiner Erfahrung ist es so, dass man die Promotion nicht auf einer halben Stelle absolvieren kann. Also Sie müssen sowieso mindestens 40 Stunden die Woche arbeiten, um eine gute Doktorarbeit zu schreiben und in der Tiefe Sachverhalte zu durchdringen. Und deshalb ist es mir wirklich ein ganz großes Anliegen, dass diese Arbeit auch im Rahmen einer 100-Prozent-Stelle bezahlt wird. Das heißt aber auch, Sie haben zwei Lehrveranstaltungen in der Woche zu geben und am Anfang braucht das einfach sehr viel Zeit und Vorbereitung. Ich würde mal sagen, die ersten Wochen kommt man nicht zu viel mehr anderem als diese Lehrveranstaltungen vorzubereiten, die natürlich auch thematisch im Kern schon der Ausrichtung der Promotion entsprechen sollten.

Das erste Semester ist erstmal eine Findungsphase. Natürlich auch immer im Gespräch mit mir. Was, denke ich, auch sehr hilfreich ist. Wir haben von Anfang an begleitend immer ein Lehrstuhlkolloquium einmal die Woche. An dem können Masterstudierende teilnehmen, die – also auch da schon, wenn sie wollen – integriert werden können in die Institution Universität. Und ich denke, dass dieses Kolloquium von Beginn an die Personen schon mitnimmt und auf allen Ebenen damit konfrontiert, welche Herausforderungen sich im Forschungsprozess ergeben. Was wir da nicht besprechen, ist allerdings wie die Lehre funktioniert. Das ist etwas, glaube ich, wo es eigentlich wenig Anleitung an den Lehrstühlen gibt – jenseits der universitätsinternen Fortbildungskurse. 

Was die Kompetenzen, Erwartungen und auch Hürden der Promotion angeht, denke ich, dass wir das auch im Lehrstuhlteam ständig besprechen. Wir gehen im Anschluss an das Kolloquium öfter noch etwas trinken oder essen. Und da ist dann auch nochmal ein informeller Raum, solche Fragen freier zu besprechen. 

Es gibt aber auch ganz dezidiert Gespräche mit einzelnen Personen darüber, wie der Stand der Dinge ist, wie die Themenfindung voran geht oder wie während der Promotion vorgegangen werden soll. Und es werden auch Zeitrahmen abgesprochen. Ich kenne zwar keinen Zeitrahmen, der bislang eingehalten wurde, aber wir machen das trotzdem – damit man zumindest erst mal eine Orientierung hat, so dass man auch weiß, was noch alles zu erfüllen ist. 

Diese Gespräche gibt es mit jeder Person, aber letztendlich ist auch jede Promotion ein Einzelfall und die Menschen sind unterschiedlich. Manche möchten zum Beispiel mehr Gespräche und brauchen das auch – das ist auch immer eine Persönlichkeitssache. Aber es ist natürlich auch eine Phase in der Entwicklung, in der man eigentlich sehr eigenständig etwas macht. Auch wenn man merkt: „Da gibt es Probleme“, möchte ich auch nicht gleich jede Woche einen Rapport haben. Aus meiner Sicht ist es daher nicht angemessen, wenn man das zu sehr verschult. 

Was wir hier am Lehrstuhl machen, das ist meistens empirische Forschung und da ist die Methodenfindung immer ein wichtiger Aspekt. Es gibt diesbezüglich dichte Gespräche und Beratungen. Das macht, glaube ich, keiner ganz alleine und wir machen das sogar so, dass wir auch die Daten aus den jeweiligen Promotionsarbeiten – zumindest immer in Ansätzen –gemeinsam in der Gruppe interpretieren. Diversifizierte Interpretationsgemeinschaften sind ein Gewinn für die Erkenntnisse. Es hat natürlich jeder sein eigenes Projekt, aber trotzdem ist es stets sehr hilfreich, weil man dann noch einen Blick von anderen darauf bekommt. 

Vielleicht ein Punkt noch, außerhalb der Arbeit hier an der Uni. Mir ist wichtig, Angebote zu machen und Promovierende in Bereiche der Wissenschaft zu integrieren. Also das heißt mit gemeinsamen Projekten – Buchprojekte oder gemeinsame Anträge oder der Organisation kleinerer Workshops –, um so auch die Netzwerke zur Verfügung zu stellen, soweit das möglich ist. Das wird aber auch ganz unterschiedlich umgesetzt. Zudem ist dies abhängig von Zeitkontingenten, wie die thematische Nähe ist oder ob es gerade überhaupt passt. Worauf man dann natürlich achten muss, ist, dass man auch tatsächlich gemeinsam arbeitet. Das heißt dann nicht: „So wir machen einen Aufsatz zusammen, schreiben Sie mal“. – Wobei das „Sie“ in beide Richtungen gerichtet sein kann, also Lehrstuhlinhaber*In und Mitarbeiter*In. Das ist etwas, was man im Blick haben muss.

In unserer Umfrage äußerten Promovierende Folgendes: „A supervisor has to meet the students at least every two or three weeks and has to know what the student is doing every time.“ Wie eng sollte Betreuung sein?  Und woran machen Sie fest wie engmaschig Sie jemanden betreuen?

Im Semester sehe ich die Promovierenden schon jede Woche, aber das ist auch manchmal informell. Also nicht immer geht es dann um die Doktorarbeit. Aber so schnell sind ja auch die Fortschritte nicht. Manchmal braucht man ja eine Woche um zwei oder drei Texte in der Tiefe zu verstehen und es kann sich ja nicht immer direkt in der Arbeit niederschlagen, die man sonst geleistet hat. Mir wäre das als Betreuerin zu eng. Aber auch als Promovierende wäre mir das zu eng, wenn ich jede Woche Betreuungsgespräche führen müsste.

Ich würde das auch zeitlich gar nicht hinbekommen. Also bei fünf Doktorand*Innen bzw. Mitarbeiter*Innen im Schnitt, wie soll man das hinbekommen? Man hat ja noch ganz viele andere Aufgaben und ich denke auch nicht, dass es notwendig wäre. Aber wenn man das Gefühl hat, es wird nachgefragt – vielleicht auch implizit nachgefragt – dann sollte man darauf eingehen. Es kommt auch immer auf die Phase, an in der man sich befindet. Gerade wenn man die Methode erarbeitet und dann z.B. einen Interviewleitfaden erstellt, dann bespricht und durchdenkt man diesen zusammen. Und dann spricht man nächste Woche nochmal drüber.

Was zählen Sie zu Ihren Aufgaben als Betreuerin und wo ist Ihnen andererseits aber eine selbstständige Herangehensweise Ihrer Promovierenden wichtig? Wo verlaufen da die Grenzen?

Also auf die Dissertation bezogen bin ich immer dabei und bin auch bereit, die Dissertation strukturell  zu begleiten. Insbesondere, dass man eine soziologisierende Perspektive auf einen Sachverhalt entwickelt und diesen auch erforscht. Aber Promotion ist natürlich noch viel mehr!

Insbesondere braucht es sehr viel Selbstmanagement der Promovierenden. Das müssen die Promovierenden auch selber erbringen. Ich habe das mal versucht mit einer Doktorandin, bei der ich wirklich gemerkt habe: Da ist eine Schreibhemmung. Ich habe gesagt, „Okay, wir treffen uns jede Woche und jede Woche ist eine Seite geschrieben“. Das funktioniert nicht! Es ist einfach ein kreativer Prozess und es sind so viele Sachen, die da reinspielen. Auch die Persönlichkeit und die private Situation, die ich ja gar nicht im Blick habe und steuern kann, so dass man sagen muss, dass die Betreuung und Führung, die man bieten kann, hier eine Grenze hat.

Und in der Lehre ist das natürlich auch so. Wir haben ja hier Themen am Lehrstuhl, die eine Rolle spielen, aber sie müssen auch eigenständig ihre Themen der Lehrveranstaltung heraussuchen und entwickeln, so dass auch da eine gewisse Selbstständigkeit gefordert ist. Die Lehrveranstaltungen sind natürlich immer an Module eng gekoppelt.

Man muss aber auch zwischen verschiedenen Gruppen unterscheiden. Es gibt Promovierende auf Haushaltsstellen, die haben in der Regel mehr Freiheiten, sich ihr Thema und ihre Fragestellung zu suchen und zu erarbeiten. Und dann gibt es natürlich Promotionsstellen, die an ein Forschungsprojekt von einem Drittmittelgeber gebunden sind. Da gibt es eine ganz klare Projektfragestellung, das Thema und ein methodisches Vorgehen. Es ist eigentlich alles gesetzt und die Promovierenden haben die Aufgabe dieses Projekt zu erarbeiten und in der Regel schreiben sie daraus dann ihre Promotion. Für diese Projekte habe ich ja beim Drittmittelgeber den Antrag gestellt. Insofern ist es auch immer mein Forschungsprojekt. Und da mache ich die Forschung dann auch mit – also gehe mit ins Feld, akquiriere häufig auch, führe Gespräche und sammle Daten.  Den Großteil macht natürlich die Doktorand*In, aber ich bin schon dabei, und interpretiere auch, oder mache schonmal eine kleinere Ethnographie – das ist bei den übrigen Doktorand*Innen weniger der Fall. Ich habe das da zwar auch schon Mal gemacht. Aber das sind dann mehr so kleinere Stichproben, um eine Idee für das Feld zu bekommen. Im Kern machen die Doktoranden und Doktorandinnen diese Aufgaben.

Was gibt es neben der eigentlichen Promotion für Tätigkeiten und Aufgaben am Lehrstuhl, die von den Promovierenden erledigt werden? Mit welchem zeitlichen Umfang sollte dabei gerechnet werden? Hintergrund ist, dass sich in der Umfrage mehrere Promovierende mehr Zeit für ihre originären Promotionsthemen gewünscht haben.

Also es gibt ja immer eine Tätigkeitsbeschreibung, welche die Promovierenden bekommen und da ist geregelt, wie viel Prozent ihrer Arbeitszeit auf die Promotion anzusetzen ist – auf die Lehre und für Gremienarbeit und Lehrstuhlaufgaben. Wenn man jetzt natürlich mehr Zeit für die Vorbereitung der Lehre braucht, wird einem leider woanders nicht prozentual etwas abgestrichen. Von daher ist das auch nur so ein ungefährer Richtwert bei der Tätigkeitsbeschreibung.

Was die Gremienarbeit angeht, da muss ich sagen, ist das immer sehr unterschiedlich verteilt. Es gibt Promovierende, die fühlen sich entweder schneller verantwortlich oder machen es vielleicht auch ganz gerne und sagen eher „Ja, ich bin bereit, da zusätzlich etwas zu machen“, weil sie vielleicht auch politisch engagiert sind. Da muss man als Promovierende aber darauf achten, dass man vielleicht schon genug macht und auch lernen muss, „nein“ zu sagen. Aber man muss auch als Betreuende darauf achten, dass es gerecht auf die Schultern am Institut verteilt wird. Hinzu kommt natürlich, und da sehe ich die Verantwortung auch bei der Universität, dass man sich fragen muss: Welche Gremienarbeit und bürokratischen Prozesse sind notwendig? Wir hatten unheimlich viel in den letzten Jahren, wie z.B. die Akkreditierung, die Neuformulierung der Studienordnung und die zukünftige Ausrichtung der Universität. Da gab es unheimlich viele Debatten, Arbeitsgruppen, Sitzungen etc. drumherum – was einen natürlich auch beschäftigt – und das hat viele Ressourcen in Anspruch genommen. Vielleicht muss man hier versuchen die Bürokratie zu reduzieren, wenn es möglich ist – aber bitte keine neue Kommission oder Behörde für die Entbürokratisierung gründen ;-).

Was führte nach Ihrer Erfahrung zu den meisten Spannungen bzw. Herausforderungen zwischen Ihnen als Betreuerin und den Promovierenden? Und wie können diese Herausforderungen/Spannungen aufgelöst oder vielleicht sogar vermieden werden?

Also Spannung kenne ich jetzt so nicht. Es gibt natürlich klassische Problemlagen im Kontext der Promotion. Das ist einmal das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Das heißt, dass die Promotionszeit auf Haushaltsstellen irgendwann endet. Konkret haben die Doktorand*Innen 6 Jahre Zeit bis zur Promotion und danach 6 Jahre Zeit für die Habilitation. Haben Sie Kinder, werden ihnen an manchen Universitäten pro Kind 2 zusätzliche Jahre gewährt; das ist gesetzlich möglich. Nach diesen Zeiten müssen die Wissenschaftlerinnen entweder den Schritt zur Professur geschafft haben oder sie fallen durch alle Netze (der Wissenschaft). Nach der Promotion ist der Weg aus der Wissenschaft heraus noch gut möglich, nach der Habilitation hoch problematisch.  Also ein Karriereweg, der mit großen Unsicherheiten gepflastert ist – in der Soziologie und auch vielen anderen Fächern. Das kann für die Mitarbeiter*Innen ein mitunter existentielles Problem sein, aber für mich ist es natürlich auch schwierig. Ich fühle mich in gewisser Weise verantwortlich, dass die Promovierenden anschlussfinanziert sind. Aber da kann ich nur bedingt eingreifen, indem ich für eine Weile eine Finanzierung über Dritte beantrage – allerdings hat sich auch diesbezüglich die Praxis der Universitäten geändert, dass selbst eine Beschäftigung über Drittmittelgeber nicht mehr möglich ist. Erschwert wird die prekäre Situation im Mittelbau dadurch, dass – so habe ich es beobachtet — selbst die Zeiten nach dem Studium bis zum Beginn der Anstellung an einer Universität auf die 6-Jahres-Frist angerechnet werden, weil man davon ausgehen könnte, dass die spätere Mitarbeiter*In sich selbst in dieser Zeit den Themen ihrer späteren Dissertation intensiv gewidmet hat – sofern sie nicht einen anderen Arbeitsvertrag vorweisen kann. Das heißt, haben Sie nach ihrem Studium 3 Monate keine Nachweise über eine Tätigkeit oder nicht gearbeitet, zählt dies wie 3 Monate Beschäftigung an einer Universität zumindest an manchen Universitäten. Ehrlich gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Vorgehen fair und korrekt ist. Es gäbe dazu noch mehr zu sagen: beispielsweise, dass Drittmittelbeschäftigte ihre gesetzlich gewährte Elternzeit nicht an ihren Arbeitsvertrag anhängen können, wenn dieser sich auf §2 (2) des WissZeitVG bezieht. Diesbezüglich unterscheiden sich die Vorgaben der Drittmittelgeber. 12 Monate Beschäftigung und 12 Monate Projektlaufzeit fallen dann teilweise einfach weg… Diese Verhältnisse tragen jetzt nicht unbedingt zu zwischenmenschlichen Spannungen zwischen mir und den Doktorandinnen bei, weil es an der Gesetzeslage liegt, aber das ist das Hauptproblem der Beschäftigung im Mittelbau. 

Ein klassisches Thema – Problem Nr. 2, was es gibt – ist die gleichzeitige Ermöglichung von Familie und Beruf, insbesondere wenn die Promovierenden pendeln und Kinder haben. Dann ist es problematisch, weil man in einen Konflikt kommt. Einerseits – und das kann ich völlig verstehen – ist es total wichtig, bei der Familie zu sein und es gibt ja auch klare Notwendigkeiten und Situationen, in denen Eltern nicht vertreten werden können. Aber andererseits bin ich natürlich auch in der Verantwortung dafür zu sorgen, dass der Lehrstuhl funktioniert. Und das ist ein Problem. Da machen wir auch gerade eine kleine Erhebung zu, wie man die Pendeltätigkeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erleichtern könnte und überlegen auch, was die Uni dazu beitragen kann.

Wir haben es noch nicht systematisch ausgearbeitet, aber es gibt ein paar Vorschläge. Etwa das Homeoffice leichter möglich ist – als Ausweichmöglichkeit. Dann gibt es aber auch so einfache Sachen wie Fahrradgaragen seitens der Universität, die Anrechnung der Pendelzeit auf die Arbeitszeit, wenn nachweislich gearbeitet wird oder auch monetäre Zuschüsse, weil Pendeln auch teuer ist. Aber der „casus knacksus“ sind eben die unbefristeten Verträge, die aber auch schon in einer bestimmten Lebensphase kommen müssten, damit sich Mitarbeiter*Innen und deren Familie dauerhaft für den Standort der Universität entscheiden:

Nämlich zu einer Zeit, wenn man gerne Kinder bekommen würde. Denn wenn man Kinder hat und die gehen zur Schule z.B., möchte man auch nicht mehr unbedingt den Wohnort wechseln, selbst wenn man dann einen unbefristeten Vertrag in Form der Professur bekommt. In dieser Situation ist man meist schon etabliert an einem Wohnort.

Haben Sie noch etwas zu ergänzen? Einen Punkt, der hier noch nicht ausreichend angesprochen wurde oder bei dem Ihnen noch etwas eingefallen ist während des Interviews?

Also vielleicht zwei Punkte. Ich finde, das Wesen der Promotion ist, die gedankliche Freiheit zu haben, Dinge auszuprobieren. Das muss man in gewisser Weise dann als Betreuer*In auch zulassen. Zumindest für eine Weile, weil ich glaube, dass diese Zeit auch nicht wieder kommt. Wenn das Ausprobieren dann drei Jahre dauert, ist das natürlich zu lange. Das ist das Eine.

Und was mir eben auch wichtig ist: Ich sehe einerseits schon, dass ich als Betreuerin sehr viel machen und steuern kann. Aber ich finde es andererseits wichtig, dass die Leistung der Promotion und die Karriere zwar von mir unterstützt wird, aber eben nicht von meinem „Goodwill“ abhängig sein sollte. Deshalb finde ich immer das Thema „Führung für Promovierende“ problematisch. Einerseits ist es gut, wenn man Führung bietet. Andererseits gilt, wenn man nur Promovieren kann, weil man eine entsprechende Führung hat, dann ist man zu sehr abhängig von der Professorin oder dem Professor. Und das kann je nachdem auch negativ sein. Denn es gibt natürlich auch Beziehungen zwischen Doktorand*Innen und Professor*Innen, die problematisch sind. 

Es wäre ein strukturelles Problem, wenn eine Promotion nur möglich ist, weil ich die Personen entsprechend unterstütze. Natürlich will ich sie unterstützen und sie auch dahinführen. Aber ich möchte nicht, dass sie komplett von mir abhängig sind. Deshalb sollte diese Führung vielleicht nicht zu engmaschig sein, so dass das Abhängigkeitsverhältnis nicht zu stark ist. Ich weiß jetzt auch gar nicht, ob das ein Problem ist. Aber wenn es um das Thema geht „Führung für Promovierende“, dann denke ich: „Ich weiß gar nicht, ob das so das Richtige ist, wenn die Betreuung so engmaschig verläuft – zumindest innerhalb der Soziologie. Es sind ja keine Schüler*Innen mehr. Aber das mag in anderen Fächern durchaus sinnvoll sein.

Welchen Tipp hätten Sie in Ihrer Promotionszeit gern selbst am Anfang bekommen? Oder vielleicht, welchen Tipp haben Sie bekommen, der besonders wertvoll für Sie war?

Das kann ich so gar nicht sagen. Letztendlich muss man selber erfahren, wie es sich anfühlt. Ich glaube, ich habe die Ungewissheit einer Universitätskarriere unterschätzt. Bei mir ist das ja gut gegangen. Aber ich weiß, was das mit Anderen macht. Darüber sollte man sich im Klaren sein und dies auch wirklich ernst nehmen. Weil, erst promoviert man, das ist super, dann hat man die Habil-Stelle, da fühlt man sich sowieso wie King Louis, aber dann, ja dann wird es ernst.


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