Der Berliner Soziologe Steffen Mau hat mit seinem Buch „Lütten Klein“ eines der, wie ich finde, besten Bücher zum Transformationsprozess in Ostdeutschland geschrieben. Selber aus dem Rostocker Stadtteil Lütten Klein stammend, ist er vor einiger Zeit als Soziologe zurückgekehrt, um die Wirkungen und Konsequenzen der DDR-Zeit als auch der Nachwendezeit zu studieren. Am 3. Dezember 2019 kommt Steffen Mau nach Halle, um am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung (Advokatenweg 36) über sein Buch zu sprechen. Beginn ist um 16:15 Uhr. Auf der Hompage des Instituts heißt es: „The lecture takes a broad view on the transformations of the East German society from 1970 till today. It looks at the co-development of the social structure of society (social mobility, inequality, demography, migration), on the one hand, and the mentalities and cultural practices, on the other hand. It attempts to paint a concise picture of the working class society of the GDR and the social deficits of the late GDR as well as the structural problems arising from unification. It also tries to unravel reasons for today’s dissatisfaction and skepticism of fractions of society with regard to democratic institutions and political representatives.“ Herzliche Einladung!
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25. Nov 2019
Jimmy Schulz gestorben
Soeben kommt die Meldung über die Agenturen, dass der FDP-Politiker Jimmy Schulz gestorben ist. Wie kaum ein anderer hat Schulz in den vergangenen Jahren den Diskurs über die Digitalisierung in Deutschland mitgeprägt. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat ihn gelegentlich als den „Vater der Digitalisierung in Deutschland“ bezeichnet. Ein Highlight seiner Karriere war sicherlich der 20. Juni 2010, an dem er am Pult im Plenarsaal des Deutschen Bundestages erstmals seine Rede von einem iPad (statt von einer Papiervorlage) abgelesen hat – was in einer lebhaften Debatte über die „Würde des Hauses“ gipfelte. Am 10. Oktober 2010 beschloss der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Bundestages daraufhin, dass es Abgeordneten offiziell erlaubt ist, ihre Dokumente elektronisch per Tablet-Computer abzurufen. Inzwischen ist das besagte Tablet Teil der Kollektion des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (mehr hier). Bereits vor geraumer Zeit machte Schulz seine Krebserkrankung öffentlich (siehe auch das sehr lesenswerte Gespräch mit ihm vor einigen Monaten im SPIEGEL). Nun ist er im Alter von nur 51 Jahren verstorben.
25. Nov 2019
Forum Bellevue: „Welche Zukunft“?
Am heutigen Montag hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hochrangige Gäste in seinen Amtssitz Schloss Bellevue geladen, um über die Zukunft der parlamentarischen Demokratie zu diskutieren. Zu den Gästen zählen der Psychologe Steven Pinker, der Schriftsteller Ian McEwan sowie die Neurowissenschaftlerin Maren Urner. Auf der Veranstaltungsseite im Netz heißt es: „Der Bundespräsident und seine Gäste widmen sich der Frage, wie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Fortschritt zum Vorteil für möglichst viele Menschen wiedergewonnen und gestärkt werden kann. Es geht um Vertrauen in die Zukunft und um Vertrauen darauf, dass wir als Gesellschaft die Zukunft gestalten können. Derzeit erleben wir ein wachsendes Misstrauen gegenüber einigen zentralen Institutionen der liberalen Demokratie sowie neue Formen der Mobilisierung und des kollektiven politischen Handelns. In Deutschland wird – wie in vielen europäischen Ländern – das traditionelle Parteiensystem auf die Probe gestellt. Kann eine Rückbesinnung auf die Errungenschaften seit der Aufklärung dazu beitragen, ein neues Selbstvertrauen als Bürgerin oder Bürger liberaler Demokratien zu entwickeln? Wie definieren liberale Demokratien ihr Verhältnis zur Vergangenheit – und zur Zukunft? Hat sich das Verhältnis zwischen Demokratie und Fortschritt geändert? Schließlich wird es in der Diskussion darum gehen, wie unsere Wahrnehmung der Realität – geprägt sowohl von klassischen als auch sozialen Medien – unsere Selbstwahrnehmung sowie unser soziales und politisches Verhalten beeinflussen.“
Details zur Veranstaltung sowie die einführende Rede des Bundespräsidenten sind hier zu finden.
25. Nov 2019
Lektüretipp: „Demokratisierung der Demokratie“
Seit vielen Jahren wird in der Öffentlichkeit sowie innerhalb der Politikwissenschaft über die „Krise der Demokratie“, über „Postdemokratie“ oder die „Simulation der Demokratie“ gesprochen und diskutiert. In den Fokus gerät dabei oft auch eine (mögliche) Krise der demokratischen Repräsentation. In einem Beitrag für die Dezember-Ausgabe der Zeitschrift MERKUR, der soeben online gestellt wurde, wirft der Politikwissenschaftler Philip Manow einen Blick auf Geschichte und Gegenwart dieses Begriffes. Der Artikel ist hier abrufbar.
25. Nov 2019
„Länderbericht Großbritannien“ der BpB in neuer Auflage erschienen
Seit vielen Jahren dient der „Länderbericht Großbritannien“ von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) für eine solide und kenntnisreiche Einführung in Geschichte, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Großbritanniens. Seit der letzten Auflage ist im Land so einiges geschehen – zum Beispiel das inzwischen mehrjährige Ringen um einen (wie auch immer) geregelten BREXIT. Nun ist das Buch in einer atualisierten Neuauflage erschienen, die Details (sowie eine Bestellmöglichkeit) sind hier zu finden.
24. Nov 2019
Long read: „Hope and High Drama“
Die New York Times ist bekannt für ihre langen, ausführlichen Artikel und Analysen. Pünktlich zum heutigen grauen Sonntag gibt es einen sehr spannenden „Long read“ zu lesen: ein Jahr lang haben die Autorinnen Susan Dominus und Paola Kudacki die beiden im November 2018 frisch gewählten Kongressabgeordneten Ayanna Pressley (Massachusetts) und Abigail Spanberger (Virginia) begleitet. Entstanden ist ein lesenswertes Porträt dessen, was es heißt in einem stark polarisierten Parlament zu agieren, politische Allianzen zu schmieden und mit einem umstrittenen Präsidenten umgehen zu lernen. Das ausführliche Feature ist hier nachzulesen.
20. Nov 2019
Petra Sitte MdB zu Gast an der MLU
Im Regierungslehre-Seminare rund um den Deutschen Bundestag beschäftigen wir uns mit der Bundestagswahl 2017, mit Wahlen und Wahlkampf sowie dem Selbstverständnis und der Sozialstruktur der Abgeordneten und dem parlamentarischen Prozess im Parlament. Um die systematischen Erörterungen durch eine praktische Perspektive zu ergänzen, war heute die Hallesche Bundestagsabgeordnete Dr. Petra Sitte (Die Linke) zu Gast, um über ihre Wahlkreisarbeit, ihre Funktion als stellvertretende Vorsitzende ihrer Bundestagsfraktion sowie über das Mit- und Gegeneinander mit den übrigen Abgeordneten im Bundestag zu berichten. Herzlichen Dank für den Besuch und eine spannende Diskussion! Im Verlaufe des Semesters erwarten wir in anderen Lehrveranstaltungen noch ihre Kollegen Karamba Diaby (SPD) und Christoph Bernstiel (CDU). Stay tuned!

21. Okt 2019
TV-Tipp: Bilanz der Treuhandanstalt
Bis heute hat diese damals neuartige Organisation einen äußerst schlechten Ruf, wird sie doch häufig verantwortlich gemacht für den Verlust von abertausenden Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern: die Treuhandanstalt, die von 1990 bis 1994 als – politikwissenschaftlich gesprochen – neuartige Form der Governance dafür verantwortlich war, die volkseigenen Betriebe der DDR nach dem Fall der Mauer zu sanieren und zu verkaufen bzw. zu privatisieren. Ging man ursprünglich davon aus, dass das Finanzministerium mit einem Milliardenbetrag an Einnahmen aus der Arbeit der Treuhandanstalt rechnen konnte, musste am Ende sogar ein dreistelliger Millionenbetrag draufgezahlt werden. Ein neue Dokumentation im ZDF am Dienstag, den 22. Oktober 2019 ukm 20:15 Uhr, geht der Frage nach, wie die Bilanz der Treuhandanstalt aus heutiger Sicht ausfällt. Details zur Doku finden sich hier.
18. Sep 2019
Ein „long read“: Robert Habeck im Osten
Mehrere Monate hat die ZEIT-Journalistin Jana Hensel den Parteichef von Bündnis 90/GRÜNEN, Robert Habeck, im politischen Alltag begleitet, vor allem auf Reisen durch die neuen Bundesländer. In ihrem soeben veröffentlichten Artikel heißt es: „Seit Beginn des Jahres habe ich ihn begleitet. Die meisten Termine fanden in Ostdeutschland statt, denn eigentlich sollten die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen das wichtigste politische Ereignis des Jahres werden. Und ich wollte mir ansehen, ob es dem 50-Jährigen, der sein Leben fast ausschließlich in Schleswig-Holstein verbracht hat, gelingt, ostdeutsch sprechen zu lernen. Zumal er wie wohl noch kein westdeutscher Politiker vor ihm zugegeben hatte, sich für den Osten bisher nicht sonderlich interessiert zu haben.“ Der sehr ausführlich ausgefallene Artikel wirft einen sehenswerten Blick hinter die Kulissen des politischen Alltagsbetrieb – und ist als „long read“ wärmstens zu empfehlen. Zu finden ist der Beitrag hier.
19. Aug 2019
Lektüretipp: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft
Die Transformationsforschung zählt zu den einschlägigen Disziplinen der politikwissenschaftlichen Forschung und hat in den vergangenen dreißig Jahren einen beträchtlichen Aufschwung verzeichnet. Allzu oft wird dabei auf die nationale (und/oder die internationale) Ebene geblickt und die kommunale Perspektive vernachlässigt (von Ansätzen wie etwa dem Projekt Wittenberge abgesehen). Ein neues Buch des Berliner Wissenschaftlers Steffen Maue widmet sich dieser politischen Ebene und verwebt dabei wissenschaftliche Befunde mit eigenen Erfahrungen. Untersuchungsobjekt des Buches ist der Rostocker Stadtteil Lütten Klein, der Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre als mustergültiges Plattenbaugebiet errichtet wurde. Maue, ursprünglich dort aufgewachsen, ist für seine Recherche zurückgekehrt, um mit Einwohnern (Weggezogenen wie Dagebliebenen) und politischen Akteuren über deren Transformationserfahrungen zu sprechen. Dabei schaut er zurück auf das Leben in einem Staat, den es nicht mehr gibt. Zugleich thematisiert er die Erfahrungen im Postwende-Deutschland: „wie veränderte sich die Sozialstruktur, wie die Mentalitäten? Was sind die Ursachen für die Unzufriedenheit und politische Entfremdung in den neuen Ländern? Wie wurde aus der Stadt, in der er gemeinsam mit Kindrn aller Schichten seine Jugend verbrachte, ein Ort sozialer Spaltung?“ Viele der Spannungen, die sich in Ostdeutschland beobachten lassen, so Maue, haben ihren Ursprung in der DDR-Zeit. Doch wurden sie durch die Transformation nicht aufgehoben. Vielmehr verschärften sie sich zu gesellschaftlichen Frakturen, die unser Land bis heute prägen. Entstanden ist ein höchst spannend zu lesendes Buch über 30 Jahre Transformation in Ostdeutschland. Hintergründe zum Buch gibt es auf der Webseite des Verlags.
Update, 29. Januar 2020: inzwischen gibt es das Buch auch als preisgünstige Ausgabe bei der Bundeszentrale für politische Bildung (und zwar hier).