Es ist der alte Konflikt zwischen policy und politics oder – anders formuliert – zwischen Entscheidungs- und Darstellungspolitik: eine Studie der Bertelsmann-Stiftung sowie des Wissenschaftszentrums Berlin hat die Errungenschaften der aktuell regierenden Großen Koalition untersucht und stellt ihr eine durchweg gute Note aus: 47 Prozent der Versprechen seien vollständig oder teilweise erfüllt, 14 Prozent „substanziell in Angriff genommen“ worden. Das sei deutlich mehr als die – ebenfalls schwarz-rote – Vorgängerregierung zur Halbzeit geschafft hatte. Auf der anderen Seite scheinen diese Leistungen im öffentlichen Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht angekommen zu sein: nur jeder Zehnte in Deutschland ist der Überzeugung, dass SPD und Union ihre Versprechen zum großen Teil eingelöst haben. 79 Prozent glauben hingegen, dass von den Koalitionsversprechen „kaum welche“ oder „etwa die Hälfte“ umgesetzt werden. SPIEGEL Online hat die Highlights aus der Studie zusammengefasst (und zwar hier).
Lektüren
19. Aug 2019
Lektüretipp: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft
Die Transformationsforschung zählt zu den einschlägigen Disziplinen der politikwissenschaftlichen Forschung und hat in den vergangenen dreißig Jahren einen beträchtlichen Aufschwung verzeichnet. Allzu oft wird dabei auf die nationale (und/oder die internationale) Ebene geblickt und die kommunale Perspektive vernachlässigt (von Ansätzen wie etwa dem Projekt Wittenberge abgesehen). Ein neues Buch des Berliner Wissenschaftlers Steffen Maue widmet sich dieser politischen Ebene und verwebt dabei wissenschaftliche Befunde mit eigenen Erfahrungen. Untersuchungsobjekt des Buches ist der Rostocker Stadtteil Lütten Klein, der Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre als mustergültiges Plattenbaugebiet errichtet wurde. Maue, ursprünglich dort aufgewachsen, ist für seine Recherche zurückgekehrt, um mit Einwohnern (Weggezogenen wie Dagebliebenen) und politischen Akteuren über deren Transformationserfahrungen zu sprechen. Dabei schaut er zurück auf das Leben in einem Staat, den es nicht mehr gibt. Zugleich thematisiert er die Erfahrungen im Postwende-Deutschland: „wie veränderte sich die Sozialstruktur, wie die Mentalitäten? Was sind die Ursachen für die Unzufriedenheit und politische Entfremdung in den neuen Ländern? Wie wurde aus der Stadt, in der er gemeinsam mit Kindrn aller Schichten seine Jugend verbrachte, ein Ort sozialer Spaltung?“ Viele der Spannungen, die sich in Ostdeutschland beobachten lassen, so Maue, haben ihren Ursprung in der DDR-Zeit. Doch wurden sie durch die Transformation nicht aufgehoben. Vielmehr verschärften sie sich zu gesellschaftlichen Frakturen, die unser Land bis heute prägen. Entstanden ist ein höchst spannend zu lesendes Buch über 30 Jahre Transformation in Ostdeutschland. Hintergründe zum Buch gibt es auf der Webseite des Verlags.
Update, 29. Januar 2020: inzwischen gibt es das Buch auch als preisgünstige Ausgabe bei der Bundeszentrale für politische Bildung (und zwar hier).
15. Aug 2019
Neue empirische Befunde zur Demokratiezufriedenheit in Deutschland
Der Bonner Politikwissenschaftlicher Frank Decker hat kürzlich im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung die Einstellungen der Deutschen zum politischen System sowie der aktuellen Politik untersucht. Jetzt sind die Ergebnisse publiziert worden: dem System der repräsentativen Demokratie in Deutschland stellen die Deutschland demnach ein durchwachsenes Zeugnis aus. Und: der Wunsch nach mehr Mitbestimmung ist groß. Die komplette Studie ist hier abrufbar, einige Highlights daraus finden sich auf SPIEGEL Online.
14. Aug 2019
Neuerscheinung zur Trump-Präsidentschaft: „Weltmacht im Abseits“
Seit gut zweieinhalb Jahren ist der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, im Amt. Und inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Studien und Analysen zu seiner bisherigen Präsidentschaft. Gerade mit Blick auf die außenpolitischen Herausforderungen ist soeben ein Band dreier Politikwissenschaftler der Universität Kaiserslautern erschienen, die in einem, ersten Teil auf die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Trump-Präsidentschaft schauen: wie gestaltet sich im politischen System der „checks and balances“ das Verhältnis Trumps zum Kongress („Institutionelles Ungleichgewicht“)? Und mit welchen präsidentiellen Narrativen prägt Trump seine politische Kommunikation („America First“)? Im Hauptteil des Buches stehen dann außenpolitische Themen im Fokus. Das Verhältnis der Vereinigten Staaten zu Russland wird ebenso thematisiert wie das zu China. Es geht darüber hinaus um die amerikanische Handelspolitik, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus, die nukleare Rüstungspolitik der Vereinigten Staaten, die Energiepolitik sowie um das Verhältnis der Trump-Administration zur NATO. Nähere Informationen zum Buch finden sich hier, das Buch über das Uninetzwerk der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg elektronisch verfügbar.
12. Aug 2019
Neuerscheinung: „Der Bundesrat in der Parteiendemokratie“
Der Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland steht im öffentlichen wie auch im politikwissenschaftlichen Diskurs häufig im Schatten des Deutschen Bundestages. Schaut man auf die Literatur zum Thema, so gibt es nur wenige wissenschaftlichen Publikationen, die über das obligatorische Kapitel in den Einführungswerken in das politische System Deutschlands hinausgehen. Es wird mitunter sogar die Frage diskutiert, ob es sich beim Bundesrat überhaupt um ein „richtiges“ Parlament, eine „richtige“ zweite Kammer handelt. Und findet der Bundesrat dann doch einmal medial statt, dann hängt ihm das Etikett des „Blockadeinstruments“ an. Der Sozialwissenschaftler Hans-Jörg Schmedes hat vor kurzem eine Monographie zum Bundesrat vorgelegt, in dem er den Bundesrat im bundesdeutschen System des konkordanzdemokratisch-orientierten Föderalismus verortet sowie seine Funktionen und Verfahrensweisen ausführlich beschreibt. Eine Rezension des Buches ist hier nachzulesen.
7. Aug 2019
Neue Dissertation zur „Fraktionsdisziplin“ erschienen
Wann immer es um Parlamente und Abgeordnete geht, ist die Diskussion rund um die Fraktionsdisziplin bzw. die Fraktionsgeschlossenheit (in den Medien und der Öffentlichkeit gelegentlich als „Fraktionszwang“ tituliert), nicht weit. Dabei kann diese Fraktionsdisziplin aufgrund der jeweils spezifischen Funktionslogik in parlamentarischen sowie präsidentiellen Systemen eine ganz unterschiedliche Rolle spielen. Der Dresdener Politikwissenschaftler Erik Fritsche hat sich mit diesem Thema im Rahmen seiner Dissertation befasst und umfangreiche empirische Befunde zutage gefördert. Eine Rezension des Buches einschließlich einer Skizzierung der wichtigsten Ergebnisse ist hier nachzulesen. Mehr Informationen zum Buch gibt es auf der Webseite des Verlages. Und auch in unserer Fachbereichsbibliothek Sozialwissenschaften ist das Buch inzwischen (via SpringerLink) erhältlich.
6. Aug 2019
Neuerscheinung: „Europadämmerung“
Zur aktuellen Situation der Europäischen Union (EU) hat die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) vor wenigen Tagen das Buch „Europadämmerung“ des bulgarischen Politikwissenschaftlers Ivan Krastev herausgebracht. Auf der Webseite der BpB heißt es dazu: „Die Europäische Union hatte in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Krisen zu kämpfen. Die Eurokrise, das Brexit-Votum der Briten, der Streit über den Umgang mit Migration: Eine zunehmende Zahl von Europäern, so Ivan Krastev, stehe dem Liberalismus europäischen Zuschnitts skeptisch gegenüber. Die wachsende Zustimmung zu autoritären Politikmodellen – innerhalb der EU, in Ost- und Mitteleuropa – scheint Beleg dafür zu sein, dass Offenheit und Toleranz vielerorts mehr als Bedrohung denn als Bereicherung wahrgenommen werden. So sehen sich viele Menschen als Teil einer „bedrohten Mehrheit“ – gefährdet von Globalisierung und Zuwanderung, angeblich verraten von kosmopolitischen „Eliten“. Populisten versprechen ihnen den Erhalt ihrer Privilegien und „endgültige“ Siege, die eine auf Ausgleich und Rationalität setzende Demokratie schuldig bleiben muss. Ivan Krastev analysiert in diesem Essay diese Verschiebungen, aber auch die Paradoxien, die zuletzt offenbar geworden sind und die so bezeichnend sind für eine politische Union zwischen Zerbrechlichkeit und Widerstandsfähigkeit.“
Bestellt werden kann das Buch hier.
1. Aug 2019
Neuerscheinung: „Das politische Frankreich“
Frisch erschienen ist im Wochenschau-Verlag ein Buch, das sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Politik und Gesellschaft in Frankreich auseinandersetzt. Laut Internetseite des Verlages stehen dabei die folgenden Fragen im Mittelpunkt: „Welche Langzeitfaktoren prägen die politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen Frankreichs? Wie ist es um die Pfadabhängigkeit von Politik und Wirtschaft bestellt? Gibt es ein Spannungsverhältnis zwischen Wandel und Beharrung? Wird es gelingen, das Land weiter zu modernisieren und den sozialen Ausgleich zu erneuern? Welche Rolle und Position wird Frankreich zukünftig in Europa und in der Welt einnehmen?“ Nähere Informationen zum Buch sowie eine Inhaltsübersicht finden sich hier.
29. Jul 2019
Neuerscheinung: Geschichte des europäischen Ostens seit 1989
Kürzlich in der Buchhandlung des Vertrauens entdeckt: das frisch erschienene Buch „Der Preis des Wandels“ von Reinhold Vetter, seines Zeichens langjähriger Korrespondent für die ARD sowie das Handelsblatt in Warschau und Budapest. Darin heißt es: „eigentlich sollte 2019 im östlichen Europa (und nicht nur dort) ein Jahr der großen Feiern werden: 30 Jahre Überwindung der kommunistischen Regime in Europa, 20 Jahre NATO-Osterweiterung der Europäischen Union. Doch für Feierlichkeiten gab und gibt es relativ wenig Anlass. Die Euphorie ist längst verflogen, Ernüchterung und Enttäuschung haben sich breit gemacht. Politikverdrossenheit ist vielfach an die Stelle des politischen Gestaltungswillens getreten, Nationalismus blüht in Ost und auch in West, neue Grenzzäune werden in Europa errichtet, alte Grenzkontrollen wiederbelebt, die soziale Ungleichheit ist keineswegs verschwunden; der kapitalistische und liberale Westen ist für viele Menschen in Ostmittel- und Südosteuropa nicht mehr besonders attraktiv, die Europäische Union noch viel weniger…Was ist in den vergangenen drei Jahrzehnten im östlichen Europa gesechehen, dass es zu solch einer Abkühlung der einstigen Ideale und zu einer Distanzierung vom Traum Europa gekommen ist?“ Details zum Buch sind hier zu finden. In unserer Bibliothek befindet sich das Buch derzeit im Geschäftsgang und sollte in Kürze ausleihbar sein.
Reinhold Vetter: „Der Preis des Wandels. Geschichte des europäischen Ostens seit 1989“, Herder-Verlag, Freiburg/Breisgau 2019, 338 Seiten, 24,- Euro, ISBN: 978-3-451-38302-1.