11. Apr 2011
Lektüren: „Sanftes Monster Brüssel“
Hans Magnus Enzensberger ist wohl einer der bekanntesten Intellektuellen dieser Republik und bislang meines Wissens der einzige, der sogar seine Flops als Buch publiziert hat.
Nun hat er sich in einem eher lang ausgefallenen Essay der europäischen Integrationspolitik gewidmet, und entstanden ist eine äußerst kluge und durchaus kritische Auseinandersetzung mit europäischen Institutionen, Politikern und Politikfeldern. Enzensberger unternimmt eine Reise ins Innere dieser EU, spricht in Brüssel mit deren Vertretern, bemüht sich Licht in die europäische Abkürzungssuppe (FAC, ECOFIN, JHA, COMP, ENVI, EXC, TTW, CAP und viele mehr, vgl. S. 24, mehr Abkürzungen folgen auf S. 25 und 26, ebenso auf S. 53) zu bringen und vergisst auch nicht, auf die Vorzüge dieser Einrichtung hinzuweisen, auf ein ganzes Menschenalter ohne Krieg zum Beispiel, „eine Anomalie, auf die dieser Kontinent stolz sein kann“ (S. 7).
Natürlich kommen auch die „Pionierleistungen“ der europäischen Institutionen nicht zu kurz, so etwa die Einführung neuer, internationaler Kontonummern (27- bis 32-stellig), so dass zum Beispiel für 414000 Malteser insgesamt 3100000000000000000000000000000 verschiedene Kontonummern zur Verfügung stehen, die durch weitere 10000000000 BIC-Nummern präzisiert werden könnten (S. 21). Und natürlich die legendäre Gurkenrichtlinie oder die Verordnung Nr. 2396/2001, die festlegt, dass „bei Lauch und Porree der Güteklasse I mindestens ein Drittel der Gesamtlänge oder die Hälfte des umhüllten Teils von weißer bis grünlich-weißer Färbung sein muss“, es sei denn es handelt sich um Frühporree oder Frühlauch, denn dann „muss der weiße oder grünlich-weiße Teil mindestens ein Viertel der Gesamtlänge oder ein Drittel des umhüllten Teils ausmachen“ (vgl. S. 19).
Insgesamt ist ein äußerst lesenswerter Essay entstanden, gewissermaßen eine tour d’horizon durch europäische politische Landschaften. Unbedingte Kaufempfehlung!
Hans Magnus Enzensberger: „Sanftes Monster Brüssel oder die Entmündigung Europas“, Edition Suhrkamp, Frankfurt/Main 2011, 70 Seiten, €7,00.
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